pse_665.001 reden. Natürlich waren die Züge, die wir heute als pse_665.002 wesentlich ästhetisch ansehen, auch im damaligen Erleben der pse_665.003 Dichtung, der Kunst überhaupt vorhanden, aber weder deutlich pse_665.004 bewußt noch für sich herausgeformt, sondern eingebaut pse_665.005 in umfassendere Haltungen, aus denen sich dann eben pse_665.006 erst mit dem Weiterschreiten der Entwicklung die späteren pse_665.007 Sonderhaltungen ausformten. Wir haben gerade früher erwähnt, pse_665.008 daß damals die Dichtung vorallem in magischen und pse_665.009 rituellen Zusammenhängen erfahren wurde, daß sie magische pse_665.010 Welterhellung gab. Sie war durchaus eingefügt in bestimmte pse_665.011 Gelegenheiten und Veranstaltungen des Gemeinschaftslebens, pse_665.012 sie hatte innerhalb dieser eine Aufgabe zu erfüllen. pse_665.013 Wir können sie damit schon als Gebrauchsgut bezeichnen. pse_665.014 Diese magisch-rituelle Funktion der Dichtung ist pse_665.015 heute stark zurückgetreten -- natürlich bei fortgeschrittenen pse_665.016 Kulturvölkern --, und nur mehr in verschlungenen Zusammenhängen pse_665.017 ist diese Aufgabe noch spürbar. Aber es gibt gerade pse_665.018 heute viele Möglichkeiten, sich zur Dichtung zu verhalten, pse_665.019 die alle nicht mehr mit der sachgemäßen übereinstimmen. pse_665.020 Das beginnt ja schon beim Theoretiker, beim Forscher, dem pse_665.021 Dichtung wissenschaftliches Untersuchungsobjekt ist. Aber pse_665.022 immer freilich wäre es wünschenswert, daß überall dort, wo pse_665.023 zu Dichtung aus irgendeinem Grunde Stellung genommen pse_665.024 wird, die rein ästhetische Schau, das tiefe ästhetische Erlebnis pse_665.025 Ausgangspunkt und Untergrund bildet. Denn nur aus dieser pse_665.026 Haltung her kann die Dichtung in ihrer vollen Kraft wirken -- pse_665.027 auch in anderen Gebrauchsweisen. Diese dürfen aber bei pse_665.028 einem vollen Bild der Dichtung, das wir hier anstreben, nicht pse_665.029 vernachlässigt werden. Wir unterscheiden am besten drei pse_665.030 Bereiche, in denen Dichtung eine Rolle spielt, schärfer ausgedrückt: pse_665.031 gebraucht wird.
pse_665.032 Dichtung als Wirtschaftsgebilde
pse_665.033 Wer eine Dichtung liest, muß eine Handschrift oder ein pse_665.034 Buch vor sich haben, heute auch schon den Schmalfilm. Wer pse_665.035 sie hört, ist jenem gegenüber, der sie vorträgt. Nur in frühen
pse_665.001 reden. Natürlich waren die Züge, die wir heute als pse_665.002 wesentlich ästhetisch ansehen, auch im damaligen Erleben der pse_665.003 Dichtung, der Kunst überhaupt vorhanden, aber weder deutlich pse_665.004 bewußt noch für sich herausgeformt, sondern eingebaut pse_665.005 in umfassendere Haltungen, aus denen sich dann eben pse_665.006 erst mit dem Weiterschreiten der Entwicklung die späteren pse_665.007 Sonderhaltungen ausformten. Wir haben gerade früher erwähnt, pse_665.008 daß damals die Dichtung vorallem in magischen und pse_665.009 rituellen Zusammenhängen erfahren wurde, daß sie magische pse_665.010 Welterhellung gab. Sie war durchaus eingefügt in bestimmte pse_665.011 Gelegenheiten und Veranstaltungen des Gemeinschaftslebens, pse_665.012 sie hatte innerhalb dieser eine Aufgabe zu erfüllen. pse_665.013 Wir können sie damit schon als Gebrauchsgut bezeichnen. pse_665.014 Diese magisch-rituelle Funktion der Dichtung ist pse_665.015 heute stark zurückgetreten — natürlich bei fortgeschrittenen pse_665.016 Kulturvölkern —, und nur mehr in verschlungenen Zusammenhängen pse_665.017 ist diese Aufgabe noch spürbar. Aber es gibt gerade pse_665.018 heute viele Möglichkeiten, sich zur Dichtung zu verhalten, pse_665.019 die alle nicht mehr mit der sachgemäßen übereinstimmen. pse_665.020 Das beginnt ja schon beim Theoretiker, beim Forscher, dem pse_665.021 Dichtung wissenschaftliches Untersuchungsobjekt ist. Aber pse_665.022 immer freilich wäre es wünschenswert, daß überall dort, wo pse_665.023 zu Dichtung aus irgendeinem Grunde Stellung genommen pse_665.024 wird, die rein ästhetische Schau, das tiefe ästhetische Erlebnis pse_665.025 Ausgangspunkt und Untergrund bildet. Denn nur aus dieser pse_665.026 Haltung her kann die Dichtung in ihrer vollen Kraft wirken — pse_665.027 auch in anderen Gebrauchsweisen. Diese dürfen aber bei pse_665.028 einem vollen Bild der Dichtung, das wir hier anstreben, nicht pse_665.029 vernachlässigt werden. Wir unterscheiden am besten drei pse_665.030 Bereiche, in denen Dichtung eine Rolle spielt, schärfer ausgedrückt: pse_665.031 gebraucht wird.
pse_665.032 Dichtung als Wirtschaftsgebilde
pse_665.033 Wer eine Dichtung liest, muß eine Handschrift oder ein pse_665.034 Buch vor sich haben, heute auch schon den Schmalfilm. Wer pse_665.035 sie hört, ist jenem gegenüber, der sie vorträgt. Nur in frühen
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Sonderhaltungen ausformten. Wir haben gerade früher erwähnt, pse_665.008
daß damals die Dichtung vorallem in magischen und pse_665.009
rituellen Zusammenhängen erfahren wurde, daß sie magische pse_665.010
Welterhellung gab. Sie war durchaus eingefügt in bestimmte pse_665.011
Gelegenheiten und Veranstaltungen des Gemeinschaftslebens, pse_665.012
sie hatte innerhalb dieser eine Aufgabe zu erfüllen. pse_665.013
Wir können sie damit schon als Gebrauchsgut bezeichnen. pse_665.014
Diese magisch-rituelle Funktion der Dichtung ist pse_665.015
heute stark zurückgetreten — natürlich bei fortgeschrittenen pse_665.016
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immer freilich wäre es wünschenswert, daß überall dort, wo pse_665.023
zu Dichtung aus irgendeinem Grunde Stellung genommen pse_665.024
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einem vollen Bild der Dichtung, das wir hier anstreben, nicht pse_665.029
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 665. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/681>, abgerufen am 24.11.2024.
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