tete*), liest man Seite 241 u. f., dass die Unterleibsentzün- dung, "la fievre puerperale", wie der Verfasser die Krankheit immer nennt, seit dem Jahre 1774 alle Winter unter den Wöchnerinnen des Hotel-Dieu gewüthet habe, und dass zu manchen Zeiten von 12 Wöchnerinnen 7 von dieser furchtba- ren Krankheit befallen worden seien. Um dies nicht auffal- lend zu finden, muss man wissen, in welchem bedauerungs- würdigen Zustande die Wöchnerinnen und die Schwangeren sich damals im Hotel-Dieu befanden. In niedrigen und schma- len Sälen der oberen Etage, die mit Betten überfüllt waren, eingeschlossen, traf es sich nicht selten, dass drei Wöchne- rinnen in einem vier Fuss breiten Bette neben einander zu lie- gen kamen, denn im Jahre 1786 lagen in 67 nicht übermäs- sig breiten Betten 175 Schwangere und Neuentbundene und 16 Aufwärterinnen. Ueberdies befanden sich die Säle der Wöchnerinnen über anderen Krankensälen des Hotel-Dieu, und wenn auch die Verwundeten damals schon nicht mehr wie ehemals**) unter den Sälen der Wöchnerinnen lagen, so darf man doch annehmen, dass schon die Nähe der grossen Kran- kensäle zur Verderbniss der Luft und zur Erzeugung gefähr- licher Miasmen in den Sälen der Wöchnerinnen beigetragen habe etc. etc."
Also die erste Kindbettfieber - Epidemie, die man als solche anerkennt, ist nicht durch atmosphärische Einflüsse, sondern so wie ich es lehre, entstanden, und wenn sich auch kein Historiograph gefunden, der uns die Geheimnisse der übrigen unzähligen Puerperalepidemien enthüllt, so liefert doch die Geschichte des Kindbettfiebers, wenige Epidemien
*)Memoire sur les hospitaux de Paris.
**) Schon im Jahre 1664 leitete ein Arzt des Hotel-Dieu Namens Lamoiquou, die Häufigkeit und Gefahr des Kindbettfiebers in die- sem Hospital von der Lage der Wochensäle über denen der Ver- wundeten her; und Peu und Desault machten die Bemerkung, dass, seitdem die Verwundeten von da verlegt seien, die Krankheit weniger häufig vorkomme.
tete*), liest man Seite 241 u. f., dass die Unterleibsentzün- dung, »la fièvre puerperale«, wie der Verfasser die Krankheit immer nennt, seit dem Jahre 1774 alle Winter unter den Wöchnerinnen des Hôtel-Dieu gewüthet habe, und dass zu manchen Zeiten von 12 Wöchnerinnen 7 von dieser furchtba- ren Krankheit befallen worden seien. Um dies nicht auffal- lend zu finden, muss man wissen, in welchem bedauerungs- würdigen Zustande die Wöchnerinnen und die Schwangeren sich damals im Hôtel-Dieu befanden. In niedrigen und schma- len Sälen der oberen Etage, die mit Betten überfüllt waren, eingeschlossen, traf es sich nicht selten, dass drei Wöchne- rinnen in einem vier Fuss breiten Bette neben einander zu lie- gen kamen, denn im Jahre 1786 lagen in 67 nicht übermäs- sig breiten Betten 175 Schwangere und Neuentbundene und 16 Aufwärterinnen. Ueberdies befanden sich die Säle der Wöchnerinnen über anderen Krankensälen des Hôtel-Dieu, und wenn auch die Verwundeten damals schon nicht mehr wie ehemals**) unter den Sälen der Wöchnerinnen lagen, so darf man doch annehmen, dass schon die Nähe der grossen Kran- kensäle zur Verderbniss der Luft und zur Erzeugung gefähr- licher Miasmen in den Sälen der Wöchnerinnen beigetragen habe etc. etc.«
Also die erste Kindbettfieber - Epidemie, die man als solche anerkennt, ist nicht durch atmosphärische Einflüsse, sondern so wie ich es lehre, entstanden, und wenn sich auch kein Historiograph gefunden, der uns die Geheimnisse der übrigen unzähligen Puerperalepidemien enthüllt, so liefert doch die Geschichte des Kindbettfiebers, wenige Epidemien
*)Mémoire sur les hospitaux de Paris.
**) Schon im Jahre 1664 leitete ein Arzt des Hôtel-Dieu Namens Lamoiquou, die Häufigkeit und Gefahr des Kindbettfiebers in die- sem Hospital von der Lage der Wochensäle über denen der Ver- wundeten her; und Peu und Desault machten die Bemerkung, dass, seitdem die Verwundeten von da verlegt seien, die Krankheit weniger häufig vorkomme.
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[204/0216]
tete *), liest man Seite 241 u. f., dass die Unterleibsentzün-
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Wöchnerinnen des Hôtel-Dieu gewüthet habe, und dass zu
manchen Zeiten von 12 Wöchnerinnen 7 von dieser furchtba-
ren Krankheit befallen worden seien. Um dies nicht auffal-
lend zu finden, muss man wissen, in welchem bedauerungs-
würdigen Zustande die Wöchnerinnen und die Schwangeren
sich damals im Hôtel-Dieu befanden. In niedrigen und schma-
len Sälen der oberen Etage, die mit Betten überfüllt waren,
eingeschlossen, traf es sich nicht selten, dass drei Wöchne-
rinnen in einem vier Fuss breiten Bette neben einander zu lie-
gen kamen, denn im Jahre 1786 lagen in 67 nicht übermäs-
sig breiten Betten 175 Schwangere und Neuentbundene und
16 Aufwärterinnen. Ueberdies befanden sich die Säle der
Wöchnerinnen über anderen Krankensälen des Hôtel-Dieu,
und wenn auch die Verwundeten damals schon nicht mehr wie
ehemals **) unter den Sälen der Wöchnerinnen lagen, so darf
man doch annehmen, dass schon die Nähe der grossen Kran-
kensäle zur Verderbniss der Luft und zur Erzeugung gefähr-
licher Miasmen in den Sälen der Wöchnerinnen beigetragen
habe etc. etc.«
Also die erste Kindbettfieber - Epidemie, die man als
solche anerkennt, ist nicht durch atmosphärische Einflüsse,
sondern so wie ich es lehre, entstanden, und wenn sich auch
kein Historiograph gefunden, der uns die Geheimnisse der
übrigen unzähligen Puerperalepidemien enthüllt, so liefert
doch die Geschichte des Kindbettfiebers, wenige Epidemien
*) Mémoire sur les hospitaux de Paris.
**) Schon im Jahre 1664 leitete ein Arzt des Hôtel-Dieu Namens
Lamoiquou, die Häufigkeit und Gefahr des Kindbettfiebers in die-
sem Hospital von der Lage der Wochensäle über denen der Ver-
wundeten her; und Peu und Desault machten die Bemerkung,
dass, seitdem die Verwundeten von da verlegt seien, die Krankheit
weniger häufig vorkomme.
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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/216>, abgerufen am 22.11.2024.
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