pse_669.001 zeigen, daß der literarische Wert nicht unbedingt maßgebend pse_669.002 ist, aber glücklicherweise, wie im zweiten Fall, davon pse_669.003 betroffen sein kann: Hitlers "Mein Kampf" und Pasternaks pse_669.004 "Doktor Schiwago". Nach dem ersten Weltkrieg war einer pse_669.005 der stärksten Bucherfolge die Geschichte Tarzans. Ganz pse_669.006 anders steht es um Werke, die sich langsam, aber sicher durchsetzen: pse_669.007 hier kann man schon eher auf den literarischen Wert pse_669.008 schließen. Es gibt auch geschichtliche Lagen, die große frühere pse_669.009 Dichter wieder sehr bekannt machen. Wir denken heute vor pse_669.010 allem an Goethe, Hölderlin und Stifter, bei denen es sich pse_669.011 keineswegs um wissenschaftlich gelenkte Wiedergeburten pse_669.012 handelt. Aber für tiefe seelische Wirkungen kommt es auf pse_669.013 den zahlenmäßigen Erfolg nicht an. Goethes "Wahlverwandtschaften", pse_669.014 Hölderlins späte Hymnen, Stifters "Witiko" werden pse_669.015 nie Massenerfolge sein, aber ihr Wert bleibt davon pse_669.016 gänzlich unberührt. Auch die Wirkung kann dabei sehr tief pse_669.017 und weit sein. Man denke, was solche Dichtungen wesenhaften pse_669.018 Menschen geben können, und wie diese an ihnen pse_669.019 gestärkten Menschen dann in der menschlichen Gemeinschaft pse_669.020 viele unberechenbare und tiefe Wirkungen ausüben pse_669.021 können.
pse_669.022 Daß das Wirken aller dieser Kräfte für die Dichter und die pse_669.023 Dichtung wichtig ist, läßt sich denken: Förderungen und pse_669.024 Hemmungen der verschiedensten Art entfalten sich. Denn wir pse_669.025 müssen uns klar darüber sein, daß alle die Institutionen, denen pse_669.026 die Verbreitung der Dichtung anvertraut ist, auch negative pse_669.027 Seiten haben: Druck auf die Dichter, so daß manchmal künstlerische pse_669.028 Intentionen verbogen werden, Hemmungen wertvoller pse_669.029 Leistungen durch reißerische Publikumserfolge, damit pse_669.030 auch die Gefahr der Verbiegung gesunder künstlerischer pse_669.031 Entwicklungen. Dahinein wirkt aber noch anderes.
pse_669.032 Dichtung als Lehrgut
pse_669.033 Ich vermeide hier absichtlich den Ausdruck "Bildungsgut", pse_669.034 der oft gleichbedeutend damit gebraucht wird. Bildungsgut pse_669.035 ist der weitere und tiefere Begriff. Denn alles, was einen Menschen
pse_669.001 zeigen, daß der literarische Wert nicht unbedingt maßgebend pse_669.002 ist, aber glücklicherweise, wie im zweiten Fall, davon pse_669.003 betroffen sein kann: Hitlers »Mein Kampf« und Pasternaks pse_669.004 »Doktor Schiwago«. Nach dem ersten Weltkrieg war einer pse_669.005 der stärksten Bucherfolge die Geschichte Tarzans. Ganz pse_669.006 anders steht es um Werke, die sich langsam, aber sicher durchsetzen: pse_669.007 hier kann man schon eher auf den literarischen Wert pse_669.008 schließen. Es gibt auch geschichtliche Lagen, die große frühere pse_669.009 Dichter wieder sehr bekannt machen. Wir denken heute vor pse_669.010 allem an Goethe, Hölderlin und Stifter, bei denen es sich pse_669.011 keineswegs um wissenschaftlich gelenkte Wiedergeburten pse_669.012 handelt. Aber für tiefe seelische Wirkungen kommt es auf pse_669.013 den zahlenmäßigen Erfolg nicht an. Goethes »Wahlverwandtschaften«, pse_669.014 Hölderlins späte Hymnen, Stifters »Witiko« werden pse_669.015 nie Massenerfolge sein, aber ihr Wert bleibt davon pse_669.016 gänzlich unberührt. Auch die Wirkung kann dabei sehr tief pse_669.017 und weit sein. Man denke, was solche Dichtungen wesenhaften pse_669.018 Menschen geben können, und wie diese an ihnen pse_669.019 gestärkten Menschen dann in der menschlichen Gemeinschaft pse_669.020 viele unberechenbare und tiefe Wirkungen ausüben pse_669.021 können.
pse_669.022 Daß das Wirken aller dieser Kräfte für die Dichter und die pse_669.023 Dichtung wichtig ist, läßt sich denken: Förderungen und pse_669.024 Hemmungen der verschiedensten Art entfalten sich. Denn wir pse_669.025 müssen uns klar darüber sein, daß alle die Institutionen, denen pse_669.026 die Verbreitung der Dichtung anvertraut ist, auch negative pse_669.027 Seiten haben: Druck auf die Dichter, so daß manchmal künstlerische pse_669.028 Intentionen verbogen werden, Hemmungen wertvoller pse_669.029 Leistungen durch reißerische Publikumserfolge, damit pse_669.030 auch die Gefahr der Verbiegung gesunder künstlerischer pse_669.031 Entwicklungen. Dahinein wirkt aber noch anderes.
pse_669.032 Dichtung als Lehrgut
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Dichter wieder sehr bekannt machen. Wir denken heute vor pse_669.010
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keineswegs um wissenschaftlich gelenkte Wiedergeburten pse_669.012
handelt. Aber für tiefe seelische Wirkungen kommt es auf pse_669.013
den zahlenmäßigen Erfolg nicht an. Goethes »Wahlverwandtschaften«, pse_669.014
Hölderlins späte Hymnen, Stifters »Witiko« werden pse_669.015
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Dichtung wichtig ist, läßt sich denken: Förderungen und pse_669.024
Hemmungen der verschiedensten Art entfalten sich. Denn wir pse_669.025
müssen uns klar darüber sein, daß alle die Institutionen, denen pse_669.026
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Ich vermeide hier absichtlich den Ausdruck »Bildungsgut«, pse_669.034
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 669. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/685>, abgerufen am 28.11.2024.
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