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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959.

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Vergangenheitsform erzählt: der Erzähler hat eben bereits pse_564.002
den Überblick über das Ganze, für ihn ist es bereits geschehen. pse_564.003
Der Antrieb kann die Sehnsucht nach einer besseren Welt pse_564.004
sein oder die Erschütterung darüber, wohin es noch kommen pse_564.005
könnte, wenn die Entwicklung so weiter ginge. Die Erfolge pse_564.006
und Wirkungen hängen mit besonderen Lagen zusammen, pse_564.007
der dichterische Wert ist unabhängig davon zu beurteilen.

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Der Roman hat sich langsam durch größte Entfaltung aller pse_564.009
Möglichkeiten zu der umfassendsten Dichtungsart entwickelt. pse_564.010
Er reicht von den übelsten Schundheften schon gänzlich pse_564.011
außerhalb jedes dichterischen Bereiches bis zu höchsten dichterischen pse_564.012
Leistungen der Weltliteratur. Er nimmt infolge pse_564.013
seiner Art jeglichen Lebensstoff zur Anregung, kann alle pse_564.014
Bereiche des Lebens der Menschen und der Welt überhaupt pse_564.015
formen und hat einen Reichtum an künstlerischen Gestaltungsmöglichkeiten pse_564.016
entfaltet, in dem er jede andere Dichtungsart pse_564.017
übertrifft. In der Gegenwart beherrscht er geradezu das literarische pse_564.018
Gebiet. Damit aber sind zugleich seine Gefahren angedeutet: pse_564.019
durch diese Umfassenheit stößt er überall an Grenzen. pse_564.020
Wenn er sie übertritt, verläßt er den Bereich der Dichtung. pse_564.021
Nirgends so wie hier kann also immer wieder das dichterische pse_564.022
Gewissen geprüft und dauernd scharf erhalten werden. pse_564.023
Das gilt für den Dichter, den Kritiker und den wissenschaftlichen pse_564.024
Erforscher der Dichtung.

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DIE DRAMATIK

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Das Drama nimmt im Gesamten der Kunst eine eigenartige pse_564.028
Stellung ein. Es ist auf der einen Seite höchste Dichtung, pse_564.029
wenn man etwa an Goethes "Tasso" denkt, auf der anderen pse_564.030
Seite reicht es in ein anderes Kunstgebiet hinüber, in das des pse_564.031
Theaters mit seinen Bühnenmöglichkeiten. Zugleich breitet pse_564.032
sich auf dem Theater auch manches aus, was kaum mehr etwas pse_564.033
mit Kunst zu tun hat, besonders alles Geschäftliche, das pse_564.034
mit dem Theaterbetrieb zusammenhängt. Dann ist das Drama

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Der Antrieb kann die Sehnsucht nach einer besseren Welt pse_564.004
sein oder die Erschütterung darüber, wohin es noch kommen pse_564.005
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und Wirkungen hängen mit besonderen Lagen zusammen, pse_564.007
der dichterische Wert ist unabhängig davon zu beurteilen.

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Der Roman hat sich langsam durch größte Entfaltung aller pse_564.009
Möglichkeiten zu der umfassendsten Dichtungsart entwickelt. pse_564.010
Er reicht von den übelsten Schundheften schon gänzlich pse_564.011
außerhalb jedes dichterischen Bereiches bis zu höchsten dichterischen pse_564.012
Leistungen der Weltliteratur. Er nimmt infolge pse_564.013
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Bereiche des Lebens der Menschen und der Welt überhaupt pse_564.015
formen und hat einen Reichtum an künstlerischen Gestaltungsmöglichkeiten pse_564.016
entfaltet, in dem er jede andere Dichtungsart pse_564.017
übertrifft. In der Gegenwart beherrscht er geradezu das literarische pse_564.018
Gebiet. Damit aber sind zugleich seine Gefahren angedeutet: pse_564.019
durch diese Umfassenheit stößt er überall an Grenzen. pse_564.020
Wenn er sie übertritt, verläßt er den Bereich der Dichtung. pse_564.021
Nirgends so wie hier kann also immer wieder das dichterische pse_564.022
Gewissen geprüft und dauernd scharf erhalten werden. pse_564.023
Das gilt für den Dichter, den Kritiker und den wissenschaftlichen pse_564.024
Erforscher der Dichtung.

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DIE DRAMATIK

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Das Drama nimmt im Gesamten der Kunst eine eigenartige pse_564.028
Stellung ein. Es ist auf der einen Seite höchste Dichtung, pse_564.029
wenn man etwa an Goethes »Tasso« denkt, auf der anderen pse_564.030
Seite reicht es in ein anderes Kunstgebiet hinüber, in das des pse_564.031
Theaters mit seinen Bühnenmöglichkeiten. Zugleich breitet pse_564.032
sich auf dem Theater auch manches aus, was kaum mehr etwas pse_564.033
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Zitationshilfe: Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 564. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/580>, abgerufen am 25.11.2024.