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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861.

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Vom Gesundheitszustande der Wöchnerinnen dieses Ge-
bärhauses sagt Professor Dr. Levy Folgendes:

"Die hieraus hervorgehende Veränderung im Gesund-
heitszustande des Hospitals in den letzten 31/2 Jahren ist zu
merkwürdig, dass es nicht interessiren sollte, etwas näher die
Anstrengungen und Versuche kennen zu lernen, die man vor-
her zu diesem Zwecke gemacht hat, worüber in dem bekann-
ten "Health of town's commission's first report," Vol. 1,
pag. 117--21
, eine autentische Aufklärung enthalten ist. Man
sieht hieraus, dass man bis 1838 sich mit den gewöhnlichen
Palliativmitteln gegen Hospitalsepidemien (Endemie. Anm.
d. Verf.) begnügte. Indem man nun aber den Blick über das
Hospitalsgebäude erweiterte, gewahrte man, dass in unmit-
telbarer Nähe des Gebäudes, kaum 30 Fuss von der Mauer,
sich offene Gräben von mehr als 1500 Fuss Ausdehnung vor-
fanden, die den Ablauf des angrenzenden Armen- und stark
bebauten Stadtquartiers aufnahmen. Der Inhalt der Gräben
war stagnirend, und in Folge von anhaltender Gasentwicke-
lung in beständiger Ebullition.

"Nach manchen Schwierigkeiten und Debatten mit der
Wasserleitungscommission glückte es endlich dem Hospitals-
vorstande im October 1838, gegen Beisteuer zu den bedeu-
tenden Kosten eine 644 Fuss lange Strecke der Gräben ge-
reiniget und überbaut zu erhalten, bei welcher Gelegenheit
aber der Missgriff begangen wurde, dass man die ungeheure
Menge des schwarzen stinkenden Schlammes, statt ihn fort-
zuschaffen, über den anliegenden Grund ausbreitete, wodurch
die Ausdünstungsfläche natürlich in der ersten Zeit sehr ver-
grössert wurde. Als eine wahrscheinlich unmittelbare Wir-
kung hiervon glaubt Dr. Rigby anführen zu können, dass
innerhalb der ersten 24 Stunden nach dieser unverantwort-
lichen Massregel sich zwei Fälle von Puerperalfieber im Ho-
spitale zeigten, das in der letzten Zeit zuvor ganz frei von der
Krankheit gewesen war. Diese Arbeit blieb indess ohne merk-
bare Einwirkung auf den späteren Gesundheitszustand des

Semmelweis, Kindbettfieber. 11

Vom Gesundheitszustande der Wöchnerinnen dieses Ge-
bärhauses sagt Professor Dr. Levy Folgendes:

»Die hieraus hervorgehende Veränderung im Gesund-
heitszustande des Hospitals in den letzten 3½ Jahren ist zu
merkwürdig, dass es nicht interessiren sollte, etwas näher die
Anstrengungen und Versuche kennen zu lernen, die man vor-
her zu diesem Zwecke gemacht hat, worüber in dem bekann-
ten »Health of town’s commission’s first report,« Vol. 1,
pag. 117—21
, eine autentische Aufklärung enthalten ist. Man
sieht hieraus, dass man bis 1838 sich mit den gewöhnlichen
Palliativmitteln gegen Hospitalsepidemien (Endemie. Anm.
d. Verf.) begnügte. Indem man nun aber den Blick über das
Hospitalsgebäude erweiterte, gewahrte man, dass in unmit-
telbarer Nähe des Gebäudes, kaum 30 Fuss von der Mauer,
sich offene Gräben von mehr als 1500 Fuss Ausdehnung vor-
fanden, die den Ablauf des angrenzenden Armen- und stark
bebauten Stadtquartiers aufnahmen. Der Inhalt der Gräben
war stagnirend, und in Folge von anhaltender Gasentwicke-
lung in beständiger Ebullition.

»Nach manchen Schwierigkeiten und Debatten mit der
Wasserleitungscommission glückte es endlich dem Hospitals-
vorstande im October 1838, gegen Beisteuer zu den bedeu-
tenden Kosten eine 644 Fuss lange Strecke der Gräben ge-
reiniget und überbaut zu erhalten, bei welcher Gelegenheit
aber der Missgriff begangen wurde, dass man die ungeheure
Menge des schwarzen stinkenden Schlammes, statt ihn fort-
zuschaffen, über den anliegenden Grund ausbreitete, wodurch
die Ausdünstungsfläche natürlich in der ersten Zeit sehr ver-
grössert wurde. Als eine wahrscheinlich unmittelbare Wir-
kung hiervon glaubt Dr. Rigby anführen zu können, dass
innerhalb der ersten 24 Stunden nach dieser unverantwort-
lichen Massregel sich zwei Fälle von Puerperalfieber im Ho-
spitale zeigten, das in der letzten Zeit zuvor ganz frei von der
Krankheit gewesen war. Diese Arbeit blieb indess ohne merk-
bare Einwirkung auf den späteren Gesundheitszustand des

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[161/0173] Vom Gesundheitszustande der Wöchnerinnen dieses Ge- bärhauses sagt Professor Dr. Levy Folgendes: »Die hieraus hervorgehende Veränderung im Gesund- heitszustande des Hospitals in den letzten 3½ Jahren ist zu merkwürdig, dass es nicht interessiren sollte, etwas näher die Anstrengungen und Versuche kennen zu lernen, die man vor- her zu diesem Zwecke gemacht hat, worüber in dem bekann- ten »Health of town’s commission’s first report,« Vol. 1, pag. 117—21, eine autentische Aufklärung enthalten ist. Man sieht hieraus, dass man bis 1838 sich mit den gewöhnlichen Palliativmitteln gegen Hospitalsepidemien (Endemie. Anm. d. Verf.) begnügte. Indem man nun aber den Blick über das Hospitalsgebäude erweiterte, gewahrte man, dass in unmit- telbarer Nähe des Gebäudes, kaum 30 Fuss von der Mauer, sich offene Gräben von mehr als 1500 Fuss Ausdehnung vor- fanden, die den Ablauf des angrenzenden Armen- und stark bebauten Stadtquartiers aufnahmen. Der Inhalt der Gräben war stagnirend, und in Folge von anhaltender Gasentwicke- lung in beständiger Ebullition. »Nach manchen Schwierigkeiten und Debatten mit der Wasserleitungscommission glückte es endlich dem Hospitals- vorstande im October 1838, gegen Beisteuer zu den bedeu- tenden Kosten eine 644 Fuss lange Strecke der Gräben ge- reiniget und überbaut zu erhalten, bei welcher Gelegenheit aber der Missgriff begangen wurde, dass man die ungeheure Menge des schwarzen stinkenden Schlammes, statt ihn fort- zuschaffen, über den anliegenden Grund ausbreitete, wodurch die Ausdünstungsfläche natürlich in der ersten Zeit sehr ver- grössert wurde. Als eine wahrscheinlich unmittelbare Wir- kung hiervon glaubt Dr. Rigby anführen zu können, dass innerhalb der ersten 24 Stunden nach dieser unverantwort- lichen Massregel sich zwei Fälle von Puerperalfieber im Ho- spitale zeigten, das in der letzten Zeit zuvor ganz frei von der Krankheit gewesen war. Diese Arbeit blieb indess ohne merk- bare Einwirkung auf den späteren Gesundheitszustand des Semmelweis, Kindbettfieber. 11

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Zitationshilfe: Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/173>, abgerufen am 24.11.2024.