Seiler, Georg Friedrich: Ueber das wahre thätige Christenthum. Erlangen, 1789.ne Gnade und Liebe höher achten, als alles, was ich "Daß du Herr an jedem Orte Zeuge meines Wan- dels bist, und daß keines meiner Worte deinem Ohr verborgen ist; das sey stets mir im Gemü- the, daß ich mich vor Falschheit hüte, immer- hin der Wahrheit treu, dir, mein Gott, gefäl- lig sey." XI. Sanftmuh. Allgütiger Gott und Vater! der du mir täglich leich-
ne Gnade und Liebe höher achten, als alles, was ich ”Daß du Herr an jedem Orte Zeuge meines Wan- dels biſt, und daß keines meiner Worte deinem Ohr verborgen iſt; das ſey ſtets mir im Gemü- the, daß ich mich vor Falſchheit hüte, immer- hin der Wahrheit treu, dir, mein Gott, gefäl- lig ſey.” XI. Sanftmuh. Allgütiger Gott und Vater! der du mir täglich leich-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0019" n="15"/> ne Gnade und Liebe höher achten, als alles, was ich<lb/> durch Liſt und Gleißnerey erwerben könnte? Ach leite<lb/> mich ſelbſt durch deinen Geiſt die Bahn der Wahrheit<lb/> und Redlichkeit. Beveſtige den Entſchluß in mir, der<lb/> Wahrheit bis in den Tod getreu zu bleiben, damit ich<lb/> würdig ſeyn möge, einzugehen in das Reich der Voll-<lb/> kommenen Gerechten, um den Lohn der Redlichen ewig<lb/> einſt zu genieſſen.</p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>”Daß du Herr an jedem Orte Zeuge meines Wan-</l><lb/> <l>dels biſt, und daß keines meiner Worte deinem</l><lb/> <l>Ohr verborgen iſt; das ſey ſtets mir im Gemü-</l><lb/> <l>the, daß ich mich vor Falſchheit hüte, immer-</l><lb/> <l>hin der Wahrheit treu, dir, mein Gott, gefäl-</l><lb/> <l>lig ſey.”</l> </lg> </lg> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#aq">XI.</hi> <hi rendition="#g">Sanftmuh.</hi> </head><lb/> <p>Allgütiger Gott und Vater! der du mir täglich<lb/> ſo viele Beweiſe deiner Liebe giebſt, der du mich durch<lb/> dein Wort mit ſo groſſer Gelindigkeit und Sanftmuth<lb/> zu beſſern ſucheſt; ich erkenne und fühle es mit inni-<lb/> ger Beſchämung, wie ſehr ich in der Ausübung die-<lb/> ſer groſſen Tugenden die noch ſo gar oft unähnlich bin.<lb/> Wie leicht wird mein Herz durch den Sturm heftiger<lb/> Leidenſchaften in eine ſchädliche Bewegung geſetzt!<lb/> Wie bald entfernt ſich oft aus meinen Angeſicht die<lb/> Freundlichkeit, dadurch ich die, mit denen ich umgehe,<lb/> erfreuen ſollte! Und du haſt mir doch dazu die Sanft-<lb/> muth befohlen, daß ich dem Nächſten das Leben er-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">leich-</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [15/0019]
ne Gnade und Liebe höher achten, als alles, was ich
durch Liſt und Gleißnerey erwerben könnte? Ach leite
mich ſelbſt durch deinen Geiſt die Bahn der Wahrheit
und Redlichkeit. Beveſtige den Entſchluß in mir, der
Wahrheit bis in den Tod getreu zu bleiben, damit ich
würdig ſeyn möge, einzugehen in das Reich der Voll-
kommenen Gerechten, um den Lohn der Redlichen ewig
einſt zu genieſſen.
”Daß du Herr an jedem Orte Zeuge meines Wan-
dels biſt, und daß keines meiner Worte deinem
Ohr verborgen iſt; das ſey ſtets mir im Gemü-
the, daß ich mich vor Falſchheit hüte, immer-
hin der Wahrheit treu, dir, mein Gott, gefäl-
lig ſey.”
XI. Sanftmuh.
Allgütiger Gott und Vater! der du mir täglich
ſo viele Beweiſe deiner Liebe giebſt, der du mich durch
dein Wort mit ſo groſſer Gelindigkeit und Sanftmuth
zu beſſern ſucheſt; ich erkenne und fühle es mit inni-
ger Beſchämung, wie ſehr ich in der Ausübung die-
ſer groſſen Tugenden die noch ſo gar oft unähnlich bin.
Wie leicht wird mein Herz durch den Sturm heftiger
Leidenſchaften in eine ſchädliche Bewegung geſetzt!
Wie bald entfernt ſich oft aus meinen Angeſicht die
Freundlichkeit, dadurch ich die, mit denen ich umgehe,
erfreuen ſollte! Und du haſt mir doch dazu die Sanft-
muth befohlen, daß ich dem Nächſten das Leben er-
leich-
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Zitationshilfe: | Seiler, Georg Friedrich: Ueber das wahre thätige Christenthum. Erlangen, 1789, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seiler_christentum_1789/19>, abgerufen am 01.07.2024. |