pse_032.001 Erregung, vom Gemüthaften des Zeugen gestalten. Und wenn pse_032.002 von den zwei sich begegnenden Bekannten der eine dem pse_032.003 anderen mitteilt, daß er das große Los gewonnen habe, wird pse_032.004 es auch keine "reine" Sachdarstellung sein. Man horche auf pse_032.005 das Gekeife von Marktweibern, auf den Streit von Gassenjungen, pse_032.006 und man wird überzeugt sein, daß auch noch in der pse_032.007 Alltagssprache Entfaltung aller Kräfte der Sprache vorkommt. pse_032.008 Und noch in der reinsten Dichtung ist ein letzter rationaler pse_032.009 Kern eben in dem enthalten, was wir die Wortbedeutung pse_032.010 nennen. Sondern wir sehen eine Linie allmählicher Übergänge pse_032.011 vor uns, an deren einem Ende die Mitteilung steht "Morgen pse_032.012 findet auf dem Dorfplatz ein Schweinemarkt statt" und an pse_032.013 deren anderem die Engelchöre aus Goethes Faust II erklingen. pse_032.014 Und wir verdichten diese beiden Grenzen zu Typen, in denen pse_032.015 wir bestimmte Sprachgestaltungen möglichst rein und scharf pse_032.016 fassen und gleichsam über die alltägliche Wirklichkeit in die pse_032.017 Bereiche des Allgemeinen, Ideellen heben. Mögen sie auch pse_032.018 im alltäglichen Sprachleben sehr selten sein -- ganz fehlen sie pse_032.019 nie! -- sie helfen uns, die Struktur tatsächlicher Sprachgebilde pse_032.020 und Sprachwerke in ihrer Art besser zu erkennen. Wir haben pse_032.021 einen Hintergrund, auf dem die Eigenart eines Gedichtes pse_032.022 klarer von der einer Sachdarstellung abgehoben werden pse_032.023 kann.
pse_032.024 Selbstverständlich gibt es Sprachwerke, die beide Strukturen pse_032.025 vereinigen: Sachdarstellung und Sprachkunst. Es kommt pse_032.026 dann darauf an, welche in der Sprachgebung das entscheidende pse_032.027 Gewicht hat. Unsere Aufstellung von Idealtypen gestattet, pse_032.028 gerade auch solche Gebilde zu charakterisieren. Diese Scheidung pse_032.029 deckt sich nicht mit der Einteilung menschlicher Leistungen pse_032.030 nach dem Wertgesichtspunkt, etwa wirtschaftliche, pse_032.031 wissenschaftliche, soziale, vitale und religiöse Werte und die pse_032.032 dazugehörigen Leistungen. Unsere Scheidung geht vom pse_032.033 Sprachlichen aus. Sie überschneidet sich mit der nach Wertklassen pse_032.034 vielfach. Denn sie fragt immer: welchen Sinn hat in pse_032.035 diesem Sprachwerk die Sprache. Dient sie zum Mitteilen von pse_032.036 etwas Außersprachlichem, dann ist es Sachdarstellung. Dieses pse_032.037 Außersprachliche kann ein wirtschaftliches, ein politisches, pse_032.038 ein technisches, ein religiöses Werk sein. Wird aber in der
pse_032.001 Erregung, vom Gemüthaften des Zeugen gestalten. Und wenn pse_032.002 von den zwei sich begegnenden Bekannten der eine dem pse_032.003 anderen mitteilt, daß er das große Los gewonnen habe, wird pse_032.004 es auch keine »reine« Sachdarstellung sein. Man horche auf pse_032.005 das Gekeife von Marktweibern, auf den Streit von Gassenjungen, pse_032.006 und man wird überzeugt sein, daß auch noch in der pse_032.007 Alltagssprache Entfaltung aller Kräfte der Sprache vorkommt. pse_032.008 Und noch in der reinsten Dichtung ist ein letzter rationaler pse_032.009 Kern eben in dem enthalten, was wir die Wortbedeutung pse_032.010 nennen. Sondern wir sehen eine Linie allmählicher Übergänge pse_032.011 vor uns, an deren einem Ende die Mitteilung steht »Morgen pse_032.012 findet auf dem Dorfplatz ein Schweinemarkt statt« und an pse_032.013 deren anderem die Engelchöre aus Goethes Faust II erklingen. pse_032.014 Und wir verdichten diese beiden Grenzen zu Typen, in denen pse_032.015 wir bestimmte Sprachgestaltungen möglichst rein und scharf pse_032.016 fassen und gleichsam über die alltägliche Wirklichkeit in die pse_032.017 Bereiche des Allgemeinen, Ideellen heben. Mögen sie auch pse_032.018 im alltäglichen Sprachleben sehr selten sein — ganz fehlen sie pse_032.019 nie! — sie helfen uns, die Struktur tatsächlicher Sprachgebilde pse_032.020 und Sprachwerke in ihrer Art besser zu erkennen. Wir haben pse_032.021 einen Hintergrund, auf dem die Eigenart eines Gedichtes pse_032.022 klarer von der einer Sachdarstellung abgehoben werden pse_032.023 kann.
pse_032.024 Selbstverständlich gibt es Sprachwerke, die beide Strukturen pse_032.025 vereinigen: Sachdarstellung und Sprachkunst. Es kommt pse_032.026 dann darauf an, welche in der Sprachgebung das entscheidende pse_032.027 Gewicht hat. Unsere Aufstellung von Idealtypen gestattet, pse_032.028 gerade auch solche Gebilde zu charakterisieren. Diese Scheidung pse_032.029 deckt sich nicht mit der Einteilung menschlicher Leistungen pse_032.030 nach dem Wertgesichtspunkt, etwa wirtschaftliche, pse_032.031 wissenschaftliche, soziale, vitale und religiöse Werte und die pse_032.032 dazugehörigen Leistungen. Unsere Scheidung geht vom pse_032.033 Sprachlichen aus. Sie überschneidet sich mit der nach Wertklassen pse_032.034 vielfach. Denn sie fragt immer: welchen Sinn hat in pse_032.035 diesem Sprachwerk die Sprache. Dient sie zum Mitteilen von pse_032.036 etwas Außersprachlichem, dann ist es Sachdarstellung. Dieses pse_032.037 Außersprachliche kann ein wirtschaftliches, ein politisches, pse_032.038 ein technisches, ein religiöses Werk sein. Wird aber in der
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pse_032.001
Erregung, vom Gemüthaften des Zeugen gestalten. Und wenn pse_032.002
von den zwei sich begegnenden Bekannten der eine dem pse_032.003
anderen mitteilt, daß er das große Los gewonnen habe, wird pse_032.004
es auch keine »reine« Sachdarstellung sein. Man horche auf pse_032.005
das Gekeife von Marktweibern, auf den Streit von Gassenjungen, pse_032.006
und man wird überzeugt sein, daß auch noch in der pse_032.007
Alltagssprache Entfaltung aller Kräfte der Sprache vorkommt. pse_032.008
Und noch in der reinsten Dichtung ist ein letzter rationaler pse_032.009
Kern eben in dem enthalten, was wir die Wortbedeutung pse_032.010
nennen. Sondern wir sehen eine Linie allmählicher Übergänge pse_032.011
vor uns, an deren einem Ende die Mitteilung steht »Morgen pse_032.012
findet auf dem Dorfplatz ein Schweinemarkt statt« und an pse_032.013
deren anderem die Engelchöre aus Goethes Faust II erklingen. pse_032.014
Und wir verdichten diese beiden Grenzen zu Typen, in denen pse_032.015
wir bestimmte Sprachgestaltungen möglichst rein und scharf pse_032.016
fassen und gleichsam über die alltägliche Wirklichkeit in die pse_032.017
Bereiche des Allgemeinen, Ideellen heben. Mögen sie auch pse_032.018
im alltäglichen Sprachleben sehr selten sein — ganz fehlen sie pse_032.019
nie! — sie helfen uns, die Struktur tatsächlicher Sprachgebilde pse_032.020
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einen Hintergrund, auf dem die Eigenart eines Gedichtes pse_032.022
klarer von der einer Sachdarstellung abgehoben werden pse_032.023
kann.
pse_032.024
Selbstverständlich gibt es Sprachwerke, die beide Strukturen pse_032.025
vereinigen: Sachdarstellung und Sprachkunst. Es kommt pse_032.026
dann darauf an, welche in der Sprachgebung das entscheidende pse_032.027
Gewicht hat. Unsere Aufstellung von Idealtypen gestattet, pse_032.028
gerade auch solche Gebilde zu charakterisieren. Diese Scheidung pse_032.029
deckt sich nicht mit der Einteilung menschlicher Leistungen pse_032.030
nach dem Wertgesichtspunkt, etwa wirtschaftliche, pse_032.031
wissenschaftliche, soziale, vitale und religiöse Werte und die pse_032.032
dazugehörigen Leistungen. Unsere Scheidung geht vom pse_032.033
Sprachlichen aus. Sie überschneidet sich mit der nach Wertklassen pse_032.034
vielfach. Denn sie fragt immer: welchen Sinn hat in pse_032.035
diesem Sprachwerk die Sprache. Dient sie zum Mitteilen von pse_032.036
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Außersprachliche kann ein wirtschaftliches, ein politisches, pse_032.038
ein technisches, ein religiöses Werk sein. Wird aber in der
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/48>, abgerufen am 30.01.2025.
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