langen werden, soll es gelingen, die Todesfälle auf die unver- hütbaren Fälle von Selbstinfection zu beschränken. Nebstdem waren wir selbst in der ersten Zeit unserer neuen Ueberzeu- gungen noch so unbewandert, dass wir uns im Monate Octo- ber 1847 nach der Untersuchung eines verjauchenden Medul- larkrebses der Gebärmutter nicht in einer Chlorkalklösung wuschen. Wir waren in der ersten Zeit unserer neuen Ueber- zeugungen noch so unbewandert, dass wir im Monate Novem- ber 1847 die Wöchnerin mit einem verjauchenden cariösen Knie nicht von den übrigen Wöchnerinnen absonderten, da- durch haben wir zahlreiche Fälle von Infection von aussen veranlasst, wie wir dies am entsprechenden Orte erzählt.
Im St. Rochus-Spitale zu Pest haben wir innerhalb sechs Jahren von 933 Wöchnerinnen acht Wöchnerinnen am Kind- bettfieber verloren. Diese acht Todesfälle sind nicht blos Fälle von Selbstinfection; von einem Falle ist es constatirt, dass ihn ein chirurgischer Secundarius nach der Section eines verstor- benen Mannes veranlasste, und dass unter den sieben übrigen vielleicht auch noch ein oder der andere Fall von Infection von aussen sein könne, wird der Leser glaubwürdig finden, wenn ich ihm nochmals erinnere, dass sämmtliche sechs Fen- ster des Gebärhauses in den Leichenhof münden, und durch Luftströmungen in der Richtung zu den Fenstern des Gebär- hauses leicht in die Zimmer des Gebärhauses zersetzte Stoffe des Leichenhofes gelangen konnten, welche, in die Genitalien der Wöchnerinnen dringend, das Kindbettfieber hervorbrin- gen konnten.
An der geburtshilflichen Klinik zu Pest verlor ich im er- sten Jahre meiner Wirksamkeit von 514 Wöchnerinnen zwei am Kindbettfieber. Im zweiten Jahre von 551 Wöchnerinnen 16 am Kindbettfieber. Im dritten Jahre von 449 Wöchnerinnen 18 am Kindbettfieber. Die grössere Sterblichkeit der beiden Jahre waren Infectionsfälle von aussen, bedingt durch un- reine Leintücher.
Semmelweis, Kindbettfieber. 8
langen werden, soll es gelingen, die Todesfälle auf die unver- hütbaren Fälle von Selbstinfection zu beschränken. Nebstdem waren wir selbst in der ersten Zeit unserer neuen Ueberzeu- gungen noch so unbewandert, dass wir uns im Monate Octo- ber 1847 nach der Untersuchung eines verjauchenden Medul- larkrebses der Gebärmutter nicht in einer Chlorkalklösung wuschen. Wir waren in der ersten Zeit unserer neuen Ueber- zeugungen noch so unbewandert, dass wir im Monate Novem- ber 1847 die Wöchnerin mit einem verjauchenden cariösen Knie nicht von den übrigen Wöchnerinnen absonderten, da- durch haben wir zahlreiche Fälle von Infection von aussen veranlasst, wie wir dies am entsprechenden Orte erzählt.
Im St. Rochus-Spitale zu Pest haben wir innerhalb sechs Jahren von 933 Wöchnerinnen acht Wöchnerinnen am Kind- bettfieber verloren. Diese acht Todesfälle sind nicht blos Fälle von Selbstinfection; von einem Falle ist es constatirt, dass ihn ein chirurgischer Secundarius nach der Section eines verstor- benen Mannes veranlasste, und dass unter den sieben übrigen vielleicht auch noch ein oder der andere Fall von Infection von aussen sein könne, wird der Leser glaubwürdig finden, wenn ich ihm nochmals erinnere, dass sämmtliche sechs Fen- ster des Gebärhauses in den Leichenhof münden, und durch Luftströmungen in der Richtung zu den Fenstern des Gebär- hauses leicht in die Zimmer des Gebärhauses zersetzte Stoffe des Leichenhofes gelangen konnten, welche, in die Genitalien der Wöchnerinnen dringend, das Kindbettfieber hervorbrin- gen konnten.
An der geburtshilflichen Klinik zu Pest verlor ich im er- sten Jahre meiner Wirksamkeit von 514 Wöchnerinnen zwei am Kindbettfieber. Im zweiten Jahre von 551 Wöchnerinnen 16 am Kindbettfieber. Im dritten Jahre von 449 Wöchnerinnen 18 am Kindbettfieber. Die grössere Sterblichkeit der beiden Jahre waren Infectionsfälle von aussen, bedingt durch un- reine Leintücher.
Semmelweis, Kindbettfieber. 8
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langen werden, soll es gelingen, die Todesfälle auf die unver-
hütbaren Fälle von Selbstinfection zu beschränken. Nebstdem
waren wir selbst in der ersten Zeit unserer neuen Ueberzeu-
gungen noch so unbewandert, dass wir uns im Monate Octo-
ber 1847 nach der Untersuchung eines verjauchenden Medul-
larkrebses der Gebärmutter nicht in einer Chlorkalklösung
wuschen. Wir waren in der ersten Zeit unserer neuen Ueber-
zeugungen noch so unbewandert, dass wir im Monate Novem-
ber 1847 die Wöchnerin mit einem verjauchenden cariösen
Knie nicht von den übrigen Wöchnerinnen absonderten, da-
durch haben wir zahlreiche Fälle von Infection von aussen
veranlasst, wie wir dies am entsprechenden Orte erzählt.
Im St. Rochus-Spitale zu Pest haben wir innerhalb sechs
Jahren von 933 Wöchnerinnen acht Wöchnerinnen am Kind-
bettfieber verloren. Diese acht Todesfälle sind nicht blos Fälle
von Selbstinfection; von einem Falle ist es constatirt, dass ihn
ein chirurgischer Secundarius nach der Section eines verstor-
benen Mannes veranlasste, und dass unter den sieben übrigen
vielleicht auch noch ein oder der andere Fall von Infection
von aussen sein könne, wird der Leser glaubwürdig finden,
wenn ich ihm nochmals erinnere, dass sämmtliche sechs Fen-
ster des Gebärhauses in den Leichenhof münden, und durch
Luftströmungen in der Richtung zu den Fenstern des Gebär-
hauses leicht in die Zimmer des Gebärhauses zersetzte Stoffe
des Leichenhofes gelangen konnten, welche, in die Genitalien
der Wöchnerinnen dringend, das Kindbettfieber hervorbrin-
gen konnten.
An der geburtshilflichen Klinik zu Pest verlor ich im er-
sten Jahre meiner Wirksamkeit von 514 Wöchnerinnen zwei
am Kindbettfieber. Im zweiten Jahre von 551 Wöchnerinnen
16 am Kindbettfieber. Im dritten Jahre von 449 Wöchnerinnen
18 am Kindbettfieber. Die grössere Sterblichkeit der beiden
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Semmelweis, Kindbettfieber. 8
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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/125>, abgerufen am 24.11.2024.
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