Correspondenzen und Stimmen in der Literatur für und gegen meine Lehre.
Wenn wir mit gegenwärtiger Schrift keinen anderen Zweck verfolgen würden, als den, unsere Lehre unerschütter- lich zu begründen, und den traurigen Irrthum der Lehre vom epidemischen Kindbettfieber recht klar zu machen, wenn wir nur diesen Zweck verfolgen würden, so könnten wir füglich diese Schrift hier schliessen, denn wir haben nichts mehr unserer Lehre hinzuzufügen, um selbe unerschütterlicher zu machen, so wie wir nichts mehr zu sagen haben, um die Un- haltbarkeit der Lehre vom epidemischen Kindbettfieber noch klarer zu machen.
Das allein kann aber der Zweck der gegenwärtigen Schrift nicht sein, denn meine Lehre ist nicht dazu da, fest begründet in Bibliotheken unter Staub zu vermodern, sondern seine Mission ist: im praktischen Leben segensreich zu wirken. Meine Lehre ist dazu da, um von den Lehrern der Medicin verbreitet zu werden, damit das Medicinal-Personale bis hinab zum letzten Dorfchirurgen, bis zur letzten Dorfhebamme dar- nach handle, meine Lehre ist dazu da, um den Schrecken aus den Gebärhäusern zu verbannen, und um dem Gatten die Gattin, dem Kinde die Mutter zu erhalten.
Der Geburtstag meiner Lehre fällt in die zweite Hälfte Mai des Jahres 1847. Wenn wir uns nun nach zwölf Jahren die Frage stellen, hat diese Lehre seine Mission erfüllt, so lautet die Antwort sehr betrübend. Es ist zwar wahr, dass meine Lehre so weitläufig wie dieses Mal noch nicht erörtert wurde, aber das Wesen der Lehre ist veröffentlicht worden,
Semmelweis, Kindbettfieber. 18
Correspondenzen und Stimmen in der Literatur für und gegen meine Lehre.
Wenn wir mit gegenwärtiger Schrift keinen anderen Zweck verfolgen würden, als den, unsere Lehre unerschütter- lich zu begründen, und den traurigen Irrthum der Lehre vom epidemischen Kindbettfieber recht klar zu machen, wenn wir nur diesen Zweck verfolgen würden, so könnten wir füglich diese Schrift hier schliessen, denn wir haben nichts mehr unserer Lehre hinzuzufügen, um selbe unerschütterlicher zu machen, so wie wir nichts mehr zu sagen haben, um die Un- haltbarkeit der Lehre vom epidemischen Kindbettfieber noch klarer zu machen.
Das allein kann aber der Zweck der gegenwärtigen Schrift nicht sein, denn meine Lehre ist nicht dazu da, fest begründet in Bibliotheken unter Staub zu vermodern, sondern seine Mission ist: im praktischen Leben segensreich zu wirken. Meine Lehre ist dazu da, um von den Lehrern der Medicin verbreitet zu werden, damit das Medicinal-Personale bis hinab zum letzten Dorfchirurgen, bis zur letzten Dorfhebamme dar- nach handle, meine Lehre ist dazu da, um den Schrecken aus den Gebärhäusern zu verbannen, und um dem Gatten die Gattin, dem Kinde die Mutter zu erhalten.
Der Geburtstag meiner Lehre fällt in die zweite Hälfte Mai des Jahres 1847. Wenn wir uns nun nach zwölf Jahren die Frage stellen, hat diese Lehre seine Mission erfüllt, so lautet die Antwort sehr betrübend. Es ist zwar wahr, dass meine Lehre so weitläufig wie dieses Mal noch nicht erörtert wurde, aber das Wesen der Lehre ist veröffentlicht worden,
Semmelweis, Kindbettfieber. 18
<TEI><text><body><pbfacs="#f0285"n="[273]"/><divn="1"><head><hirendition="#b">Correspondenzen und Stimmen in der Literatur<lb/>
für und gegen meine Lehre.</hi></head><lb/><p>Wenn wir mit gegenwärtiger Schrift keinen anderen<lb/>
Zweck verfolgen würden, als den, unsere Lehre unerschütter-<lb/>
lich zu begründen, und den traurigen Irrthum der Lehre vom<lb/>
epidemischen Kindbettfieber recht klar zu machen, wenn wir<lb/>
nur diesen Zweck verfolgen würden, so könnten wir füglich<lb/>
diese Schrift hier schliessen, denn wir haben nichts mehr<lb/>
unserer Lehre hinzuzufügen, um selbe unerschütterlicher zu<lb/>
machen, so wie wir nichts mehr zu sagen haben, um die Un-<lb/>
haltbarkeit der Lehre vom epidemischen Kindbettfieber noch<lb/>
klarer zu machen.</p><lb/><p>Das allein kann aber der Zweck der gegenwärtigen Schrift<lb/>
nicht sein, denn meine Lehre ist nicht dazu da, fest begründet<lb/>
in Bibliotheken unter Staub zu vermodern, sondern seine<lb/>
Mission ist: im praktischen Leben segensreich zu wirken.<lb/>
Meine Lehre ist dazu da, um von den Lehrern der Medicin<lb/>
verbreitet zu werden, damit das Medicinal-Personale bis hinab<lb/>
zum letzten Dorfchirurgen, bis zur letzten Dorfhebamme dar-<lb/>
nach handle, meine Lehre ist dazu da, um den Schrecken aus<lb/>
den Gebärhäusern zu verbannen, und um dem Gatten die<lb/>
Gattin, dem Kinde die Mutter zu erhalten.</p><lb/><p>Der Geburtstag meiner Lehre fällt in die zweite Hälfte<lb/>
Mai des Jahres 1847. Wenn wir uns nun nach zwölf Jahren<lb/>
die Frage stellen, hat diese Lehre seine Mission erfüllt, so<lb/>
lautet die Antwort sehr betrübend. Es ist zwar wahr, dass<lb/>
meine Lehre so weitläufig wie dieses Mal noch nicht erörtert<lb/>
wurde, aber das Wesen der Lehre ist veröffentlicht worden,<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#g">Semmelweis</hi>, Kindbettfieber. 18</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[[273]/0285]
Correspondenzen und Stimmen in der Literatur
für und gegen meine Lehre.
Wenn wir mit gegenwärtiger Schrift keinen anderen
Zweck verfolgen würden, als den, unsere Lehre unerschütter-
lich zu begründen, und den traurigen Irrthum der Lehre vom
epidemischen Kindbettfieber recht klar zu machen, wenn wir
nur diesen Zweck verfolgen würden, so könnten wir füglich
diese Schrift hier schliessen, denn wir haben nichts mehr
unserer Lehre hinzuzufügen, um selbe unerschütterlicher zu
machen, so wie wir nichts mehr zu sagen haben, um die Un-
haltbarkeit der Lehre vom epidemischen Kindbettfieber noch
klarer zu machen.
Das allein kann aber der Zweck der gegenwärtigen Schrift
nicht sein, denn meine Lehre ist nicht dazu da, fest begründet
in Bibliotheken unter Staub zu vermodern, sondern seine
Mission ist: im praktischen Leben segensreich zu wirken.
Meine Lehre ist dazu da, um von den Lehrern der Medicin
verbreitet zu werden, damit das Medicinal-Personale bis hinab
zum letzten Dorfchirurgen, bis zur letzten Dorfhebamme dar-
nach handle, meine Lehre ist dazu da, um den Schrecken aus
den Gebärhäusern zu verbannen, und um dem Gatten die
Gattin, dem Kinde die Mutter zu erhalten.
Der Geburtstag meiner Lehre fällt in die zweite Hälfte
Mai des Jahres 1847. Wenn wir uns nun nach zwölf Jahren
die Frage stellen, hat diese Lehre seine Mission erfüllt, so
lautet die Antwort sehr betrübend. Es ist zwar wahr, dass
meine Lehre so weitläufig wie dieses Mal noch nicht erörtert
wurde, aber das Wesen der Lehre ist veröffentlicht worden,
Semmelweis, Kindbettfieber. 18
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. [273]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/285>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.