pse_483.001 gerade aufhört, und der zeitliche Ablauf des Briefschreibens pse_483.002 bedeutet selbst wieder einen Vorgang mit Entwicklung. Die pse_483.003 entscheidenden Zeiträume sind die Vergangenheit und die pse_483.004 Zukunft. Zwischen ihnen steht die Gegenwart als dehnbares pse_483.005 Gebilde, das oft von beiden etwas ansaugt. Nun ist Erzählen, pse_483.006 auch das von tatsächlichen Ereignissen der außersprachlichen pse_483.007 Wirklichkeit, nur möglich mit dem Blick auf etwas bereits pse_483.008 Abgelaufenes, also auf den Vergangenheitsraum. Der Erzähler pse_483.009 hat schon am Beginn die Überschau übers Ganze. Das pse_483.010 gilt auch fürs dichterische Erzählen, wenn auch da das Erzählte pse_483.011 erst im Erzählen wird. Das ist deshalb so, weil diese Form der pse_483.012 Erfassung, die auch das Erzählen ist, eben nicht anders vom pse_483.013 Menschen vollzogen werden kann. Damit aber erst setzen die pse_483.014 vielen künstlerischen Möglichkeiten ein, den Vergangenheitsraum pse_483.015 zu gestalten.
pse_483.016 Sprachlich bestehen vor allem drei Möglichkeiten: die pse_483.017 Formen des Vorgangsworts, Adverbien und Fügungen. Für pse_483.018 den Gehalt der Zeitformen ist der Erzählstandpunkt grundlegend, pse_483.019 also der Abstand der Erzählzeit von der erzählten pse_483.020 Zeit. Nur im auktorialen Erzählen besteht ein Zeitabstand, bei pse_483.021 der Icherzählung ein Unterschied zwischen erlebendem und pse_483.022 erzählendem Ich. Der Abstand zwischen der Erzählzeit und pse_483.023 der erzählten Zeit ist sprachlich verschieden schattierbar. Dazu pse_483.024 dienen vor allem die sogenannten Aspekte, ob ein Vorgang pse_483.025 in seiner Ganzheit, also bereits in seiner Abgeschlossenheit, pse_483.026 oder ohne Entscheidung darüber, ob er schon abgeschlossen pse_483.027 ist, gestaltet wird. Das ist den romanischen Sprachen, dem pse_483.028 Russischen und dem Englischen ohne weiteres möglich, nicht pse_483.029 aber den deutschen Formen des Vorgangswortes. Die wichtigste pse_483.030 Form im Deutschen ist das Präteritum, dessen Stilwerte pse_483.031 wir schon betrachtet haben (S. 164 f.). In ihm wird das pse_483.032 Hineinschauen in einen vergangenen, also nicht mehr bestehenden pse_483.033 Raum gestaltet. Das Perfekt haben wir an der gleichen pse_483.034 Stelle auch schon betrachtet: es schaut auf das Vergangene pse_483.035 deutlich vom Standpunkt der Gegenwart aus. Durch die pse_483.036 Vorvergangenheit ("er hatte geschrieben") ist die Möglichkeit pse_483.037 einer mehrfachen Schichtung der Vergangenheit gegeben. pse_483.038 Eigenartig wirkt das Präsens in einer epischen Dichtung.
pse_483.001 gerade aufhört, und der zeitliche Ablauf des Briefschreibens pse_483.002 bedeutet selbst wieder einen Vorgang mit Entwicklung. Die pse_483.003 entscheidenden Zeiträume sind die Vergangenheit und die pse_483.004 Zukunft. Zwischen ihnen steht die Gegenwart als dehnbares pse_483.005 Gebilde, das oft von beiden etwas ansaugt. Nun ist Erzählen, pse_483.006 auch das von tatsächlichen Ereignissen der außersprachlichen pse_483.007 Wirklichkeit, nur möglich mit dem Blick auf etwas bereits pse_483.008 Abgelaufenes, also auf den Vergangenheitsraum. Der Erzähler pse_483.009 hat schon am Beginn die Überschau übers Ganze. Das pse_483.010 gilt auch fürs dichterische Erzählen, wenn auch da das Erzählte pse_483.011 erst im Erzählen wird. Das ist deshalb so, weil diese Form der pse_483.012 Erfassung, die auch das Erzählen ist, eben nicht anders vom pse_483.013 Menschen vollzogen werden kann. Damit aber erst setzen die pse_483.014 vielen künstlerischen Möglichkeiten ein, den Vergangenheitsraum pse_483.015 zu gestalten.
pse_483.016 Sprachlich bestehen vor allem drei Möglichkeiten: die pse_483.017 Formen des Vorgangsworts, Adverbien und Fügungen. Für pse_483.018 den Gehalt der Zeitformen ist der Erzählstandpunkt grundlegend, pse_483.019 also der Abstand der Erzählzeit von der erzählten pse_483.020 Zeit. Nur im auktorialen Erzählen besteht ein Zeitabstand, bei pse_483.021 der Icherzählung ein Unterschied zwischen erlebendem und pse_483.022 erzählendem Ich. Der Abstand zwischen der Erzählzeit und pse_483.023 der erzählten Zeit ist sprachlich verschieden schattierbar. Dazu pse_483.024 dienen vor allem die sogenannten Aspekte, ob ein Vorgang pse_483.025 in seiner Ganzheit, also bereits in seiner Abgeschlossenheit, pse_483.026 oder ohne Entscheidung darüber, ob er schon abgeschlossen pse_483.027 ist, gestaltet wird. Das ist den romanischen Sprachen, dem pse_483.028 Russischen und dem Englischen ohne weiteres möglich, nicht pse_483.029 aber den deutschen Formen des Vorgangswortes. Die wichtigste pse_483.030 Form im Deutschen ist das Präteritum, dessen Stilwerte pse_483.031 wir schon betrachtet haben (S. 164 f.). In ihm wird das pse_483.032 Hineinschauen in einen vergangenen, also nicht mehr bestehenden pse_483.033 Raum gestaltet. Das Perfekt haben wir an der gleichen pse_483.034 Stelle auch schon betrachtet: es schaut auf das Vergangene pse_483.035 deutlich vom Standpunkt der Gegenwart aus. Durch die pse_483.036 Vorvergangenheit (»er hatte geschrieben«) ist die Möglichkeit pse_483.037 einer mehrfachen Schichtung der Vergangenheit gegeben. pse_483.038 Eigenartig wirkt das Präsens in einer epischen Dichtung.
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entscheidenden Zeiträume sind die Vergangenheit und die pse_483.004
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Gebilde, das oft von beiden etwas ansaugt. Nun ist Erzählen, pse_483.006
auch das von tatsächlichen Ereignissen der außersprachlichen pse_483.007
Wirklichkeit, nur möglich mit dem Blick auf etwas bereits pse_483.008
Abgelaufenes, also auf den Vergangenheitsraum. Der Erzähler pse_483.009
hat schon am Beginn die Überschau übers Ganze. Das pse_483.010
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Russischen und dem Englischen ohne weiteres möglich, nicht pse_483.029
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 483. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/499>, abgerufen am 22.11.2024.
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