phylaxis des Kindbettfiebers, dass jedes Gebärhaus mehrere abgesonderte Räume besitze, um in denselben diejenigen Individuen, welche zersetzte Stoffe exhaliren, oder deren Krank- heiten zersetzte Stoffe erzeugen, vollkommen von den gesunden gesondert verpflegen zu können. Unter der Voraussetzung der Absonderung kranker Individuen ist das Zellensystem kein Erforderniss der Prophylaxis des Kindbettfiebers, und es ist vollkommen gleichgiltig, wie viele gesunde Wöchnerinnen in einem Zimmer verpflegt werden, wenn die Zahl der Wöchne- rinnen nur im richtigen Verhältnisse zur Grösse des Zimmers steht. Wir haben an der I. Geburtsklinik 32 Wöchnerinnen gleichzeitig in einem Zimmer verpflegt.
Eben so ist es kein Erforderniss der Prophylaxis des Kindbettfiebers, mehrere kleine statt eines grossen Gebärhauses zu errichten. Es ist allerdings wahr, dass die absolute Sterb- lichkeit in einem kleinen Gebärhause nicht so gross sein kann als in einem grossen Gebärhause, z. B. Kiwisch berichtet, dass an der geburtshilflichen Klinik zu Würzburg von 102 in einem Jahre verpflegten Wöchnerinnen 27 gestorben seien. Das ungünstigste Jahr für das Wiener Gebärhaus war wäh- rend der 75 Jahre seines Bestehens das Jahr 1842; es starben nämlich, das Gebärhaus als Ganzes genommen, von 6024 Wöchnerinnen 730, oder wenn wir blos die I. Abtheilung berücksichtigen, so starben an der I. Abtheilung im Jahre 1824 von 3287 Wöchnerinnen 518 Wöchnerinnen. Welch ein unge- heurer Unterschied in der absoluten Sterblichkeit zwischen dem kleinen Würzburger und dem grossen Wiener Gebär- hause! und doch war die relative Sterblichkeit im kleinen Würzburger Gebärhause bedeutend grösser, als im grössten Gebärhause der Welt während seines ungünstigsten Jahres, denn in Würzburg starben 26.47, in Wien aber, das Gebär- haus als Ganzes genommen, 12.11; die I. Abtheilung aber allein genommen 15.75 Percent-Antheile Wöchnerinnen, und es ist die Erklärung, warum in kleinen Gebärhäusern die relative Sterblichkeit grösser ist als in grossen Gebärhäusern, leicht
phylaxis des Kindbettfiebers, dass jedes Gebärhaus mehrere abgesonderte Räume besitze, um in denselben diejenigen Individuen, welche zersetzte Stoffe exhaliren, oder deren Krank- heiten zersetzte Stoffe erzeugen, vollkommen von den gesunden gesondert verpflegen zu können. Unter der Voraussetzung der Absonderung kranker Individuen ist das Zellensystem kein Erforderniss der Prophylaxis des Kindbettfiebers, und es ist vollkommen gleichgiltig, wie viele gesunde Wöchnerinnen in einem Zimmer verpflegt werden, wenn die Zahl der Wöchne- rinnen nur im richtigen Verhältnisse zur Grösse des Zimmers steht. Wir haben an der I. Geburtsklinik 32 Wöchnerinnen gleichzeitig in einem Zimmer verpflegt.
Eben so ist es kein Erforderniss der Prophylaxis des Kindbettfiebers, mehrere kleine statt eines grossen Gebärhauses zu errichten. Es ist allerdings wahr, dass die absolute Sterb- lichkeit in einem kleinen Gebärhause nicht so gross sein kann als in einem grossen Gebärhause, z. B. Kiwisch berichtet, dass an der geburtshilflichen Klinik zu Würzburg von 102 in einem Jahre verpflegten Wöchnerinnen 27 gestorben seien. Das ungünstigste Jahr für das Wiener Gebärhaus war wäh- rend der 75 Jahre seines Bestehens das Jahr 1842; es starben nämlich, das Gebärhaus als Ganzes genommen, von 6024 Wöchnerinnen 730, oder wenn wir blos die I. Abtheilung berücksichtigen, so starben an der I. Abtheilung im Jahre 1824 von 3287 Wöchnerinnen 518 Wöchnerinnen. Welch ein unge- heurer Unterschied in der absoluten Sterblichkeit zwischen dem kleinen Würzburger und dem grossen Wiener Gebär- hause! und doch war die relative Sterblichkeit im kleinen Würzburger Gebärhause bedeutend grösser, als im grössten Gebärhause der Welt während seines ungünstigsten Jahres, denn in Würzburg starben 26.47, in Wien aber, das Gebär- haus als Ganzes genommen, 12.11; die I. Abtheilung aber allein genommen 15.75 Percent-Antheile Wöchnerinnen, und es ist die Erklärung, warum in kleinen Gebärhäusern die relative Sterblichkeit grösser ist als in grossen Gebärhäusern, leicht
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phylaxis des Kindbettfiebers, dass jedes Gebärhaus mehrere
abgesonderte Räume besitze, um in denselben diejenigen
Individuen, welche zersetzte Stoffe exhaliren, oder deren Krank-
heiten zersetzte Stoffe erzeugen, vollkommen von den gesunden
gesondert verpflegen zu können. Unter der Voraussetzung der
Absonderung kranker Individuen ist das Zellensystem kein
Erforderniss der Prophylaxis des Kindbettfiebers, und es ist
vollkommen gleichgiltig, wie viele gesunde Wöchnerinnen in
einem Zimmer verpflegt werden, wenn die Zahl der Wöchne-
rinnen nur im richtigen Verhältnisse zur Grösse des Zimmers
steht. Wir haben an der I. Geburtsklinik 32 Wöchnerinnen
gleichzeitig in einem Zimmer verpflegt.
Eben so ist es kein Erforderniss der Prophylaxis des
Kindbettfiebers, mehrere kleine statt eines grossen Gebärhauses
zu errichten. Es ist allerdings wahr, dass die absolute Sterb-
lichkeit in einem kleinen Gebärhause nicht so gross sein kann
als in einem grossen Gebärhause, z. B. Kiwisch berichtet,
dass an der geburtshilflichen Klinik zu Würzburg von 102 in
einem Jahre verpflegten Wöchnerinnen 27 gestorben seien.
Das ungünstigste Jahr für das Wiener Gebärhaus war wäh-
rend der 75 Jahre seines Bestehens das Jahr 1842; es starben
nämlich, das Gebärhaus als Ganzes genommen, von 6024
Wöchnerinnen 730, oder wenn wir blos die I. Abtheilung
berücksichtigen, so starben an der I. Abtheilung im Jahre 1824
von 3287 Wöchnerinnen 518 Wöchnerinnen. Welch ein unge-
heurer Unterschied in der absoluten Sterblichkeit zwischen
dem kleinen Würzburger und dem grossen Wiener Gebär-
hause! und doch war die relative Sterblichkeit im kleinen
Würzburger Gebärhause bedeutend grösser, als im grössten
Gebärhause der Welt während seines ungünstigsten Jahres,
denn in Würzburg starben 26.47, in Wien aber, das Gebär-
haus als Ganzes genommen, 12.11; die I. Abtheilung aber allein
genommen 15.75 Percent-Antheile Wöchnerinnen, und es ist
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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/282>, abgerufen am 22.11.2024.
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