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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959.

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pse_403.001
Mit lust thet ich außreiten, pse_403.002
durch einen grünen wald, pse_403.003
darinn hört ich singen, pse_403.004
singen, pse_403.005
drey vögelein wol gestalt.
pse_403.006
Es seind doch nicht drey vögelein, pse_403.007
es seind drey jungfrewlein, pse_403.008
sol mir das eine nicht werden, pse_403.009
werden, pse_403.010
gilt mir das leben mein.
pse_403.011
Das erst das heißet Elselein. pse_403.012
das ander heißt Bärberlein, pse_403.013
das dritt hat keinen namen, pse_403.014
namen, pse_403.015
das mus mein eigen sein.
pse_403.016

So bilden sich auch feste architektonische Strukturen, die pse_403.017
jedem Volkslied ein unverkennbares Gesamtgepräge geben. pse_403.018
Aus der deutlichen Geformtheit, die ja durch die Melodie pse_403.019
mitgegeben ist, entstehen dann u. a. die mannigfaltigen pse_403.020
Formeln der Wiederholung usw. Aus dieser einfachen, aber pse_403.021
klaren Geprägtheit erwachsen weiter bestimmte Symbole und pse_403.022
Motive, die immer wiederkehren. Aber auch eine gewisse pse_403.023
Sprunghaftigkeit geht daraus hervor: geprägte und sinnvolle pse_403.024
Bilder fügen sich zu immer höheren Einheiten zusammen, pse_403.025
Übergänge und Zwischenglieder sind da nicht nötig und pse_403.026
würden sogar stören.

pse_403.027
Im Lauf der Zeit haben sich zwei andere Formen entwikkelt, pse_403.028
die manche Beziehungen zum Volkslied haben: der pse_403.029
Gassenhauer und der Schlager. Aber auch diese beiden sind pse_403.030
trotz mancher Zwischenformen deutlich zu unterscheiden. pse_403.031
Beide sind nicht so langlebig wie ein echtes Volkslied. Der pse_403.032
Gassenhauer hängt mit einer bestimmten sozialen Schicht zusammen, pse_403.033
er wird mit der Zeit ausgesprochen proletisch. Die pse_403.034
Sprache ist derb, oft zotig, die erfaßte Wirklichkeit gehört pse_403.035
den unteren Bereichen an. Dabei ist aber der Gassenhauer pse_403.036
eine ausgesprochen städtische, ja später sogar großstädtische pse_403.037
Erscheinung. Darin liegt auch der Bezug zum Schlager.

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Dieser ist modern, hängt aufs engste mit der Zivilisation pse_403.039
und der Vermassung zusammen. Hier geht es nicht mehr um

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[403/0419] pse_403.001 Mit lust thet ich außreiten, pse_403.002 durch einen grünen wald, pse_403.003 darinn hört ich singen, pse_403.004 singen, pse_403.005 drey vögelein wol gestalt. pse_403.006 Es seind doch nicht drey vögelein, pse_403.007 es seind drey jungfrewlein, pse_403.008 sol mir das eine nicht werden, pse_403.009 werden, pse_403.010 gilt mir das leben mein. pse_403.011 Das erst das heißet Elselein. pse_403.012 das ander heißt Bärberlein, pse_403.013 das dritt hat keinen namen, pse_403.014 namen, pse_403.015 das mus mein eigen sein. pse_403.016 So bilden sich auch feste architektonische Strukturen, die pse_403.017 jedem Volkslied ein unverkennbares Gesamtgepräge geben. pse_403.018 Aus der deutlichen Geformtheit, die ja durch die Melodie pse_403.019 mitgegeben ist, entstehen dann u. a. die mannigfaltigen pse_403.020 Formeln der Wiederholung usw. Aus dieser einfachen, aber pse_403.021 klaren Geprägtheit erwachsen weiter bestimmte Symbole und pse_403.022 Motive, die immer wiederkehren. Aber auch eine gewisse pse_403.023 Sprunghaftigkeit geht daraus hervor: geprägte und sinnvolle pse_403.024 Bilder fügen sich zu immer höheren Einheiten zusammen, pse_403.025 Übergänge und Zwischenglieder sind da nicht nötig und pse_403.026 würden sogar stören. pse_403.027 Im Lauf der Zeit haben sich zwei andere Formen entwikkelt, pse_403.028 die manche Beziehungen zum Volkslied haben: der pse_403.029 Gassenhauer und der Schlager. Aber auch diese beiden sind pse_403.030 trotz mancher Zwischenformen deutlich zu unterscheiden. pse_403.031 Beide sind nicht so langlebig wie ein echtes Volkslied. Der pse_403.032 Gassenhauer hängt mit einer bestimmten sozialen Schicht zusammen, pse_403.033 er wird mit der Zeit ausgesprochen proletisch. Die pse_403.034 Sprache ist derb, oft zotig, die erfaßte Wirklichkeit gehört pse_403.035 den unteren Bereichen an. Dabei ist aber der Gassenhauer pse_403.036 eine ausgesprochen städtische, ja später sogar großstädtische pse_403.037 Erscheinung. Darin liegt auch der Bezug zum Schlager. pse_403.038 Dieser ist modern, hängt aufs engste mit der Zivilisation pse_403.039 und der Vermassung zusammen. Hier geht es nicht mehr um

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Zitationshilfe: Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 403. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/419>, abgerufen am 22.11.2024.