pse_481.001 über die menschliche Schönheit in "Brigitta". Hier tritt der pse_481.002 Erzählfortschritt zurück, thematische Zusammenhänge drängen pse_481.003 vor. Aus großer Nahsicht entsteht bei Zeitlosigkeit die pse_481.004 Beschreibung. Bekannt sind Stifters Beschreibungen der Taukatastrophe pse_481.005 in der Studienmappe, des Sonnenuntergangs in pse_481.006 der "Brigitta". Solche Beschreibungen können sich der Betrachtung, pse_481.007 aber auch der szenischen Darstellung nähern. Sie pse_481.008 haben vielfach symbolische Aufgaben. So etwa die Entgegensetzung pse_481.009 der ewigen Natur und der menschlichen Vergänglichkeit pse_481.010 in Stifters "Hochwald". Naturstimmungen und Landschaftsbilder pse_481.011 sind neben Darstellungen von Innenräumen die pse_481.012 bevorzugten Bereiche der Beschreibung. Aber es muß immer pse_481.013 die Funktion beachtet werden, die solche Teile in der Erzählung pse_481.014 haben: Hintergründe, Andeutungen, Rahmungen, pse_481.015 Einstimmung, vor allem natürlich symbolische Vertiefung. pse_481.016 Werden Überlegungen, die sich aus dem Fortgang der Handlung pse_481.017 aufdrängen, in eine gedrängte, zeitlose Form gebracht, pse_481.018 so entstehen die Sentenzen. Von ihnen aus können wir einen pse_481.019 Blick auf das Geschehen von besonderer Höhe aus gewinnen, pse_481.020 beinahe sub specie aeternitatis.
pse_481.021 Für die Anlage einer Erzählung ist es wichtig, wo solche pse_481.022 sekundäre Formen eingefügt sind. Es können ruckweise Einsprengungen pse_481.023 sein. Das bedeutet immer Verzögerung des Fortgangs, pse_481.024 und es führt dann zur Besinnung. Es kann durch solche pse_481.025 Einsprengungen sinnbildhafte Verdichtung erreicht werden, pse_481.026 ähnlich dem Chor in der Tragödie. Häufig sind solche Formen pse_481.027 Einleitung oder Schluß der ganzen Erzählung oder bestimmter pse_481.028 Teile. Damit erreicht der Dichter klare Gliederung des Gesamtbaus.
pse_481.029
pse_481.030 Eine weitere Frage aus der Struktur geht nach der Art, wie pse_481.031 solche Sekundärformen ins Ganze des Epischen eingefügt pse_481.032 sind. Sie können eine gleichnishafte Durchleuchtung gewisser pse_481.033 Teile bringen, als Symbole der Vertiefung oder auch der pse_481.034 Erwartung dienen, sie können einfach auch aus der Vorliebe pse_481.035 für Buntheit und Abwechslung oder auch aus bewußtem pse_481.036 Kontrast gesetzt sein. Landschaftsbilder stehen häufig in pse_481.037 engem Bezug zur Handlung, so die Gewitterstelle im "Werther". pse_481.038 Das kann zur Schablone werden, wenn etwa immer
pse_481.001 über die menschliche Schönheit in »Brigitta«. Hier tritt der pse_481.002 Erzählfortschritt zurück, thematische Zusammenhänge drängen pse_481.003 vor. Aus großer Nahsicht entsteht bei Zeitlosigkeit die pse_481.004 Beschreibung. Bekannt sind Stifters Beschreibungen der Taukatastrophe pse_481.005 in der Studienmappe, des Sonnenuntergangs in pse_481.006 der »Brigitta«. Solche Beschreibungen können sich der Betrachtung, pse_481.007 aber auch der szenischen Darstellung nähern. Sie pse_481.008 haben vielfach symbolische Aufgaben. So etwa die Entgegensetzung pse_481.009 der ewigen Natur und der menschlichen Vergänglichkeit pse_481.010 in Stifters »Hochwald«. Naturstimmungen und Landschaftsbilder pse_481.011 sind neben Darstellungen von Innenräumen die pse_481.012 bevorzugten Bereiche der Beschreibung. Aber es muß immer pse_481.013 die Funktion beachtet werden, die solche Teile in der Erzählung pse_481.014 haben: Hintergründe, Andeutungen, Rahmungen, pse_481.015 Einstimmung, vor allem natürlich symbolische Vertiefung. pse_481.016 Werden Überlegungen, die sich aus dem Fortgang der Handlung pse_481.017 aufdrängen, in eine gedrängte, zeitlose Form gebracht, pse_481.018 so entstehen die Sentenzen. Von ihnen aus können wir einen pse_481.019 Blick auf das Geschehen von besonderer Höhe aus gewinnen, pse_481.020 beinahe sub specie aeternitatis.
pse_481.021 Für die Anlage einer Erzählung ist es wichtig, wo solche pse_481.022 sekundäre Formen eingefügt sind. Es können ruckweise Einsprengungen pse_481.023 sein. Das bedeutet immer Verzögerung des Fortgangs, pse_481.024 und es führt dann zur Besinnung. Es kann durch solche pse_481.025 Einsprengungen sinnbildhafte Verdichtung erreicht werden, pse_481.026 ähnlich dem Chor in der Tragödie. Häufig sind solche Formen pse_481.027 Einleitung oder Schluß der ganzen Erzählung oder bestimmter pse_481.028 Teile. Damit erreicht der Dichter klare Gliederung des Gesamtbaus.
pse_481.029
pse_481.030 Eine weitere Frage aus der Struktur geht nach der Art, wie pse_481.031 solche Sekundärformen ins Ganze des Epischen eingefügt pse_481.032 sind. Sie können eine gleichnishafte Durchleuchtung gewisser pse_481.033 Teile bringen, als Symbole der Vertiefung oder auch der pse_481.034 Erwartung dienen, sie können einfach auch aus der Vorliebe pse_481.035 für Buntheit und Abwechslung oder auch aus bewußtem pse_481.036 Kontrast gesetzt sein. Landschaftsbilder stehen häufig in pse_481.037 engem Bezug zur Handlung, so die Gewitterstelle im »Werther«. pse_481.038 Das kann zur Schablone werden, wenn etwa immer
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0497"n="481"/><lbn="pse_481.001"/>
über die menschliche Schönheit in »Brigitta«. Hier tritt der <lbn="pse_481.002"/>
Erzählfortschritt zurück, thematische Zusammenhänge drängen <lbn="pse_481.003"/>
vor. Aus großer Nahsicht entsteht bei Zeitlosigkeit die <lbn="pse_481.004"/>
Beschreibung. Bekannt sind Stifters Beschreibungen der Taukatastrophe <lbn="pse_481.005"/>
in der Studienmappe, des Sonnenuntergangs in <lbn="pse_481.006"/>
der »Brigitta«. Solche Beschreibungen können sich der Betrachtung, <lbn="pse_481.007"/>
aber auch der szenischen Darstellung nähern. Sie <lbn="pse_481.008"/>
haben vielfach symbolische Aufgaben. So etwa die Entgegensetzung <lbn="pse_481.009"/>
der ewigen Natur und der menschlichen Vergänglichkeit <lbn="pse_481.010"/>
in Stifters »Hochwald«. Naturstimmungen und Landschaftsbilder <lbn="pse_481.011"/>
sind neben Darstellungen von Innenräumen die <lbn="pse_481.012"/>
bevorzugten Bereiche der Beschreibung. Aber es muß immer <lbn="pse_481.013"/>
die Funktion beachtet werden, die solche Teile in der Erzählung <lbn="pse_481.014"/>
haben: Hintergründe, Andeutungen, Rahmungen, <lbn="pse_481.015"/>
Einstimmung, vor allem natürlich symbolische Vertiefung. <lbn="pse_481.016"/>
Werden Überlegungen, die sich aus dem Fortgang der Handlung <lbn="pse_481.017"/>
aufdrängen, in eine gedrängte, zeitlose Form gebracht, <lbn="pse_481.018"/>
so entstehen die Sentenzen. Von ihnen aus können wir einen <lbn="pse_481.019"/>
Blick auf das Geschehen von besonderer Höhe aus gewinnen, <lbn="pse_481.020"/>
beinahe sub specie aeternitatis.</p><p><lbn="pse_481.021"/>
Für die Anlage einer Erzählung ist es wichtig, wo solche <lbn="pse_481.022"/>
sekundäre Formen eingefügt sind. Es können ruckweise Einsprengungen <lbn="pse_481.023"/>
sein. Das bedeutet immer Verzögerung des Fortgangs, <lbn="pse_481.024"/>
und es führt dann zur Besinnung. Es kann durch solche <lbn="pse_481.025"/>
Einsprengungen sinnbildhafte Verdichtung erreicht werden, <lbn="pse_481.026"/>
ähnlich dem Chor in der Tragödie. Häufig sind solche Formen <lbn="pse_481.027"/>
Einleitung oder Schluß der ganzen Erzählung oder bestimmter <lbn="pse_481.028"/>
Teile. Damit erreicht der Dichter klare Gliederung des Gesamtbaus.</p><lbn="pse_481.029"/><p><lbn="pse_481.030"/>
Eine weitere Frage aus der Struktur geht nach der Art, wie <lbn="pse_481.031"/>
solche Sekundärformen ins Ganze des Epischen eingefügt <lbn="pse_481.032"/>
sind. Sie können eine gleichnishafte Durchleuchtung gewisser <lbn="pse_481.033"/>
Teile bringen, als Symbole der Vertiefung oder auch der <lbn="pse_481.034"/>
Erwartung dienen, sie können einfach auch aus der Vorliebe <lbn="pse_481.035"/>
für Buntheit und Abwechslung oder auch aus bewußtem <lbn="pse_481.036"/>
Kontrast gesetzt sein. Landschaftsbilder stehen häufig in <lbn="pse_481.037"/>
engem Bezug zur Handlung, so die Gewitterstelle im »Werther«. <lbn="pse_481.038"/>
Das kann zur Schablone werden, wenn etwa immer
</p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[481/0497]
pse_481.001
über die menschliche Schönheit in »Brigitta«. Hier tritt der pse_481.002
Erzählfortschritt zurück, thematische Zusammenhänge drängen pse_481.003
vor. Aus großer Nahsicht entsteht bei Zeitlosigkeit die pse_481.004
Beschreibung. Bekannt sind Stifters Beschreibungen der Taukatastrophe pse_481.005
in der Studienmappe, des Sonnenuntergangs in pse_481.006
der »Brigitta«. Solche Beschreibungen können sich der Betrachtung, pse_481.007
aber auch der szenischen Darstellung nähern. Sie pse_481.008
haben vielfach symbolische Aufgaben. So etwa die Entgegensetzung pse_481.009
der ewigen Natur und der menschlichen Vergänglichkeit pse_481.010
in Stifters »Hochwald«. Naturstimmungen und Landschaftsbilder pse_481.011
sind neben Darstellungen von Innenräumen die pse_481.012
bevorzugten Bereiche der Beschreibung. Aber es muß immer pse_481.013
die Funktion beachtet werden, die solche Teile in der Erzählung pse_481.014
haben: Hintergründe, Andeutungen, Rahmungen, pse_481.015
Einstimmung, vor allem natürlich symbolische Vertiefung. pse_481.016
Werden Überlegungen, die sich aus dem Fortgang der Handlung pse_481.017
aufdrängen, in eine gedrängte, zeitlose Form gebracht, pse_481.018
so entstehen die Sentenzen. Von ihnen aus können wir einen pse_481.019
Blick auf das Geschehen von besonderer Höhe aus gewinnen, pse_481.020
beinahe sub specie aeternitatis.
pse_481.021
Für die Anlage einer Erzählung ist es wichtig, wo solche pse_481.022
sekundäre Formen eingefügt sind. Es können ruckweise Einsprengungen pse_481.023
sein. Das bedeutet immer Verzögerung des Fortgangs, pse_481.024
und es führt dann zur Besinnung. Es kann durch solche pse_481.025
Einsprengungen sinnbildhafte Verdichtung erreicht werden, pse_481.026
ähnlich dem Chor in der Tragödie. Häufig sind solche Formen pse_481.027
Einleitung oder Schluß der ganzen Erzählung oder bestimmter pse_481.028
Teile. Damit erreicht der Dichter klare Gliederung des Gesamtbaus.
pse_481.029
pse_481.030
Eine weitere Frage aus der Struktur geht nach der Art, wie pse_481.031
solche Sekundärformen ins Ganze des Epischen eingefügt pse_481.032
sind. Sie können eine gleichnishafte Durchleuchtung gewisser pse_481.033
Teile bringen, als Symbole der Vertiefung oder auch der pse_481.034
Erwartung dienen, sie können einfach auch aus der Vorliebe pse_481.035
für Buntheit und Abwechslung oder auch aus bewußtem pse_481.036
Kontrast gesetzt sein. Landschaftsbilder stehen häufig in pse_481.037
engem Bezug zur Handlung, so die Gewitterstelle im »Werther«. pse_481.038
Das kann zur Schablone werden, wenn etwa immer
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription.
(2015-09-30T09:54:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Weitere Informationen:
Bogensignaturen: keine Angabe;
Druckfehler: keine Angabe;
fremdsprachliches Material: gekennzeichnet;
Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;
Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage;
i/j in Fraktur: wie Vorlage;
I/J in Fraktur: wie Vorlage;
Kolumnentitel: nicht übernommen;
Kustoden: nicht übernommen;
langes s (ſ): wie Vorlage;
Normalisierungen: keine;
rundes r (ꝛ): wie Vorlage;
Seitenumbrüche markiert: ja;
Silbentrennung: nicht übernommen;
u/v bzw. U/V: wie Vorlage;
Vokale mit übergest. e: wie Vorlage;
Vollständigkeit: vollständig erfasst;
Zeichensetzung: wie Vorlage;
Zeilenumbrüche markiert: ja;
Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 481. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/497>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.