pse_597.001 sie sind flüchtig, etwa Gebärden. Nur in der sprachlichen pse_597.002 Ausdeutung entweder vorher oder nachher erhalten sie pse_597.003 Dauerprägung. Sie sind ungreifbar. So erhalten die Wagnerschen pse_597.004 Leitmotive erst ihre strukturelle Bedeutsamkeit, wenn pse_597.005 sie einmal im Kontext erklungen sind und von dorther Zeichen pse_597.006 werden. Motive einer Ouvertüre werden plötzlich gedanklich pse_597.007 greifbar und aufgeladen, wenn sie im Zusammenhang der Handlung pse_597.008 wieder auftauchen. Sie sind oberflächlich: so können Gebärden pse_597.009 allein nicht letzte Tiefen wirklich ergreifend darstellen.
pse_597.010 Schon durch diese Überlegungen wird die Bedeutung der pse_597.011 Sprache klar. Was über ihre grundlegende Rolle in der Dichtung pse_597.012 gesagt worden ist, gilt völlig auch fürs Drama. Die drei pse_597.013 Grundmerkmale der Dramatik sind geradezu auf die Sprache pse_597.014 angewiesen. Die Darstellung im Rollenspiel ruht im ganzen pse_597.015 auf Rede und Gegenrede. Die Gespanntheit kann besonders in pse_597.016 der Beziehung und Abfolge der sprachlichen Bilder und im pse_597.017 dynamischen Ablauf der Sprache lebendig werden. Und die pse_597.018 Urgespaltenheit ist immer wieder in allen Kräften der Sprachgebung pse_597.019 herausformbar.
pse_597.020 Von den Stilkräften führt uns der Anruf geradezu an die pse_597.021 Wurzel der darstellenden Dichtung, denn er liegt auch dem pse_597.022 Gespräch zugrunde, das ja immer ein Reden von Du zu Du ist. pse_597.023 Im dramatischen Dialog fehlt zum Unterschied von Gesprächen pse_597.024 in der Epik das leise Darüberschweben des Erzählers, die Personen pse_597.025 stehen sich unmittelbar gegenüber. Der echt dramatische pse_597.026 Dialog ist auf Kampf und Entscheidung gestellt. Er weist verschiedene pse_597.027 Formen auf: entweder kommen auch im Drama pse_597.028 bloße Erörterungen vor, die sich allerdings zu erregten Aussprachen pse_597.029 steigern können, oder es sind Dialoge, die ganz in pse_597.030 die Handlung eingefügt sind, sie entweder selbst bilden oder pse_597.031 sie vertiefen. Eine Sonderform sind etwa Telefongespräche, pse_597.032 die besonders spannungserregend sein können, da man die pse_597.033 Mitteilung nur ahnt. Wirkungsvoll ist in dieser Hinsicht der pse_597.034 Schluß von Zuckmayers Drama "Des Teufels General". pse_597.035 Wichtiger als diese Formen sind die Funktionen der Dialoge pse_597.036 im Drama. Die unmittelbarste ist es, Spannungen und Spaltungen pse_597.037 der verschiedensten Art zu wecken, also die Urgespaltenheit pse_597.038 auf die mannigfachste Weise zu gestalten als
pse_597.001 sie sind flüchtig, etwa Gebärden. Nur in der sprachlichen pse_597.002 Ausdeutung entweder vorher oder nachher erhalten sie pse_597.003 Dauerprägung. Sie sind ungreifbar. So erhalten die Wagnerschen pse_597.004 Leitmotive erst ihre strukturelle Bedeutsamkeit, wenn pse_597.005 sie einmal im Kontext erklungen sind und von dorther Zeichen pse_597.006 werden. Motive einer Ouvertüre werden plötzlich gedanklich pse_597.007 greifbar und aufgeladen, wenn sie im Zusammenhang der Handlung pse_597.008 wieder auftauchen. Sie sind oberflächlich: so können Gebärden pse_597.009 allein nicht letzte Tiefen wirklich ergreifend darstellen.
pse_597.010 Schon durch diese Überlegungen wird die Bedeutung der pse_597.011 Sprache klar. Was über ihre grundlegende Rolle in der Dichtung pse_597.012 gesagt worden ist, gilt völlig auch fürs Drama. Die drei pse_597.013 Grundmerkmale der Dramatik sind geradezu auf die Sprache pse_597.014 angewiesen. Die Darstellung im Rollenspiel ruht im ganzen pse_597.015 auf Rede und Gegenrede. Die Gespanntheit kann besonders in pse_597.016 der Beziehung und Abfolge der sprachlichen Bilder und im pse_597.017 dynamischen Ablauf der Sprache lebendig werden. Und die pse_597.018 Urgespaltenheit ist immer wieder in allen Kräften der Sprachgebung pse_597.019 herausformbar.
pse_597.020 Von den Stilkräften führt uns der Anruf geradezu an die pse_597.021 Wurzel der darstellenden Dichtung, denn er liegt auch dem pse_597.022 Gespräch zugrunde, das ja immer ein Reden von Du zu Du ist. pse_597.023 Im dramatischen Dialog fehlt zum Unterschied von Gesprächen pse_597.024 in der Epik das leise Darüberschweben des Erzählers, die Personen pse_597.025 stehen sich unmittelbar gegenüber. Der echt dramatische pse_597.026 Dialog ist auf Kampf und Entscheidung gestellt. Er weist verschiedene pse_597.027 Formen auf: entweder kommen auch im Drama pse_597.028 bloße Erörterungen vor, die sich allerdings zu erregten Aussprachen pse_597.029 steigern können, oder es sind Dialoge, die ganz in pse_597.030 die Handlung eingefügt sind, sie entweder selbst bilden oder pse_597.031 sie vertiefen. Eine Sonderform sind etwa Telefongespräche, pse_597.032 die besonders spannungserregend sein können, da man die pse_597.033 Mitteilung nur ahnt. Wirkungsvoll ist in dieser Hinsicht der pse_597.034 Schluß von Zuckmayers Drama »Des Teufels General«. pse_597.035 Wichtiger als diese Formen sind die Funktionen der Dialoge pse_597.036 im Drama. Die unmittelbarste ist es, Spannungen und Spaltungen pse_597.037 der verschiedensten Art zu wecken, also die Urgespaltenheit pse_597.038 auf die mannigfachste Weise zu gestalten als
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Dauerprägung. Sie sind ungreifbar. So erhalten die Wagnerschen pse_597.004
Leitmotive erst ihre strukturelle Bedeutsamkeit, wenn pse_597.005
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greifbar und aufgeladen, wenn sie im Zusammenhang der Handlung pse_597.008
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allein nicht letzte Tiefen wirklich ergreifend darstellen.
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Schon durch diese Überlegungen wird die Bedeutung der pse_597.011
Sprache klar. Was über ihre grundlegende Rolle in der Dichtung pse_597.012
gesagt worden ist, gilt völlig auch fürs Drama. Die drei pse_597.013
Grundmerkmale der Dramatik sind geradezu auf die Sprache pse_597.014
angewiesen. Die Darstellung im Rollenspiel ruht im ganzen pse_597.015
auf Rede und Gegenrede. Die Gespanntheit kann besonders in pse_597.016
der Beziehung und Abfolge der sprachlichen Bilder und im pse_597.017
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Gespräch zugrunde, das ja immer ein Reden von Du zu Du ist. pse_597.023
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Wichtiger als diese Formen sind die Funktionen der Dialoge pse_597.036
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 597. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/613>, abgerufen am 25.11.2024.
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