es im Jahre 1847 im grossen Wiener Gebärhause gelungen, nachzuweisen, dass diese Ansicht eine falsche sei, und dass jeder einzelne Fall von Kindbettfieber durch Infection ent- stehe. In Folge der Massnahmen, welche ich meiner Ansicht entsprechend getroffen, habe ich in Wien durch 21 Monate, im St. Rochus-Spitale durch sechs Jahre, an der Klinik zu Pest durch ein Jahr keine Epidemie gehabt, an drei Anstal- ten, welche sonst regelmässig von furchtbaren Epidemien heimgesucht waren.
"Die zwei Unglücksjahre, welche nun folgten, habe ich als unabsichtliche directe, obwohl traurige Beweise für die Richtigkeit meiner Ansicht über die Entdeckung des Kind- bettfiebers im "Orvosi Hetilap" veröffentlicht.
"Man hat meine Ansicht über die Entstehung des Kind- bettfiebers in Hinsicht ihrer wohlthätigen Folgen der Jen- ner'schen Kuhpocken-Impfung gleichgestellt. Ich fühle es lebhaft, wie unbescheiden es ist, dass ich so etwas von mir selbst sage, allein der Umstand, dass gerade meiner Klinik der Vorwurf grosser Sterblichkeit gemacht wird, zwingt mich dazu. Es dürfte daher die nach neunjährigem glänzenden Er- folge ohne mein Verschulden auftretende Sterblichkeit an der geburtshilflichen Klinik zu Pest in einem günstigeren Lichte erscheinen."
Aus dieser officiellen Correspondenz ersieht der Leser, dass die Sterblichkeit unter den Wöchnerinnen in diesen zwei Jahren dadurch veranlasst war, dass zu den sonstigen sani- tätswidrigen Verhältnissen der Klinik noch unreine Bettwä- sche dazukam.
Die Wäschereinigung ist einem Pächter übergeben, wel- cher verpflichtet ist, wöchentlich nur einmal die unreine Wä- sche gegen reine auszutauschen; die Summe, welche für die Wäschereinigung bezahlt wurde, schien den entscheidenden Behörden zu hoch, und es wurde deshalb für das Schuljahr 1856/7 eine Minuendo-Licitation ausgeschrieben.
Man versteht unter einer Minuendo-Licitation diejenige,
es im Jahre 1847 im grossen Wiener Gebärhause gelungen, nachzuweisen, dass diese Ansicht eine falsche sei, und dass jeder einzelne Fall von Kindbettfieber durch Infection ent- stehe. In Folge der Massnahmen, welche ich meiner Ansicht entsprechend getroffen, habe ich in Wien durch 21 Monate, im St. Rochus-Spitale durch sechs Jahre, an der Klinik zu Pest durch ein Jahr keine Epidemie gehabt, an drei Anstal- ten, welche sonst regelmässig von furchtbaren Epidemien heimgesucht waren.
»Die zwei Unglücksjahre, welche nun folgten, habe ich als unabsichtliche directe, obwohl traurige Beweise für die Richtigkeit meiner Ansicht über die Entdeckung des Kind- bettfiebers im »Orvosi Hétilap« veröffentlicht.
»Man hat meine Ansicht über die Entstehung des Kind- bettfiebers in Hinsicht ihrer wohlthätigen Folgen der Jen- ner’schen Kuhpocken-Impfung gleichgestellt. Ich fühle es lebhaft, wie unbescheiden es ist, dass ich so etwas von mir selbst sage, allein der Umstand, dass gerade meiner Klinik der Vorwurf grosser Sterblichkeit gemacht wird, zwingt mich dazu. Es dürfte daher die nach neunjährigem glänzenden Er- folge ohne mein Verschulden auftretende Sterblichkeit an der geburtshilflichen Klinik zu Pest in einem günstigeren Lichte erscheinen.«
Aus dieser officiellen Correspondenz ersieht der Leser, dass die Sterblichkeit unter den Wöchnerinnen in diesen zwei Jahren dadurch veranlasst war, dass zu den sonstigen sani- tätswidrigen Verhältnissen der Klinik noch unreine Bettwä- sche dazukam.
Die Wäschereinigung ist einem Pächter übergeben, wel- cher verpflichtet ist, wöchentlich nur einmal die unreine Wä- sche gegen reine auszutauschen; die Summe, welche für die Wäschereinigung bezahlt wurde, schien den entscheidenden Behörden zu hoch, und es wurde deshalb für das Schuljahr 1856/7 eine Minuendo-Licitation ausgeschrieben.
Man versteht unter einer Minuendo-Licitation diejenige,
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es im Jahre 1847 im grossen Wiener Gebärhause gelungen,
nachzuweisen, dass diese Ansicht eine falsche sei, und dass
jeder einzelne Fall von Kindbettfieber durch Infection ent-
stehe. In Folge der Massnahmen, welche ich meiner Ansicht
entsprechend getroffen, habe ich in Wien durch 21 Monate,
im St. Rochus-Spitale durch sechs Jahre, an der Klinik zu
Pest durch ein Jahr keine Epidemie gehabt, an drei Anstal-
ten, welche sonst regelmässig von furchtbaren Epidemien
heimgesucht waren.
»Die zwei Unglücksjahre, welche nun folgten, habe ich
als unabsichtliche directe, obwohl traurige Beweise für die
Richtigkeit meiner Ansicht über die Entdeckung des Kind-
bettfiebers im »Orvosi Hétilap« veröffentlicht.
»Man hat meine Ansicht über die Entstehung des Kind-
bettfiebers in Hinsicht ihrer wohlthätigen Folgen der Jen-
ner’schen Kuhpocken-Impfung gleichgestellt. Ich fühle es
lebhaft, wie unbescheiden es ist, dass ich so etwas von mir
selbst sage, allein der Umstand, dass gerade meiner Klinik
der Vorwurf grosser Sterblichkeit gemacht wird, zwingt mich
dazu. Es dürfte daher die nach neunjährigem glänzenden Er-
folge ohne mein Verschulden auftretende Sterblichkeit an der
geburtshilflichen Klinik zu Pest in einem günstigeren Lichte
erscheinen.«
Aus dieser officiellen Correspondenz ersieht der Leser,
dass die Sterblichkeit unter den Wöchnerinnen in diesen zwei
Jahren dadurch veranlasst war, dass zu den sonstigen sani-
tätswidrigen Verhältnissen der Klinik noch unreine Bettwä-
sche dazukam.
Die Wäschereinigung ist einem Pächter übergeben, wel-
cher verpflichtet ist, wöchentlich nur einmal die unreine Wä-
sche gegen reine auszutauschen; die Summe, welche für die
Wäschereinigung bezahlt wurde, schien den entscheidenden
Behörden zu hoch, und es wurde deshalb für das Schuljahr
1856/7 eine Minuendo-Licitation ausgeschrieben.
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Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/110>, abgerufen am 24.11.2024.
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