Seit vorigen Sommer, wo meine Cousine am Puerperal- fieber starb, die ich nach der Geburt untersuchte, zu einer Zeit, wo ich Puerperalkranke (nun folgt ein nicht zu lesendes langes Wort) secirt hatte, war ich überzeugt von der Ueber- tragung. Es fiel mir dann noch ein, dass schon einige Monate früher eine Frau in der Stadt, zu der mich Dr. Freund ge- rufen, ebenfalls am Puerperalfieber gestorben war. Ich verwei- gerte daher meinen Beistand bei der Geburt vier Wochen lang. Eine Gebärende, der ich helfen sollte, musste deshalb einen andern Arzt rufen; es war Prolapsus funiculi umbilicalis; er reponirte; der Arzt secirte viel, anatomisirte täglich; die Ent- bundene erkrankte am Puerperalfieber, wurde gerettet, aber hat eine Exudatmassa am Uterus. Die Hebamme, welche hier Bei- stand leistete, hat wenigstens noch zwei, vielleicht drei Fälle von Puerperalfieber in der Stadt gehabt. So viel von der Fortpflanzung des Fiebers.
Was die Sicherung durch Chlorwaschungen, die ich als sehr kräftig empfehlen kann, da die Hände den Geruch tage- lang, ungeachtet wiederholten Waschens, bewahren, was bei Chlorwasser nicht der Fall ist. Seit Einführung dieser Wa- schungen ist mir bei keiner von mir oder meinen Eleven Entbundenen auch der gelindeste Grad des Fiebers wieder vorgekommen, jenen einen Fall im Februar ausgenommen, bei dem indess, wie ich vermuthe, ein schlecht gereinigter Catheder gebraucht wurde, und der isolirt blieb. Nach dem schlimmen Anfange aber im November erwartete ich die bösar- tigste Epidemie. Uebrigens beschränkt sich meine Erfahrung auf etwa 30 Fälle, da wir nur wenig Schwangere aufnehmen. Ich danke Ihnen für Ihre Mittheilung deshalb vom ganzen Herzen; sie hat vielleicht schon unsere Anstalt vom Unter- gange gerettet; und ein neues Hospital zu erwerben in diesen Zeiten, wäre vielleicht unmöglich gewesen. Ich bitte Sie, mich dem Dr. Semmelweis zu empfehlen, und auch in diesem Sinne zu danken, er hat vielleicht einen grossen Fund gethan.
Sie wissen, dass das Puerperalfieber bei uns eigentlich
Seit vorigen Sommer, wo meine Cousine am Puerperal- fieber starb, die ich nach der Geburt untersuchte, zu einer Zeit, wo ich Puerperalkranke (nun folgt ein nicht zu lesendes langes Wort) secirt hatte, war ich überzeugt von der Ueber- tragung. Es fiel mir dann noch ein, dass schon einige Monate früher eine Frau in der Stadt, zu der mich Dr. Freund ge- rufen, ebenfalls am Puerperalfieber gestorben war. Ich verwei- gerte daher meinen Beistand bei der Geburt vier Wochen lang. Eine Gebärende, der ich helfen sollte, musste deshalb einen andern Arzt rufen; es war Prolapsus funiculi umbilicalis; er reponirte; der Arzt secirte viel, anatomisirte täglich; die Ent- bundene erkrankte am Puerperalfieber, wurde gerettet, aber hat eine Exudatmassa am Uterus. Die Hebamme, welche hier Bei- stand leistete, hat wenigstens noch zwei, vielleicht drei Fälle von Puerperalfieber in der Stadt gehabt. So viel von der Fortpflanzung des Fiebers.
Was die Sicherung durch Chlorwaschungen, die ich als sehr kräftig empfehlen kann, da die Hände den Geruch tage- lang, ungeachtet wiederholten Waschens, bewahren, was bei Chlorwasser nicht der Fall ist. Seit Einführung dieser Wa- schungen ist mir bei keiner von mir oder meinen Eleven Entbundenen auch der gelindeste Grad des Fiebers wieder vorgekommen, jenen einen Fall im Februar ausgenommen, bei dem indess, wie ich vermuthe, ein schlecht gereinigter Catheder gebraucht wurde, und der isolirt blieb. Nach dem schlimmen Anfange aber im November erwartete ich die bösar- tigste Epidemie. Uebrigens beschränkt sich meine Erfahrung auf etwa 30 Fälle, da wir nur wenig Schwangere aufnehmen. Ich danke Ihnen für Ihre Mittheilung deshalb vom ganzen Herzen; sie hat vielleicht schon unsere Anstalt vom Unter- gange gerettet; und ein neues Hospital zu erwerben in diesen Zeiten, wäre vielleicht unmöglich gewesen. Ich bitte Sie, mich dem Dr. Semmelweis zu empfehlen, und auch in diesem Sinne zu danken, er hat vielleicht einen grossen Fund gethan.
Sie wissen, dass das Puerperalfieber bei uns eigentlich
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0299"n="287"/><p>Seit vorigen Sommer, wo meine Cousine am Puerperal-<lb/>
fieber starb, die ich nach der Geburt untersuchte, zu einer<lb/>
Zeit, wo ich Puerperalkranke (nun folgt ein nicht zu lesendes<lb/>
langes Wort) secirt hatte, war ich überzeugt von der Ueber-<lb/>
tragung. Es fiel mir dann noch ein, dass schon einige Monate<lb/>
früher eine Frau in der Stadt, zu der mich Dr. Freund ge-<lb/>
rufen, ebenfalls am Puerperalfieber gestorben war. Ich verwei-<lb/>
gerte daher meinen Beistand bei der Geburt vier Wochen lang.<lb/>
Eine Gebärende, der ich helfen sollte, musste deshalb einen<lb/>
andern Arzt rufen; es war Prolapsus funiculi umbilicalis; er<lb/>
reponirte; der Arzt secirte viel, anatomisirte täglich; die Ent-<lb/>
bundene erkrankte am Puerperalfieber, wurde gerettet, aber hat<lb/>
eine Exudatmassa am Uterus. Die Hebamme, welche hier Bei-<lb/>
stand leistete, hat wenigstens noch zwei, vielleicht drei Fälle<lb/>
von Puerperalfieber in der Stadt gehabt. So viel von der<lb/>
Fortpflanzung des Fiebers.</p><lb/><p>Was die Sicherung durch Chlorwaschungen, die ich als<lb/>
sehr kräftig empfehlen kann, da die Hände den Geruch tage-<lb/>
lang, ungeachtet wiederholten Waschens, bewahren, was bei<lb/>
Chlorwasser nicht der Fall ist. Seit Einführung dieser Wa-<lb/>
schungen ist mir bei keiner von mir oder meinen Eleven<lb/>
Entbundenen auch der gelindeste Grad des Fiebers wieder<lb/>
vorgekommen, jenen einen Fall im Februar ausgenommen,<lb/>
bei dem indess, wie ich vermuthe, ein schlecht gereinigter<lb/>
Catheder gebraucht wurde, und der isolirt blieb. Nach dem<lb/>
schlimmen Anfange aber im November erwartete ich die bösar-<lb/>
tigste Epidemie. Uebrigens beschränkt sich meine Erfahrung<lb/>
auf etwa 30 Fälle, da wir nur wenig Schwangere aufnehmen.<lb/>
Ich danke Ihnen für Ihre Mittheilung deshalb vom ganzen<lb/>
Herzen; sie hat vielleicht schon unsere Anstalt vom Unter-<lb/>
gange gerettet; und ein neues Hospital zu erwerben in diesen<lb/>
Zeiten, wäre vielleicht unmöglich gewesen. Ich bitte Sie, mich<lb/>
dem Dr. Semmelweis zu empfehlen, und auch in diesem Sinne<lb/>
zu danken, er hat vielleicht einen grossen Fund gethan.</p><lb/><p>Sie wissen, dass das Puerperalfieber bei uns eigentlich<lb/></p></div></body></text></TEI>
[287/0299]
Seit vorigen Sommer, wo meine Cousine am Puerperal-
fieber starb, die ich nach der Geburt untersuchte, zu einer
Zeit, wo ich Puerperalkranke (nun folgt ein nicht zu lesendes
langes Wort) secirt hatte, war ich überzeugt von der Ueber-
tragung. Es fiel mir dann noch ein, dass schon einige Monate
früher eine Frau in der Stadt, zu der mich Dr. Freund ge-
rufen, ebenfalls am Puerperalfieber gestorben war. Ich verwei-
gerte daher meinen Beistand bei der Geburt vier Wochen lang.
Eine Gebärende, der ich helfen sollte, musste deshalb einen
andern Arzt rufen; es war Prolapsus funiculi umbilicalis; er
reponirte; der Arzt secirte viel, anatomisirte täglich; die Ent-
bundene erkrankte am Puerperalfieber, wurde gerettet, aber hat
eine Exudatmassa am Uterus. Die Hebamme, welche hier Bei-
stand leistete, hat wenigstens noch zwei, vielleicht drei Fälle
von Puerperalfieber in der Stadt gehabt. So viel von der
Fortpflanzung des Fiebers.
Was die Sicherung durch Chlorwaschungen, die ich als
sehr kräftig empfehlen kann, da die Hände den Geruch tage-
lang, ungeachtet wiederholten Waschens, bewahren, was bei
Chlorwasser nicht der Fall ist. Seit Einführung dieser Wa-
schungen ist mir bei keiner von mir oder meinen Eleven
Entbundenen auch der gelindeste Grad des Fiebers wieder
vorgekommen, jenen einen Fall im Februar ausgenommen,
bei dem indess, wie ich vermuthe, ein schlecht gereinigter
Catheder gebraucht wurde, und der isolirt blieb. Nach dem
schlimmen Anfange aber im November erwartete ich die bösar-
tigste Epidemie. Uebrigens beschränkt sich meine Erfahrung
auf etwa 30 Fälle, da wir nur wenig Schwangere aufnehmen.
Ich danke Ihnen für Ihre Mittheilung deshalb vom ganzen
Herzen; sie hat vielleicht schon unsere Anstalt vom Unter-
gange gerettet; und ein neues Hospital zu erwerben in diesen
Zeiten, wäre vielleicht unmöglich gewesen. Ich bitte Sie, mich
dem Dr. Semmelweis zu empfehlen, und auch in diesem Sinne
zu danken, er hat vielleicht einen grossen Fund gethan.
Sie wissen, dass das Puerperalfieber bei uns eigentlich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/299>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.