pse_584.001 die innere Bedrohung Iphigenies und ihren seelischen Sieg. pse_584.002 Durch die ständige Gegenwärtigkeit des Vorgangs in einem pse_584.003 Raum kann der Dichter auch auf vielfache Weise die Dauerhaftigkeit pse_584.004 des Konflikts herausheben, damit das dramatische pse_584.005 Weltprinzip der Urgespaltenheit. Man denke, um nur ein pse_584.006 Beispiel herauszugreifen, wie im "Ödipus" durch diese Konzentration pse_584.007 der König ununterbrochen in seiner Doppeldeutigkeit pse_584.008 lebendig vor uns steht: als der Herrscher, der die Pflicht pse_584.009 hat, den Untäter zu finden, und als der Untäter selbst; als der, pse_584.010 der nicht glaubt, der Sohn seiner Eltern zu sein, und doch als pse_584.011 dieser Sohn: er ist nie der, der er zu sein glaubt. So wird auch pse_584.012 die dramatische Funktion des Botenberichts deutlich, der im pse_584.013 Einortdrama nötig wird. Er kann immer neue Lagen schaffen, pse_584.014 damit die Dauerhaftigkeit des Konflikts ermöglichen, er bindet pse_584.015 die Außenwelt an diesen einen Ort und macht ihn zur pse_584.016 Mitte einer Welt. Er ist nie rein episch, denn mit dem Bericht pse_584.017 wird zugleich die Einstellung der Zuhörer im dramatischen pse_584.018 Raum gegeben. Das Einortdrama erzeugt durch seine Struktur pse_584.019 ganz deutliche Stimmungen: Beklemmung, Belastung, pse_584.020 Pathetik. Die Spannung eines solchen Dramas besteht vor pse_584.021 allem im Eingespanntsein des Erlebenden.
pse_584.022 Im Bewegungsdrama setzt sich der Zuschauer selbst in pse_584.023 Bewegung und fühlt sich in die anderer ein. Zeitdehnung und pse_584.024 Stoffhäufung führt zum Wechsel der Raumvorstellung. Die pse_584.025 Bewegung von Ort zu Ort ermöglicht auch große Figurenfülle. pse_584.026 Sie kann sich im Gang eines einzelnen durch die Handlung pse_584.027 entfalten wie etwa in den ständig wechselnden Räumen pse_584.028 und Menschen im "Peer Gynt" oder in Claudels "Seidenem pse_584.029 Schuh". Sie kann durch Parallelhandlungen gegeben sein wie pse_584.030 im "Lear" oder endlich in Gruppen und Massenentwicklungen pse_584.031 wie etwa in Grabbes "Napoleon oder die hundert Tage". Bewegung pse_584.032 durch viele Räume erfüllt innerlich auch die Zeitabläufe, pse_584.033 sie werden so überschätzt, wie etwa die vier Tage des pse_584.034 Wallensteindramas. Vor allem aber ermöglicht das Bewegungsdrama pse_584.035 die Gestaltung der Lebensfülle. Es weitet den Blick pse_584.036 auf die Fülle der Lebensgegensätzlichkeiten und -zusammenhänge. pse_584.037 Erst aus dem Zusammenfließen der sich ergebenden pse_584.038 Eindrücke erhebt sich dann die Bedeutsamkeit, wird die
pse_584.001 die innere Bedrohung Iphigenies und ihren seelischen Sieg. pse_584.002 Durch die ständige Gegenwärtigkeit des Vorgangs in einem pse_584.003 Raum kann der Dichter auch auf vielfache Weise die Dauerhaftigkeit pse_584.004 des Konflikts herausheben, damit das dramatische pse_584.005 Weltprinzip der Urgespaltenheit. Man denke, um nur ein pse_584.006 Beispiel herauszugreifen, wie im »Ödipus« durch diese Konzentration pse_584.007 der König ununterbrochen in seiner Doppeldeutigkeit pse_584.008 lebendig vor uns steht: als der Herrscher, der die Pflicht pse_584.009 hat, den Untäter zu finden, und als der Untäter selbst; als der, pse_584.010 der nicht glaubt, der Sohn seiner Eltern zu sein, und doch als pse_584.011 dieser Sohn: er ist nie der, der er zu sein glaubt. So wird auch pse_584.012 die dramatische Funktion des Botenberichts deutlich, der im pse_584.013 Einortdrama nötig wird. Er kann immer neue Lagen schaffen, pse_584.014 damit die Dauerhaftigkeit des Konflikts ermöglichen, er bindet pse_584.015 die Außenwelt an diesen einen Ort und macht ihn zur pse_584.016 Mitte einer Welt. Er ist nie rein episch, denn mit dem Bericht pse_584.017 wird zugleich die Einstellung der Zuhörer im dramatischen pse_584.018 Raum gegeben. Das Einortdrama erzeugt durch seine Struktur pse_584.019 ganz deutliche Stimmungen: Beklemmung, Belastung, pse_584.020 Pathetik. Die Spannung eines solchen Dramas besteht vor pse_584.021 allem im Eingespanntsein des Erlebenden.
pse_584.022 Im Bewegungsdrama setzt sich der Zuschauer selbst in pse_584.023 Bewegung und fühlt sich in die anderer ein. Zeitdehnung und pse_584.024 Stoffhäufung führt zum Wechsel der Raumvorstellung. Die pse_584.025 Bewegung von Ort zu Ort ermöglicht auch große Figurenfülle. pse_584.026 Sie kann sich im Gang eines einzelnen durch die Handlung pse_584.027 entfalten wie etwa in den ständig wechselnden Räumen pse_584.028 und Menschen im »Peer Gynt« oder in Claudels »Seidenem pse_584.029 Schuh«. Sie kann durch Parallelhandlungen gegeben sein wie pse_584.030 im »Lear« oder endlich in Gruppen und Massenentwicklungen pse_584.031 wie etwa in Grabbes »Napoleon oder die hundert Tage«. Bewegung pse_584.032 durch viele Räume erfüllt innerlich auch die Zeitabläufe, pse_584.033 sie werden so überschätzt, wie etwa die vier Tage des pse_584.034 Wallensteindramas. Vor allem aber ermöglicht das Bewegungsdrama pse_584.035 die Gestaltung der Lebensfülle. Es weitet den Blick pse_584.036 auf die Fülle der Lebensgegensätzlichkeiten und -zusammenhänge. pse_584.037 Erst aus dem Zusammenfließen der sich ergebenden pse_584.038 Eindrücke erhebt sich dann die Bedeutsamkeit, wird die
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der König ununterbrochen in seiner Doppeldeutigkeit pse_584.008
lebendig vor uns steht: als der Herrscher, der die Pflicht pse_584.009
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der nicht glaubt, der Sohn seiner Eltern zu sein, und doch als pse_584.011
dieser Sohn: er ist nie der, der er zu sein glaubt. So wird auch pse_584.012
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Im Bewegungsdrama setzt sich der Zuschauer selbst in pse_584.023
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Stoffhäufung führt zum Wechsel der Raumvorstellung. Die pse_584.025
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 584. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/600>, abgerufen am 22.11.2024.
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