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Seiler, Georg Friedrich: Ueber das wahre thätige Christenthum. Erlangen, 1789.

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X. Ueber Wahrheit und Aufrichtigkeit.

Gott, der du die Wahrheit liebest und durch
Wahrheit uns selig zu machen beschlossen, der du die
Neigung zur Wahrheit und den Abscheu gegen Falsch-
heit und Lügen in mir bis hieher erhalten hast. Wie
müßte ich mich vor dir schämen, wenn ich mit Wis-
sen und Willen zum Schaden meines Nächsten Un-
wahrheit geredet und durch schändliche Lügen meinen
Mund beflecket hätte! Hätte ich doch auch nie aus
Menschenfurcht, aus Hoffnung eines zeitlichen Vor-
theils, oder um Anderen nur zu gefallen, etwas ge-
redet, das mit der Wahrheit nicht übereinstimmte!
Hätte ich doch immer mit der Aufrichtigkeit gehan-
delt und gesprochen, die dir, o Gott, so angenehm
ist. Ach verzeihe mir alle unvorsichtige Worte, die
aus meinem Munde giengen. (Verzeihe mir gnädig-
lich, wo ich etwa sogar durch lügenhafte Reden
mich gegen dich und meinen Nächsten versündiget ha-
ben sollte.) Verabscheuungswürdig sey mir jede List
nnd boshafte Vorstellung; Wahrheit und Treue müs-
sen mich in meinen Geschäften leiten. Redlichkeit
und Aufrichtigkeit meinen Wandel zieren. Gieb mir
den entschlossenen Muth, auch da die Wahrheit be-
hutsam zu reden, wo Menschen darüber zürnen könn-
ten. Gieb mir die Demuth, da meine Fehler zugestehen,
wo es Pflicht ist, sie zu offenbaren, sollte ich auch gleich
etwas zu leiden haben. Allwissender, der du die
Gedanken der Menschen kennst, der du das Verbor-
gene entdeckest; der du durch Christum einst alles an
das helle Licht bringen und die Lügner auf ewig von
deinem Angesichte verstossen wirst; wie sollte ich mich
vor dir verstellen; wie sollte ich nicht vielmehr dei-

ne
X. Ueber Wahrheit und Aufrichtigkeit.

Gott, der du die Wahrheit liebeſt und durch
Wahrheit uns ſelig zu machen beſchloſſen, der du die
Neigung zur Wahrheit und den Abſcheu gegen Falſch-
heit und Lügen in mir bis hieher erhalten haſt. Wie
müßte ich mich vor dir ſchämen, wenn ich mit Wiſ-
ſen und Willen zum Schaden meines Nächſten Un-
wahrheit geredet und durch ſchändliche Lügen meinen
Mund beflecket hätte! Hätte ich doch auch nie aus
Menſchenfurcht, aus Hoffnung eines zeitlichen Vor-
theils, oder um Anderen nur zu gefallen, etwas ge-
redet, das mit der Wahrheit nicht übereinſtimmte!
Hätte ich doch immer mit der Aufrichtigkeit gehan-
delt und geſprochen, die dir, o Gott, ſo angenehm
iſt. Ach verzeihe mir alle unvorſichtige Worte, die
aus meinem Munde giengen. (Verzeihe mir gnädig-
lich, wo ich etwa ſogar durch lügenhafte Reden
mich gegen dich und meinen Nächſten verſündiget ha-
ben ſollte.) Verabſcheuungswürdig ſey mir jede Liſt
nnd boshafte Vorſtellung; Wahrheit und Treue müſ-
ſen mich in meinen Geſchäften leiten. Redlichkeit
und Aufrichtigkeit meinen Wandel zieren. Gieb mir
den entſchloſſenen Muth, auch da die Wahrheit be-
hutſam zu reden, wo Menſchen darüber zürnen könn-
ten. Gieb mir die Demuth, da meine Fehler zugeſtehen,
wo es Pflicht iſt, ſie zu offenbaren, ſollte ich auch gleich
etwas zu leiden haben. Allwiſſender, der du die
Gedanken der Menſchen kennſt, der du das Verbor-
gene entdeckeſt; der du durch Chriſtum einſt alles an
das helle Licht bringen und die Lügner auf ewig von
deinem Angeſichte verſtoſſen wirſt; wie ſollte ich mich
vor dir verſtellen; wie ſollte ich nicht vielmehr dei-

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[14/0018] X. Ueber Wahrheit und Aufrichtigkeit. Gott, der du die Wahrheit liebeſt und durch Wahrheit uns ſelig zu machen beſchloſſen, der du die Neigung zur Wahrheit und den Abſcheu gegen Falſch- heit und Lügen in mir bis hieher erhalten haſt. Wie müßte ich mich vor dir ſchämen, wenn ich mit Wiſ- ſen und Willen zum Schaden meines Nächſten Un- wahrheit geredet und durch ſchändliche Lügen meinen Mund beflecket hätte! Hätte ich doch auch nie aus Menſchenfurcht, aus Hoffnung eines zeitlichen Vor- theils, oder um Anderen nur zu gefallen, etwas ge- redet, das mit der Wahrheit nicht übereinſtimmte! Hätte ich doch immer mit der Aufrichtigkeit gehan- delt und geſprochen, die dir, o Gott, ſo angenehm iſt. Ach verzeihe mir alle unvorſichtige Worte, die aus meinem Munde giengen. (Verzeihe mir gnädig- lich, wo ich etwa ſogar durch lügenhafte Reden mich gegen dich und meinen Nächſten verſündiget ha- ben ſollte.) Verabſcheuungswürdig ſey mir jede Liſt nnd boshafte Vorſtellung; Wahrheit und Treue müſ- ſen mich in meinen Geſchäften leiten. Redlichkeit und Aufrichtigkeit meinen Wandel zieren. Gieb mir den entſchloſſenen Muth, auch da die Wahrheit be- hutſam zu reden, wo Menſchen darüber zürnen könn- ten. Gieb mir die Demuth, da meine Fehler zugeſtehen, wo es Pflicht iſt, ſie zu offenbaren, ſollte ich auch gleich etwas zu leiden haben. Allwiſſender, der du die Gedanken der Menſchen kennſt, der du das Verbor- gene entdeckeſt; der du durch Chriſtum einſt alles an das helle Licht bringen und die Lügner auf ewig von deinem Angeſichte verſtoſſen wirſt; wie ſollte ich mich vor dir verſtellen; wie ſollte ich nicht vielmehr dei- ne

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Zitationshilfe: Seiler, Georg Friedrich: Ueber das wahre thätige Christenthum. Erlangen, 1789, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seiler_christentum_1789/18>, abgerufen am 21.11.2024.