pse_543.001 aber auch der Rationalismus, der schon im Barockzeitalter pse_543.002 zu beobachten ist, gestalten diesen Zusammenhang pse_543.003 meist rein ursächlich, d. h. alle Teilvorgänge stehen im engsten pse_543.004 ursächlichen Verhältnis, strengste Motivierung jedes einzelnen pse_543.005 Zuges ergibt sich aus solcher Auffassung des inneren Zusammenhangs. pse_543.006 Dem großen Dichter wird dabei ein Werk eindrucksvoller pse_543.007 Geschlossenheit gelingen, in den Barockromanen pse_543.008 verbirgt sich diese vollkommene Verzahnung und gegenseitige pse_543.009 Ursächlichkeit hinter einem prächtigen Mantel rauschender pse_543.010 Bewegung und erregender Vorgänge, dem Bildungsroman pse_543.011 verschafft solche Bauweise die wirkungsvolle Bewegung pse_543.012 in der Entfaltung und inneren Formung eines Menschen. pse_543.013 Dabei müssen die ursächlichen Zusammenhänge nicht von pse_543.014 vornherein aufgedeckt werden. Im Gegenteil, je mehr das pse_543.015 Rätselhafte und Geheimnisvolle sich erst gegen Ende immer pse_543.016 mehr lichtet und auflöst, desto spannungsreicher erscheint pse_543.017 ein solcher Roman erzählt. Man denke vor allem an die Gestalten pse_543.018 Mignons und des Harfners und an die Gesellschaft vom pse_543.019 Turm in den "Lehrjahren". Aber diese kausale Schließung des pse_543.020 Gesamtvorgangs zu einer höheren Ganzheit ist nicht die pse_543.021 einzige Möglichkeit, den Roman zu einer Totalität zu formen. pse_543.022 Der Dichter kann auch jeweils einzelne Szenen mit eindringlicher pse_543.023 Kraft gestalten, gleichsam je einzelne Stücke der dichterischen pse_543.024 Wirklichkeit ganz greifbar vor uns hinstellen; sie pse_543.025 stehen dann einfach in ihrer Unmittelbarkeit selbstverständlich pse_543.026 vor uns, jede Frage nach der Motivierung, nach Ursache pse_543.027 und Wirkung wird überflüssig. Und so folgt eine Szene nach pse_543.028 der anderen, scheinbar sprunghaft, auch zeitlich und räumlich pse_543.029 ohne jede Kontinuität. Gerade da aber bewährt sich die pse_543.030 bauende Kraft des Dichters. Alle diese für sich bestehenden pse_543.031 Stücke werden doch zu Gliedern eines höheren Ganzen. Sie pse_543.032 schließen sich entweder um eine oder mehrere Personen zusammen, pse_543.033 oder sie bilden in der Stimmungsabfolge einen pse_543.034 tieferen Zusammenhang, oder sie ergänzen sich zu einem pse_543.035 immer reicheren Weltbild.
pse_543.036 So wie alles Geschehen auch in der dichterischen Welt pse_543.037 räumlich eingeordnet ist, so muß es auch in bezug zur Zeit pse_543.038 gestaltet sein. Denn anders können wir Menschen Vorgänge
pse_543.001 aber auch der Rationalismus, der schon im Barockzeitalter pse_543.002 zu beobachten ist, gestalten diesen Zusammenhang pse_543.003 meist rein ursächlich, d. h. alle Teilvorgänge stehen im engsten pse_543.004 ursächlichen Verhältnis, strengste Motivierung jedes einzelnen pse_543.005 Zuges ergibt sich aus solcher Auffassung des inneren Zusammenhangs. pse_543.006 Dem großen Dichter wird dabei ein Werk eindrucksvoller pse_543.007 Geschlossenheit gelingen, in den Barockromanen pse_543.008 verbirgt sich diese vollkommene Verzahnung und gegenseitige pse_543.009 Ursächlichkeit hinter einem prächtigen Mantel rauschender pse_543.010 Bewegung und erregender Vorgänge, dem Bildungsroman pse_543.011 verschafft solche Bauweise die wirkungsvolle Bewegung pse_543.012 in der Entfaltung und inneren Formung eines Menschen. pse_543.013 Dabei müssen die ursächlichen Zusammenhänge nicht von pse_543.014 vornherein aufgedeckt werden. Im Gegenteil, je mehr das pse_543.015 Rätselhafte und Geheimnisvolle sich erst gegen Ende immer pse_543.016 mehr lichtet und auflöst, desto spannungsreicher erscheint pse_543.017 ein solcher Roman erzählt. Man denke vor allem an die Gestalten pse_543.018 Mignons und des Harfners und an die Gesellschaft vom pse_543.019 Turm in den »Lehrjahren«. Aber diese kausale Schließung des pse_543.020 Gesamtvorgangs zu einer höheren Ganzheit ist nicht die pse_543.021 einzige Möglichkeit, den Roman zu einer Totalität zu formen. pse_543.022 Der Dichter kann auch jeweils einzelne Szenen mit eindringlicher pse_543.023 Kraft gestalten, gleichsam je einzelne Stücke der dichterischen pse_543.024 Wirklichkeit ganz greifbar vor uns hinstellen; sie pse_543.025 stehen dann einfach in ihrer Unmittelbarkeit selbstverständlich pse_543.026 vor uns, jede Frage nach der Motivierung, nach Ursache pse_543.027 und Wirkung wird überflüssig. Und so folgt eine Szene nach pse_543.028 der anderen, scheinbar sprunghaft, auch zeitlich und räumlich pse_543.029 ohne jede Kontinuität. Gerade da aber bewährt sich die pse_543.030 bauende Kraft des Dichters. Alle diese für sich bestehenden pse_543.031 Stücke werden doch zu Gliedern eines höheren Ganzen. Sie pse_543.032 schließen sich entweder um eine oder mehrere Personen zusammen, pse_543.033 oder sie bilden in der Stimmungsabfolge einen pse_543.034 tieferen Zusammenhang, oder sie ergänzen sich zu einem pse_543.035 immer reicheren Weltbild.
pse_543.036 So wie alles Geschehen auch in der dichterischen Welt pse_543.037 räumlich eingeordnet ist, so muß es auch in bezug zur Zeit pse_543.038 gestaltet sein. Denn anders können wir Menschen Vorgänge
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zu beobachten ist, gestalten diesen Zusammenhang pse_543.003
meist rein ursächlich, d. h. alle Teilvorgänge stehen im engsten pse_543.004
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Dem großen Dichter wird dabei ein Werk eindrucksvoller pse_543.007
Geschlossenheit gelingen, in den Barockromanen pse_543.008
verbirgt sich diese vollkommene Verzahnung und gegenseitige pse_543.009
Ursächlichkeit hinter einem prächtigen Mantel rauschender pse_543.010
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Dabei müssen die ursächlichen Zusammenhänge nicht von pse_543.014
vornherein aufgedeckt werden. Im Gegenteil, je mehr das pse_543.015
Rätselhafte und Geheimnisvolle sich erst gegen Ende immer pse_543.016
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Mignons und des Harfners und an die Gesellschaft vom pse_543.019
Turm in den »Lehrjahren«. Aber diese kausale Schließung des pse_543.020
Gesamtvorgangs zu einer höheren Ganzheit ist nicht die pse_543.021
einzige Möglichkeit, den Roman zu einer Totalität zu formen. pse_543.022
Der Dichter kann auch jeweils einzelne Szenen mit eindringlicher pse_543.023
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Wirklichkeit ganz greifbar vor uns hinstellen; sie pse_543.025
stehen dann einfach in ihrer Unmittelbarkeit selbstverständlich pse_543.026
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und Wirkung wird überflüssig. Und so folgt eine Szene nach pse_543.028
der anderen, scheinbar sprunghaft, auch zeitlich und räumlich pse_543.029
ohne jede Kontinuität. Gerade da aber bewährt sich die pse_543.030
bauende Kraft des Dichters. Alle diese für sich bestehenden pse_543.031
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 543. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/559>, abgerufen am 22.11.2024.
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