pse_506.001 Daraus zum Beispiel hat sich die Eigenform des Goetheschen pse_506.002 "Werther" ergeben. 2. Dichterische Hochleistungen schaffen pse_506.003 eine neue Tradition, wie man besonders an der Bedeutung der pse_506.004 italienischen Renaissance-Novelle erkennt. 3. Die Entfaltung pse_506.005 der kulturellen Möglichkeiten, die Ausdifferenzierung des pse_506.006 Gefühlslebens durch die vielen Reaktionen auf die Mannigfaltigkeit pse_506.007 der Technik, der Politik wirkt sich auch auf die pse_506.008 dichterischen Formen aus. 4. Die Verschiebungen in der pse_506.009 Kulturstruktur erwirken z. B. auch den Übergang vom Epos pse_506.010 zum Roman. Dieser hängt mit dem Überhandnehmen des pse_506.011 Individualismus zusammen: das führte zu einer Wandlung pse_506.012 des menschlichen Bewußtseins im Zusammenhang mit der pse_506.013 Verwandlung unserer Realität und damit zu einer fortschreitenden pse_506.014 Verinnerung: das Schwergewicht des Erzählten verlagert pse_506.015 sich immer mehr aus einem Außenraum in einen pse_506.016 Innenraum. Während so im 19. Jahrhundert die Arten eher pse_506.017 fest werden und dann erstarren, zerbrechen sie im 20. Jahrhundert pse_506.018 unter dem sich immer rascher ändernden Verhältnis pse_506.019 von Mensch und Welt; dieses Zerbrechen führt dann zu pse_506.020 einem Suchen nach neuen Formen.
pse_506.021 So bleiben im großen und ganzen die Gattungen in der geschichtlichen pse_506.022 Entwicklung erhalten, die Arten aber ändern pse_506.023 sich sehr: alte sterben ab, neue entwickeln sich. Die dichterischen pse_506.024 Grundhaltungen und die sich daraus in der geschichtlichen pse_506.025 Wirklichkeit herausbildenden Typen bleiben als grundlegende pse_506.026 Formen und Züge erhalten, aber die einen können im pse_506.027 Lauf der Entwicklung zurücktreten, andere vordrängen, pse_506.028 manche Zeiten sind der einen Haltung und dem einen Typus pse_506.029 günstig, manche wieder anderen.
pse_506.030 Wenn im folgenden Überblick eine Art Einteilung der pse_506.031 epischen Arten zugleich vorgelegt wird, so bedeutet solche pse_506.032 Einteilung nie eine Norm, sondern sie soll Grundlagen schaffen pse_506.033 für allgemeine Einsichten ins Dichterische, Sicherheit und pse_506.034 Klarheit im Betrachten einzelner Dichtungen und im Blick pse_506.035 auf die geschichtlichen Wandlungen geben. Die Grundsätze, pse_506.036 nach denen man solche Einteilungen treffen kann, sind genau pse_506.037 wie bei der Lyrik und der Dramatik verschieden. Man muß pse_506.038 sich auf alle Fälle hüten, die Grenzen zwischen den einzelnen
pse_506.001 Daraus zum Beispiel hat sich die Eigenform des Goetheschen pse_506.002 »Werther« ergeben. 2. Dichterische Hochleistungen schaffen pse_506.003 eine neue Tradition, wie man besonders an der Bedeutung der pse_506.004 italienischen Renaissance-Novelle erkennt. 3. Die Entfaltung pse_506.005 der kulturellen Möglichkeiten, die Ausdifferenzierung des pse_506.006 Gefühlslebens durch die vielen Reaktionen auf die Mannigfaltigkeit pse_506.007 der Technik, der Politik wirkt sich auch auf die pse_506.008 dichterischen Formen aus. 4. Die Verschiebungen in der pse_506.009 Kulturstruktur erwirken z. B. auch den Übergang vom Epos pse_506.010 zum Roman. Dieser hängt mit dem Überhandnehmen des pse_506.011 Individualismus zusammen: das führte zu einer Wandlung pse_506.012 des menschlichen Bewußtseins im Zusammenhang mit der pse_506.013 Verwandlung unserer Realität und damit zu einer fortschreitenden pse_506.014 Verinnerung: das Schwergewicht des Erzählten verlagert pse_506.015 sich immer mehr aus einem Außenraum in einen pse_506.016 Innenraum. Während so im 19. Jahrhundert die Arten eher pse_506.017 fest werden und dann erstarren, zerbrechen sie im 20. Jahrhundert pse_506.018 unter dem sich immer rascher ändernden Verhältnis pse_506.019 von Mensch und Welt; dieses Zerbrechen führt dann zu pse_506.020 einem Suchen nach neuen Formen.
pse_506.021 So bleiben im großen und ganzen die Gattungen in der geschichtlichen pse_506.022 Entwicklung erhalten, die Arten aber ändern pse_506.023 sich sehr: alte sterben ab, neue entwickeln sich. Die dichterischen pse_506.024 Grundhaltungen und die sich daraus in der geschichtlichen pse_506.025 Wirklichkeit herausbildenden Typen bleiben als grundlegende pse_506.026 Formen und Züge erhalten, aber die einen können im pse_506.027 Lauf der Entwicklung zurücktreten, andere vordrängen, pse_506.028 manche Zeiten sind der einen Haltung und dem einen Typus pse_506.029 günstig, manche wieder anderen.
pse_506.030 Wenn im folgenden Überblick eine Art Einteilung der pse_506.031 epischen Arten zugleich vorgelegt wird, so bedeutet solche pse_506.032 Einteilung nie eine Norm, sondern sie soll Grundlagen schaffen pse_506.033 für allgemeine Einsichten ins Dichterische, Sicherheit und pse_506.034 Klarheit im Betrachten einzelner Dichtungen und im Blick pse_506.035 auf die geschichtlichen Wandlungen geben. Die Grundsätze, pse_506.036 nach denen man solche Einteilungen treffen kann, sind genau pse_506.037 wie bei der Lyrik und der Dramatik verschieden. Man muß pse_506.038 sich auf alle Fälle hüten, die Grenzen zwischen den einzelnen
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Daraus zum Beispiel hat sich die Eigenform des Goetheschen pse_506.002
»Werther« ergeben. 2. Dichterische Hochleistungen schaffen pse_506.003
eine neue Tradition, wie man besonders an der Bedeutung der pse_506.004
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Kulturstruktur erwirken z. B. auch den Übergang vom Epos pse_506.010
zum Roman. Dieser hängt mit dem Überhandnehmen des pse_506.011
Individualismus zusammen: das führte zu einer Wandlung pse_506.012
des menschlichen Bewußtseins im Zusammenhang mit der pse_506.013
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Verinnerung: das Schwergewicht des Erzählten verlagert pse_506.015
sich immer mehr aus einem Außenraum in einen pse_506.016
Innenraum. Während so im 19. Jahrhundert die Arten eher pse_506.017
fest werden und dann erstarren, zerbrechen sie im 20. Jahrhundert pse_506.018
unter dem sich immer rascher ändernden Verhältnis pse_506.019
von Mensch und Welt; dieses Zerbrechen führt dann zu pse_506.020
einem Suchen nach neuen Formen.
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So bleiben im großen und ganzen die Gattungen in der geschichtlichen pse_506.022
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sich sehr: alte sterben ab, neue entwickeln sich. Die dichterischen pse_506.024
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Lauf der Entwicklung zurücktreten, andere vordrängen, pse_506.028
manche Zeiten sind der einen Haltung und dem einen Typus pse_506.029
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pse_506.030
Wenn im folgenden Überblick eine Art Einteilung der pse_506.031
epischen Arten zugleich vorgelegt wird, so bedeutet solche pse_506.032
Einteilung nie eine Norm, sondern sie soll Grundlagen schaffen pse_506.033
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Klarheit im Betrachten einzelner Dichtungen und im Blick pse_506.035
auf die geschichtlichen Wandlungen geben. Die Grundsätze, pse_506.036
nach denen man solche Einteilungen treffen kann, sind genau pse_506.037
wie bei der Lyrik und der Dramatik verschieden. Man muß pse_506.038
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 506. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/522>, abgerufen am 28.11.2024.
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