pse_469.001 innerseelischen Vorgänge: es entsteht ein Seelenroman pse_469.002 wie Hesses "Glasperlenspiel" oder der Bewußtseinsstrom entbindet pse_469.003 sich an äußerem Geschehen wie in den Romanen von pse_469.004 Broch, Proust und V. Woolf, oder er steuert sogar die äußere pse_469.005 Handlung wie manchmal bei Faulkner.
pse_469.006 Einen einmaligen, von Menschen gesteuerten Vorgang nennen pse_469.007 wir Handlung. Hier ist also die Entscheidungskraft des pse_469.008 Menschen der Anstoß, aber natürlich können auch andere Antriebe pse_469.009 hineinspielen. Bei der Handlung können wir den pse_469.010 Handlungsablauf und die Handlungsstränge unterscheiden. pse_469.011 Der Handlungsablauf ist zweifach gekennzeichnet: einmal pse_469.012 durch den Grundsatz der Reihung. Er ist gerade beim Epiker pse_469.013 sehr wichtig, der breit erzählt. Er schreitet dabei von einem pse_469.014 zum anderen fort, betrachtet aber zugleich alles aufmerksam. pse_469.015 Wenn in der Ilias ein neuer Held im Kampfgetümmel auftaucht, pse_469.016 reiht der Dichter trotz aller augenblicklichen Erregung pse_469.017 und allem Vorwärtsdrängen ruhig die Vorgeschichte und pse_469.018 frühere Geschichte des Helden an und setzt erst dann die pse_469.019 Kampfschilderung fort. Jedes Bild und jeder Vorgang wollen pse_469.020 da für sich betrachtet werden. So wird in dieser breiten Erzählform, pse_469.021 vor allem im Epos, die Fülle des Lebens durch Anreihung pse_469.022 der fülligen Worte und Bilder erreicht. Für jede pse_469.023 Epik, besonders aber für die knappe Erzählform, gilt noch ein pse_469.024 zweites Prinzip: die Spannung: vorangehende Glieder des pse_469.025 Handlungsablaufs spannen uns auf das Kommende. Dabei sind pse_469.026 Steigerungen möglich. Aber zwischen dramatischer und epischer pse_469.027 Spannung bestehen Unterschiede. Die dramatische pse_469.028 Spannung wächst aus der Urgespaltenheit der Welt, aus dem pse_469.029 Gegenüber der dargestellten Personen und aus dem Blick aufs pse_469.030 Ende. An Knotenpunkten verdichtet sich diese Spannung. pse_469.031 Ihr Gefühlston ist die Aufregung. Auch die Kurzepik (Ballade, pse_469.032 Novelle) kennt diese Möglichkeiten. Die rein epische Spannung pse_469.033 wächst aus der Aufeinanderfolge der Phasen, aus der pse_469.034 Erwartung der steigenden Fülle. Sie ist weniger heftig. Ihr pse_469.035 Gefühlston ist die Anregung.
pse_469.036 Die Handlungsstränge sind vor allem für die Großepik pse_469.037 wichtig. Die einzelnen Handlungsstränge einer Gesamthandlung pse_469.038 unterscheiden sich durch die verschiedene Zeit, in der
pse_469.001 innerseelischen Vorgänge: es entsteht ein Seelenroman pse_469.002 wie Hesses »Glasperlenspiel« oder der Bewußtseinsstrom entbindet pse_469.003 sich an äußerem Geschehen wie in den Romanen von pse_469.004 Broch, Proust und V. Woolf, oder er steuert sogar die äußere pse_469.005 Handlung wie manchmal bei Faulkner.
pse_469.006 Einen einmaligen, von Menschen gesteuerten Vorgang nennen pse_469.007 wir Handlung. Hier ist also die Entscheidungskraft des pse_469.008 Menschen der Anstoß, aber natürlich können auch andere Antriebe pse_469.009 hineinspielen. Bei der Handlung können wir den pse_469.010 Handlungsablauf und die Handlungsstränge unterscheiden. pse_469.011 Der Handlungsablauf ist zweifach gekennzeichnet: einmal pse_469.012 durch den Grundsatz der Reihung. Er ist gerade beim Epiker pse_469.013 sehr wichtig, der breit erzählt. Er schreitet dabei von einem pse_469.014 zum anderen fort, betrachtet aber zugleich alles aufmerksam. pse_469.015 Wenn in der Ilias ein neuer Held im Kampfgetümmel auftaucht, pse_469.016 reiht der Dichter trotz aller augenblicklichen Erregung pse_469.017 und allem Vorwärtsdrängen ruhig die Vorgeschichte und pse_469.018 frühere Geschichte des Helden an und setzt erst dann die pse_469.019 Kampfschilderung fort. Jedes Bild und jeder Vorgang wollen pse_469.020 da für sich betrachtet werden. So wird in dieser breiten Erzählform, pse_469.021 vor allem im Epos, die Fülle des Lebens durch Anreihung pse_469.022 der fülligen Worte und Bilder erreicht. Für jede pse_469.023 Epik, besonders aber für die knappe Erzählform, gilt noch ein pse_469.024 zweites Prinzip: die Spannung: vorangehende Glieder des pse_469.025 Handlungsablaufs spannen uns auf das Kommende. Dabei sind pse_469.026 Steigerungen möglich. Aber zwischen dramatischer und epischer pse_469.027 Spannung bestehen Unterschiede. Die dramatische pse_469.028 Spannung wächst aus der Urgespaltenheit der Welt, aus dem pse_469.029 Gegenüber der dargestellten Personen und aus dem Blick aufs pse_469.030 Ende. An Knotenpunkten verdichtet sich diese Spannung. pse_469.031 Ihr Gefühlston ist die Aufregung. Auch die Kurzepik (Ballade, pse_469.032 Novelle) kennt diese Möglichkeiten. Die rein epische Spannung pse_469.033 wächst aus der Aufeinanderfolge der Phasen, aus der pse_469.034 Erwartung der steigenden Fülle. Sie ist weniger heftig. Ihr pse_469.035 Gefühlston ist die Anregung.
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wie Hesses »Glasperlenspiel« oder der Bewußtseinsstrom entbindet pse_469.003
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Broch, Proust und V. Woolf, oder er steuert sogar die äußere pse_469.005
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Menschen der Anstoß, aber natürlich können auch andere Antriebe pse_469.009
hineinspielen. Bei der Handlung können wir den pse_469.010
Handlungsablauf und die Handlungsstränge unterscheiden. pse_469.011
Der Handlungsablauf ist zweifach gekennzeichnet: einmal pse_469.012
durch den Grundsatz der Reihung. Er ist gerade beim Epiker pse_469.013
sehr wichtig, der breit erzählt. Er schreitet dabei von einem pse_469.014
zum anderen fort, betrachtet aber zugleich alles aufmerksam. pse_469.015
Wenn in der Ilias ein neuer Held im Kampfgetümmel auftaucht, pse_469.016
reiht der Dichter trotz aller augenblicklichen Erregung pse_469.017
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Epik, besonders aber für die knappe Erzählform, gilt noch ein pse_469.024
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Spannung wächst aus der Urgespaltenheit der Welt, aus dem pse_469.029
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 469. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/485>, abgerufen am 22.11.2024.
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