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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959.

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Vorgangs kann erhellen: durch die Entwicklungen, Spannungen, pse_608.002
Wenden und Brüche wird ja zugleich die Welt geformt. pse_608.003
Dazu kann auch die Intrige beitragen. Sie ist oft geradezu pse_608.004
symbolisch für eine bestimmte Gesellschaftsstruktur. Im pse_608.005
"Carlos" etwa wird durch sie der kalte Staatsmechanismus pse_608.006
bloßgelegt, dem sogar im innersten Posa verfällt und der pse_608.007
die "Gedankenfreiheit" unmöglich macht. Die dramatischen pse_608.008
Figuren erhellen auch die Art unserer Welt: in ihren inneren pse_608.009
Gefahren, der Schuldhaftigkeit, aber auch in dem, was ihnen pse_608.010
von außen zustößt. Alle Verzweiflung, alle Aufschwünge, pse_608.011
Zerrüttung, Selbstbewahrung, der Tod als Ende oder Übergang pse_608.012
in ein anderes: das alles vermag der Dichter zur Erhellung pse_608.013
der Welthintergründe einzusetzen.

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In den Wirkungsmöglichkeiten unterscheidet sich die pse_608.015
Dramatik dadurch von den anderen Gattungen, daß sie durch pse_608.016
eine besondere Darbietungsart uns entgegentritt: durch das pse_608.017
Theater. Zur Funktion des Darstellens tritt hier noch die pse_608.018
mannigfache Verflechtung mit den Formen und Möglichkeiten pse_608.019
des Theaters, wie sie sich im Lauf der Geschichte ausgebildet pse_608.020
haben. Das Theater selbst wieder wurzelt im Kultischen. pse_608.021
Zugleich aber gibt es auch fürs Drama andere Darbietungsarten. pse_608.022
Doch die Bühnenaufführung ist das unmittelbar pse_608.023
Gegebene.

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Die Bühnenaufführung in den drei Teilfragen der Bühnengestaltung, pse_608.025
der Schauspielkunst und der Aufgaben des Spielleiters pse_608.026
(Regie) zu betrachten, ist reine Aufgabe der Theaterwissenschaft. pse_608.027
Wir können in einer Poetik kurz darüber hinweggehen, pse_608.028
bemerken aber ausdrücklich, daß diese Fragen pse_608.029
nicht unwichtig sind. Es zeigt sich dabei klar, daß die Dramatik pse_608.030
wirklich über die rein dichterischen Möglichkeiten hinausgeht.

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Die Bühnengestaltung ist sehr eng mit soziologischen und pse_608.033
weltanschaulichen Fragen verbunden. Die Grundfrage jeder pse_608.034
Bühnengestaltung ist das Verhältnis des Schauspielers zur pse_608.035
Gemeinde. Er kann sich entweder als ihr Glied fühlen, so daß pse_608.036
die Gemeinde mitwirkt (Mitsingen bei den religiösen Spielen, pse_608.037
barocke Hoffeste zur Verherrlichung des Fürsten, Volksspiele), pse_608.038
oder er stellt sich ihr gegenüber: die Gemeinde wird

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Vorgangs kann erhellen: durch die Entwicklungen, Spannungen, pse_608.002
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»Carlos« etwa wird durch sie der kalte Staatsmechanismus pse_608.006
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Zerrüttung, Selbstbewahrung, der Tod als Ende oder Übergang pse_608.012
in ein anderes: das alles vermag der Dichter zur Erhellung pse_608.013
der Welthintergründe einzusetzen.

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In den Wirkungsmöglichkeiten unterscheidet sich die pse_608.015
Dramatik dadurch von den anderen Gattungen, daß sie durch pse_608.016
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Zugleich aber gibt es auch fürs Drama andere Darbietungsarten. pse_608.022
Doch die Bühnenaufführung ist das unmittelbar pse_608.023
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Die Bühnenaufführung in den drei Teilfragen der Bühnengestaltung, pse_608.025
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Wir können in einer Poetik kurz darüber hinweggehen, pse_608.028
bemerken aber ausdrücklich, daß diese Fragen pse_608.029
nicht unwichtig sind. Es zeigt sich dabei klar, daß die Dramatik pse_608.030
wirklich über die rein dichterischen Möglichkeiten hinausgeht.

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Die Bühnengestaltung ist sehr eng mit soziologischen und pse_608.033
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Bühnengestaltung ist das Verhältnis des Schauspielers zur pse_608.035
Gemeinde. Er kann sich entweder als ihr Glied fühlen, so daß pse_608.036
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Zitationshilfe: Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 608. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/624>, abgerufen am 22.11.2024.