Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

Vermöge meines Naturels jeder Polemik abgeneigt,
Beweis dessen ich auf so zahlreiche Angriffe nicht ge-
antwortet, glaubte ich es der Zeit überlassen zu können,
der Wahrheit eine Bahn zu brechen, allein meine Er-
wartung ging in einem Zeitraume von 13 Jahren nicht
in dem Grade in Erfüllung, wie es für das Wohl der
Menschheit nöthig ist.

Das Unglück wollte noch, dass in den Schuljahren
1856/7 und 1857/8 auf meiner eigenen geburtshilflichen
Klinik zu Pest die Wöchnerinnen in solcher Anzahl
starben, dass meine Gegner diese Sterblichkeit als Be-
weis gegen mich benützen könnten: es drängt zu
zeigen, dass diese zwei Unglücksjahre gerade so viele
traurige, unabsichtliche, directe Beweise für mich seien.

Zu dieser Abneigung gegen jede Polemik kömmt
noch hinzu eine mir angeborne Abneigung gegen alles,
was schreiben heisst.

Das Schicksal hat mich zum Vertreter der Wahr-
heiten, welche in dieser Schrift niedergelegt sind, er-
koren. Es ist meine unabweisbare Pflicht für dieselben
einzustehen. Die Hoffnung, dass die Wichtigkeit und
die Wahrheit der Sache jeden Kampf unnöthig mache,
habe ich aufgegeben. Es kommen nicht mehr meine
Neigungen, sondern das Leben derjenigen in Betracht,
welche an dem Streite, ob ich oder meine Gegner Recht

Vermöge meines Naturels jeder Polemik abgeneigt,
Beweis dessen ich auf so zahlreiche Angriffe nicht ge-
antwortet, glaubte ich es der Zeit überlassen zu können,
der Wahrheit eine Bahn zu brechen, allein meine Er-
wartung ging in einem Zeitraume von 13 Jahren nicht
in dem Grade in Erfüllung, wie es für das Wohl der
Menschheit nöthig ist.

Das Unglück wollte noch, dass in den Schuljahren
1856/7 und 1857/8 auf meiner eigenen geburtshilflichen
Klinik zu Pest die Wöchnerinnen in solcher Anzahl
starben, dass meine Gegner diese Sterblichkeit als Be-
weis gegen mich benützen könnten: es drängt zu
zeigen, dass diese zwei Unglücksjahre gerade so viele
traurige, unabsichtliche, directe Beweise für mich seien.

Zu dieser Abneigung gegen jede Polemik kömmt
noch hinzu eine mir angeborne Abneigung gegen alles,
was schreiben heisst.

Das Schicksal hat mich zum Vertreter der Wahr-
heiten, welche in dieser Schrift niedergelegt sind, er-
koren. Es ist meine unabweisbare Pflicht für dieselben
einzustehen. Die Hoffnung, dass die Wichtigkeit und
die Wahrheit der Sache jeden Kampf unnöthig mache,
habe ich aufgegeben. Es kommen nicht mehr meine
Neigungen, sondern das Leben derjenigen in Betracht,
welche an dem Streite, ob ich oder meine Gegner Recht

<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0011" n="V"/>
        <p>Vermöge meines Naturels jeder Polemik abgeneigt,<lb/>
Beweis dessen ich auf so zahlreiche Angriffe nicht ge-<lb/>
antwortet, glaubte ich es der Zeit überlassen zu können,<lb/>
der Wahrheit eine Bahn zu brechen, allein meine Er-<lb/>
wartung ging in einem Zeitraume von 13 Jahren nicht<lb/>
in dem Grade in Erfüllung, wie es für das Wohl der<lb/>
Menschheit nöthig ist.</p><lb/>
        <p>Das Unglück wollte noch, dass in den Schuljahren<lb/>
1856/7 und 1857/8 auf meiner eigenen geburtshilflichen<lb/>
Klinik zu Pest die Wöchnerinnen in solcher Anzahl<lb/>
starben, dass meine Gegner diese Sterblichkeit als Be-<lb/>
weis gegen mich benützen könnten: es drängt zu<lb/>
zeigen, dass diese zwei Unglücksjahre gerade so viele<lb/>
traurige, unabsichtliche, directe Beweise für mich seien.</p><lb/>
        <p>Zu dieser Abneigung gegen jede Polemik kömmt<lb/>
noch hinzu eine mir angeborne Abneigung gegen alles,<lb/>
was schreiben heisst.</p><lb/>
        <p>Das Schicksal hat mich zum Vertreter der Wahr-<lb/>
heiten, welche in dieser Schrift niedergelegt sind, er-<lb/>
koren. Es ist meine unabweisbare Pflicht für dieselben<lb/>
einzustehen. Die Hoffnung, dass die Wichtigkeit und<lb/>
die Wahrheit der Sache jeden Kampf unnöthig mache,<lb/>
habe ich aufgegeben. Es kommen nicht mehr meine<lb/>
Neigungen, sondern das Leben derjenigen in Betracht,<lb/>
welche an dem Streite, ob ich oder meine Gegner Recht<lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[V/0011] Vermöge meines Naturels jeder Polemik abgeneigt, Beweis dessen ich auf so zahlreiche Angriffe nicht ge- antwortet, glaubte ich es der Zeit überlassen zu können, der Wahrheit eine Bahn zu brechen, allein meine Er- wartung ging in einem Zeitraume von 13 Jahren nicht in dem Grade in Erfüllung, wie es für das Wohl der Menschheit nöthig ist. Das Unglück wollte noch, dass in den Schuljahren 1856/7 und 1857/8 auf meiner eigenen geburtshilflichen Klinik zu Pest die Wöchnerinnen in solcher Anzahl starben, dass meine Gegner diese Sterblichkeit als Be- weis gegen mich benützen könnten: es drängt zu zeigen, dass diese zwei Unglücksjahre gerade so viele traurige, unabsichtliche, directe Beweise für mich seien. Zu dieser Abneigung gegen jede Polemik kömmt noch hinzu eine mir angeborne Abneigung gegen alles, was schreiben heisst. Das Schicksal hat mich zum Vertreter der Wahr- heiten, welche in dieser Schrift niedergelegt sind, er- koren. Es ist meine unabweisbare Pflicht für dieselben einzustehen. Die Hoffnung, dass die Wichtigkeit und die Wahrheit der Sache jeden Kampf unnöthig mache, habe ich aufgegeben. Es kommen nicht mehr meine Neigungen, sondern das Leben derjenigen in Betracht, welche an dem Streite, ob ich oder meine Gegner Recht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/11
Zitationshilfe: Semmelweis, Ignaz Philipp: Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers. Pest u. a., 1861, S. V. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/semmelweis_kindbettfieber_1861/11>, abgerufen am 22.11.2024.