dem Gebärzimmer lagen, und mit Ausnahme einer einzigen starben sie alle. Von den letzten Tagen Jänners schleppten sich die häufigen Erkrankungen bis in den Monat Mai hin, worauf wieder bis October der günstigste Gesundheitszustand unter den Wöchnerinnen herrschte.
"Hieraus glaubte ich mit Bestimmtheit zu entnehmen, dass in diesem concreten falle die Ursache der häufigeren Er- krankungen von Uebertragung der gangränösen Stoffe von den kranken Gebärenden auf die gesunden Individuen her- rührte. Natürlich ist es, dass hierbei die möglichste Vorsicht beobachtet wurde, um nicht durch die Untersuchung die dele- teren Stoffe zu übertragen; trotzdem aber ist beim gleichzei- tigen Aufenthalte einer solchen kranken und mehrerer gesun- den Gebärenden in einer und derselben nicht zu geräumigen Localität durch allerlei Medien eine Uebertragung der delete- ren Stoffe anzunehmen. Sind aber mehrere Erkrankungen ein- getreten, so ist es begreiflich, dass auf dieselbe Weise an einer Anstalt, wo die Localitäten für die grosse Frequenz der Geburten kaum ausreichen, auch die Fortdauer dieser Krank- heit bedingt wird.
"Durch das bisher Gesagte will ich nicht etwa die Mei- nung aussprechen, als ob alle sogenannten Puerperal-Epide- mien auf diese Weise entstehen müssten, jedoch glaube ich dadurch auf einen Umstand aufmerksam zu machen, der oft an grösseren Entbindungsanstalten eintreten kann und wird.
"Als bestärkenden Beweis dieser meiner Ansicht hatte ich leider Gelegenheit eine zweite traurige Erfahrung zu ma- chen. Im October 1853 wurde wenige Tage vor meiner Rück- kehr nach Prag nach einer mehrwöchentlichen Ferialreise bei einer durch mehrere Tage kreissenden Frau wegen Becken- enge die Perforation nöthig. Diese Wöchnerin starb an Endo- metritis septica mit Verjauchung der Synchondrose. Von die- ser Zeit waren wieder zahlreiche bösartige Erkrankungsfälle eingetreten, die erst Mitte November wieder aufhörten. Von da an bis zu Ende meiner Amtsführung in Prag, nämlich bis
dem Gebärzimmer lagen, und mit Ausnahme einer einzigen starben sie alle. Von den letzten Tagen Jänners schleppten sich die häufigen Erkrankungen bis in den Monat Mai hin, worauf wieder bis October der günstigste Gesundheitszustand unter den Wöchnerinnen herrschte.
»Hieraus glaubte ich mit Bestimmtheit zu entnehmen, dass in diesem concreten falle die Ursache der häufigeren Er- krankungen von Uebertragung der gangränösen Stoffe von den kranken Gebärenden auf die gesunden Individuen her- rührte. Natürlich ist es, dass hierbei die möglichste Vorsicht beobachtet wurde, um nicht durch die Untersuchung die dele- teren Stoffe zu übertragen; trotzdem aber ist beim gleichzei- tigen Aufenthalte einer solchen kranken und mehrerer gesun- den Gebärenden in einer und derselben nicht zu geräumigen Localität durch allerlei Medien eine Uebertragung der delete- ren Stoffe anzunehmen. Sind aber mehrere Erkrankungen ein- getreten, so ist es begreiflich, dass auf dieselbe Weise an einer Anstalt, wo die Localitäten für die grosse Frequenz der Geburten kaum ausreichen, auch die Fortdauer dieser Krank- heit bedingt wird.
»Durch das bisher Gesagte will ich nicht etwa die Mei- nung aussprechen, als ob alle sogenannten Puerperal-Epide- mien auf diese Weise entstehen müssten, jedoch glaube ich dadurch auf einen Umstand aufmerksam zu machen, der oft an grösseren Entbindungsanstalten eintreten kann und wird.
»Als bestärkenden Beweis dieser meiner Ansicht hatte ich leider Gelegenheit eine zweite traurige Erfahrung zu ma- chen. Im October 1853 wurde wenige Tage vor meiner Rück- kehr nach Prag nach einer mehrwöchentlichen Ferialreise bei einer durch mehrere Tage kreissenden Frau wegen Becken- enge die Perforation nöthig. Diese Wöchnerin starb an Endo- metritis septica mit Verjauchung der Synchondrose. Von die- ser Zeit waren wieder zahlreiche bösartige Erkrankungsfälle eingetreten, die erst Mitte November wieder aufhörten. Von da an bis zu Ende meiner Amtsführung in Prag, nämlich bis
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dem Gebärzimmer lagen, und mit Ausnahme einer einzigen
starben sie alle. Von den letzten Tagen Jänners schleppten
sich die häufigen Erkrankungen bis in den Monat Mai hin,
worauf wieder bis October der günstigste Gesundheitszustand
unter den Wöchnerinnen herrschte.
»Hieraus glaubte ich mit Bestimmtheit zu entnehmen,
dass in diesem concreten falle die Ursache der häufigeren Er-
krankungen von Uebertragung der gangränösen Stoffe von
den kranken Gebärenden auf die gesunden Individuen her-
rührte. Natürlich ist es, dass hierbei die möglichste Vorsicht
beobachtet wurde, um nicht durch die Untersuchung die dele-
teren Stoffe zu übertragen; trotzdem aber ist beim gleichzei-
tigen Aufenthalte einer solchen kranken und mehrerer gesun-
den Gebärenden in einer und derselben nicht zu geräumigen
Localität durch allerlei Medien eine Uebertragung der delete-
ren Stoffe anzunehmen. Sind aber mehrere Erkrankungen ein-
getreten, so ist es begreiflich, dass auf dieselbe Weise an
einer Anstalt, wo die Localitäten für die grosse Frequenz der
Geburten kaum ausreichen, auch die Fortdauer dieser Krank-
heit bedingt wird.
»Durch das bisher Gesagte will ich nicht etwa die Mei-
nung aussprechen, als ob alle sogenannten Puerperal-Epide-
mien auf diese Weise entstehen müssten, jedoch glaube ich
dadurch auf einen Umstand aufmerksam zu machen, der oft
an grösseren Entbindungsanstalten eintreten kann und wird.
»Als bestärkenden Beweis dieser meiner Ansicht hatte
ich leider Gelegenheit eine zweite traurige Erfahrung zu ma-
chen. Im October 1853 wurde wenige Tage vor meiner Rück-
kehr nach Prag nach einer mehrwöchentlichen Ferialreise bei
einer durch mehrere Tage kreissenden Frau wegen Becken-
enge die Perforation nöthig. Diese Wöchnerin starb an Endo-
metritis septica mit Verjauchung der Synchondrose. Von die-
ser Zeit waren wieder zahlreiche bösartige Erkrankungsfälle
eingetreten, die erst Mitte November wieder aufhörten. Von
da an bis zu Ende meiner Amtsführung in Prag, nämlich bis
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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/161>, abgerufen am 24.11.2024.
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