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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959.

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nach den verschiedensten Gesichtspunkten in typische Grundformen pse_468.002
aufgegliedert werden. Nach dem Umriß können wir pse_468.003
zunächst einmal Vorgänge, in denen entscheidende Vorfälle pse_468.004
oder Situationen den Kern bilden, also Krisengeschichten pse_468.005
(z. B. Schwänke, Katastrophennovellen, aber auch Flauberts pse_468.006
"Madame Bovary") solchen gegenüberstellen, in denen das pse_468.007
Leben einer Hauptfigur erzählt wird (etwa Kolbenheyers pse_468.008
"Paracelsus" oder Geschichten ganzer Geschlechterfolgen wie pse_468.009
die Josephsromane Th. Manns). Oder auch solche Vorgänge, pse_468.010
in denen das äußere Geschehen vorherrscht wie etwa in Freytags pse_468.011
"Soll und Haben", und andere, in denen es verdeckt ist pse_468.012
durch Bewußtseinsvorgänge wie in Prousts Romanen. Nach pse_468.013
der Gruppierung, also nach der Anlage und Verkleidung des pse_468.014
Zeitgerüstes, gibt es auch verschiedene Möglichkeiten: das pse_468.015
plane Erzählen von Anfang bis Ende wie in Stifters "Witiko"; pse_468.016
das Umstellen in großen Blöcken, also auch nach anderen pse_468.017
Ordnungen als zeitlichen, wo mehrere Handlungsstränge pse_468.018
nebeneinander herlaufen, wo Früheres nachgeholt oder sogar pse_468.019
vom Ende her erzählt wird wie in Storms "Immensee". Es pse_468.020
können auch die Schicksale mehrerer Hauptfiguren erzählt pse_468.021
werden, entweder abwechselnd wie in Jean Pauls "Flegeljahren" pse_468.022
oder in einem Bündel beinahe gleichgeordneter Geschichten pse_468.023
wie in Th. Wilders "Brücke von St. Luis Rey". Die pse_468.024
Barockromane sind geradezu als mehrgleisig zu bezeichnen. pse_468.025
Endlich kann man unter diesem Gesichtspunkt beobachten, pse_468.026
wie manchmal Vorgänge in eine Art Kaleidoskop aufgesplittert pse_468.027
werden, so die panorama-artigen Milieuschilderungen pse_468.028
in Gutzkows "Rittern vom Geist" oder die Bewußtseinsassoziationen pse_468.029
in einem Roman Prousts oder gar ungesteuerte pse_468.030
Gedankenverbindungen wie etwa in Sternes "Tristam Shandy". pse_468.031
Ein letzter Gesichtspunkt, der uns eine Übersicht über die pse_468.032
möglichen epischen Vorgänge gibt, ist der nach dem Gewicht pse_468.033
des Vorgangs selbst. Ist der eigentliche Vorgang die Hauptsache, pse_468.034
so liegt eine Geschehniserzählung vor wie in den pse_468.035
Romanen Scotts oder den Novellen Kleists. Es kann dann um pse_468.036
den Vorgang ein Bild der Welt und der Gesellschaft aufgerollt pse_468.037
werden wie in Tolstojs "Krieg und Frieden". Endlich gibt der pse_468.038
äußere Vorgang nur mehr das Gerüst für die vorherrschenden

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aufgegliedert werden. Nach dem Umriß können wir pse_468.003
zunächst einmal Vorgänge, in denen entscheidende Vorfälle pse_468.004
oder Situationen den Kern bilden, also Krisengeschichten pse_468.005
(z. B. Schwänke, Katastrophennovellen, aber auch Flauberts pse_468.006
»Madame Bovary«) solchen gegenüberstellen, in denen das pse_468.007
Leben einer Hauptfigur erzählt wird (etwa Kolbenheyers pse_468.008
»Paracelsus« oder Geschichten ganzer Geschlechterfolgen wie pse_468.009
die Josephsromane Th. Manns). Oder auch solche Vorgänge, pse_468.010
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»Soll und Haben«, und andere, in denen es verdeckt ist pse_468.012
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der Gruppierung, also nach der Anlage und Verkleidung des pse_468.014
Zeitgerüstes, gibt es auch verschiedene Möglichkeiten: das pse_468.015
plane Erzählen von Anfang bis Ende wie in Stifters »Witiko«; pse_468.016
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vom Ende her erzählt wird wie in Storms »Immensee«. Es pse_468.020
können auch die Schicksale mehrerer Hauptfiguren erzählt pse_468.021
werden, entweder abwechselnd wie in Jean Pauls »Flegeljahren« pse_468.022
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wie in Th. Wilders »Brücke von St. Luis Rey«. Die pse_468.024
Barockromane sind geradezu als mehrgleisig zu bezeichnen. pse_468.025
Endlich kann man unter diesem Gesichtspunkt beobachten, pse_468.026
wie manchmal Vorgänge in eine Art Kaleidoskop aufgesplittert pse_468.027
werden, so die panorama-artigen Milieuschilderungen pse_468.028
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in einem Roman Prousts oder gar ungesteuerte pse_468.030
Gedankenverbindungen wie etwa in Sternes »Tristam Shandy«. pse_468.031
Ein letzter Gesichtspunkt, der uns eine Übersicht über die pse_468.032
möglichen epischen Vorgänge gibt, ist der nach dem Gewicht pse_468.033
des Vorgangs selbst. Ist der eigentliche Vorgang die Hauptsache, pse_468.034
so liegt eine Geschehniserzählung vor wie in den pse_468.035
Romanen Scotts oder den Novellen Kleists. Es kann dann um pse_468.036
den Vorgang ein Bild der Welt und der Gesellschaft aufgerollt pse_468.037
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[468/0484] pse_468.001 nach den verschiedensten Gesichtspunkten in typische Grundformen pse_468.002 aufgegliedert werden. Nach dem Umriß können wir pse_468.003 zunächst einmal Vorgänge, in denen entscheidende Vorfälle pse_468.004 oder Situationen den Kern bilden, also Krisengeschichten pse_468.005 (z. B. Schwänke, Katastrophennovellen, aber auch Flauberts pse_468.006 »Madame Bovary«) solchen gegenüberstellen, in denen das pse_468.007 Leben einer Hauptfigur erzählt wird (etwa Kolbenheyers pse_468.008 »Paracelsus« oder Geschichten ganzer Geschlechterfolgen wie pse_468.009 die Josephsromane Th. Manns). Oder auch solche Vorgänge, pse_468.010 in denen das äußere Geschehen vorherrscht wie etwa in Freytags pse_468.011 »Soll und Haben«, und andere, in denen es verdeckt ist pse_468.012 durch Bewußtseinsvorgänge wie in Prousts Romanen. Nach pse_468.013 der Gruppierung, also nach der Anlage und Verkleidung des pse_468.014 Zeitgerüstes, gibt es auch verschiedene Möglichkeiten: das pse_468.015 plane Erzählen von Anfang bis Ende wie in Stifters »Witiko«; pse_468.016 das Umstellen in großen Blöcken, also auch nach anderen pse_468.017 Ordnungen als zeitlichen, wo mehrere Handlungsstränge pse_468.018 nebeneinander herlaufen, wo Früheres nachgeholt oder sogar pse_468.019 vom Ende her erzählt wird wie in Storms »Immensee«. Es pse_468.020 können auch die Schicksale mehrerer Hauptfiguren erzählt pse_468.021 werden, entweder abwechselnd wie in Jean Pauls »Flegeljahren« pse_468.022 oder in einem Bündel beinahe gleichgeordneter Geschichten pse_468.023 wie in Th. Wilders »Brücke von St. Luis Rey«. Die pse_468.024 Barockromane sind geradezu als mehrgleisig zu bezeichnen. pse_468.025 Endlich kann man unter diesem Gesichtspunkt beobachten, pse_468.026 wie manchmal Vorgänge in eine Art Kaleidoskop aufgesplittert pse_468.027 werden, so die panorama-artigen Milieuschilderungen pse_468.028 in Gutzkows »Rittern vom Geist« oder die Bewußtseinsassoziationen pse_468.029 in einem Roman Prousts oder gar ungesteuerte pse_468.030 Gedankenverbindungen wie etwa in Sternes »Tristam Shandy«. pse_468.031 Ein letzter Gesichtspunkt, der uns eine Übersicht über die pse_468.032 möglichen epischen Vorgänge gibt, ist der nach dem Gewicht pse_468.033 des Vorgangs selbst. Ist der eigentliche Vorgang die Hauptsache, pse_468.034 so liegt eine Geschehniserzählung vor wie in den pse_468.035 Romanen Scotts oder den Novellen Kleists. Es kann dann um pse_468.036 den Vorgang ein Bild der Welt und der Gesellschaft aufgerollt pse_468.037 werden wie in Tolstojs »Krieg und Frieden«. Endlich gibt der pse_468.038 äußere Vorgang nur mehr das Gerüst für die vorherrschenden

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Zitationshilfe: Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 468. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/484>, abgerufen am 22.11.2024.