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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959.

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englischen Lehrdichtungen finden wir dichterische Darstellungen pse_453.002
der Geologie, des Vulkanismus, der Wetterkunde usw. pse_453.003
Mit anderen Worten: Zustände und Vorgänge in der großen pse_453.004
Natur können so tief erlebt werden, daß sie aus diesem Erleben pse_453.005
heraus in dichterischer Form neu geschaffen werden. pse_453.006
Dann kann echte Dichtung entstehen. Wenn es dem Gelehrten pse_453.007
allerdings nur darauf ankäme, in angenehmer Versform pse_453.008
Wissen zu vermitteln, dann würde der dichterische Wert pse_453.009
eines solchen Gebildes wohl fraglich sein.

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Schon die Verse Hallers haben gezeigt, daß hier keine bloße pse_453.011
Beschreibung vorliegt, sondern Deutung und Vertiefung des pse_453.012
Gesehenen in der sprachlichen Neugestaltung. Von hier geht pse_453.013
es hinüber zu einer Form der Lehrdichtung, in der nun eindringlich pse_453.014
hinter dem Betrachteten und Gezeigten im Aufbau pse_453.015
einer Ordnung ein Weltbild sichtbar wird; die ewigen Gesetze pse_453.016
der Schöpfung wirken sich im Vordergründigen aus, aber pse_453.017
alles in der Sicht eines Menschen. Wir können von Weltbildöffnung pse_453.018
in solcher Dichtung sprechen. Der Blick kann sich pse_453.019
dabei auf verschiedene Bereiche der Wirklichkeit um uns pse_453.020
richten. Vielleicht darf man schon Platons Dialoge in ihrer pse_453.021
künstlerischen Vollendung unter diese Gruppe von Lehrdichtungen pse_453.022
rechnen. In ihnen scheint die Verschmelzung pse_453.023
theoretischer Schau und dichterischer Gestaltung einmal gelungen. pse_453.024
Wohl auch deshalb, weil ja sein Weltbild mit dem pse_453.025
Blick auf die ewigen Ideen an sich schon im Bereich des pse_453.026
Ästhetischen liegt. Eine ganz andere Form bieten die berühmten pse_453.027
politischen Sprüche Walthers, vor allem die drei Reichstöne. pse_453.028
Auf dem Hintergrund eines weiten und eindringlichen pse_453.029
Naturbildes ersteht ihm die Not und Unordnung des deutschen pse_453.030
Volkes. So wirkt der zweite Reichston; es ist ein lauter pse_453.031
Ruf um Rettung, also stark lyrisch gebaut. Aus diesem Ruf pse_453.032
aber ersteht eine Lehre: die Notwendigkeit der Ordnung, der pse_453.033
Lenkung, des Herrschertums. Hier gelingt es also Walther aus pse_453.034
tiefem inneren Erleben, das bis zur Erschütterung führt, eine pse_453.035
neue Ordnung als wünschenswert aufzubauen, aus den Kräften pse_453.036
der Sprache und Dichtung.

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Während in Walthers Sprüchen die politische Ordnung der pse_453.038
Menschenwelt in knappen Bildern gestaltet wird als mangelhafte

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englischen Lehrdichtungen finden wir dichterische Darstellungen pse_453.002
der Geologie, des Vulkanismus, der Wetterkunde usw. pse_453.003
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Natur können so tief erlebt werden, daß sie aus diesem Erleben pse_453.005
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Dann kann echte Dichtung entstehen. Wenn es dem Gelehrten pse_453.007
allerdings nur darauf ankäme, in angenehmer Versform pse_453.008
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eines solchen Gebildes wohl fraglich sein.

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Schon die Verse Hallers haben gezeigt, daß hier keine bloße pse_453.011
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Gesehenen in der sprachlichen Neugestaltung. Von hier geht pse_453.013
es hinüber zu einer Form der Lehrdichtung, in der nun eindringlich pse_453.014
hinter dem Betrachteten und Gezeigten im Aufbau pse_453.015
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Wohl auch deshalb, weil ja sein Weltbild mit dem pse_453.025
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politischen Sprüche Walthers, vor allem die drei Reichstöne. pse_453.028
Auf dem Hintergrund eines weiten und eindringlichen pse_453.029
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Ruf um Rettung, also stark lyrisch gebaut. Aus diesem Ruf pse_453.032
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Lenkung, des Herrschertums. Hier gelingt es also Walther aus pse_453.034
tiefem inneren Erleben, das bis zur Erschütterung führt, eine pse_453.035
neue Ordnung als wünschenswert aufzubauen, aus den Kräften pse_453.036
der Sprache und Dichtung.

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Zitationshilfe: Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 453. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/469>, abgerufen am 22.11.2024.