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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959.

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einem Zug hingerissene Komposition wie bei Goethes pse_083.002
"Werther". Andere Dichter schaffen große Werke mit pse_083.003
Schematen und Übersichten, so oft Schiller und Jean Paul pse_083.004
seinen "Titan". Auch im einzelnen sind die Formen des pse_083.005
Schaffens verschieden. Der magische Dichter schafft rauschhaft, pse_083.006
er wird vom Schaffenstriebe überwältigt. Für den mystischen pse_083.007
Dichter ist Kunstschaffen Gottesdienst, ein Weg zur pse_083.008
Reinigung. Das Schaffen des Sängers ist eher ein glückhafter pse_083.009
Naturvorgang. In allem künstlerischen Schaffen liegt auch der pse_083.010
Wille zur Vollendung, dieser Drang nach Vollendung gibt pse_083.011
auch dem Schaffensprozeß eine bestimmte Färbung. Der pse_083.012
Sinn des dichterischen Schaffens kann durchaus verschieden pse_083.013
sein. Er kann wie bei Goethe oft im Mut zum Schöpfertum pse_083.014
liegen, bei anderen in einer Art Resignation, "nur so" mit pse_083.015
dem Leben fertigzuwerden. Für andere wieder ist Dichten pse_083.016
erlösende Selbstdarstellung und oft mit Opfer und Gebet zu pse_083.017
vergleichen; oder auch das Glück, so Schönheit zu erleben. pse_083.018
Es muß also der Sinn durchaus nicht immer im Blick auf die pse_083.019
anderen Menschen liegen, aber auch das ist durchaus möglich. pse_083.020
Dichter wollen oft die Welt durch ihr Werk verändern, sie pse_083.021
fühlen einen heiligen Auftrag im Dienst der Gemeinschaft, pse_083.022
oder es kommt auf das für die Aufklärung bezeichnende pse_083.023
docere cum delectatione hinaus.

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Auch die Beteiligung der seelischen und geistigen Kräfte am pse_083.025
Schaffensvorgang ist nicht bei allen Dichtern gleich. Aus pse_083.026
ungeahnten Tiefen der Seelengründe, aus dem, was die pse_083.027
Psychologie das Unbewußte und das Unterbewußte nennt, pse_083.028
kann plötzlich oder langsam eine erste Anregung oder ein pse_083.029
erstes ungefähres Bild des zu Schaffenden aufsteigen. Sicher pse_083.030
kann es sich dabei oft um Verdrängtes handeln, also um Eindrücke pse_083.031
oder Erregungen, die früher einmal aus bestimmten pse_083.032
Gründen in diese Tiefen begraben worden sind. Auch Gestaltungsantriebe pse_083.033
können von daher aufsteigen. Aber immer pse_083.034
wieder wirken auch die Schichten des Bewußten mit. Es pse_083.035
können ganz bestimmte Gefühle, die mit äußeren Eindrücken pse_083.036
zusammenhängen, unmittelbarer Anlaß für ein Gedicht sein, pse_083.037
oft sogar äußere Anregungen und Aufträge den Dichter zum pse_083.038
Schaffen veranlassen. Vor allem aber spielt das Bewußtseinsleben,

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oder es kommt auf das für die Aufklärung bezeichnende pse_083.023
docere cum delectatione hinaus.

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Auch die Beteiligung der seelischen und geistigen Kräfte am pse_083.025
Schaffensvorgang ist nicht bei allen Dichtern gleich. Aus pse_083.026
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können von daher aufsteigen. Aber immer pse_083.034
wieder wirken auch die Schichten des Bewußten mit. Es pse_083.035
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Zitationshilfe: Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/99>, abgerufen am 25.11.2024.