pse_401.001 ist und bleibt, oder ob es nur besonders künstlerisch aufgeschlossenen pse_401.002 Menschen in seinem Wert sich öffnet. Natürlich pse_401.003 gibt es Übergänge. Aber die letzten Hymnen Hölderlins, pse_401.004 Rilkes "Duineser Elegien" und "Sonette an Orpheus", Goethes pse_401.005 Gedichte in der Gruppe "Gott und Welt" usw. sind sicher nicht pse_401.006 volkstümlich. Daran können wir die Unterschiede beobachten. pse_401.007 Es kommt nicht auf die Größe des Kreises an, in dem pse_401.008 Lieder lebendig sind. Bergmannslieder sind Volkslieder und pse_401.009 doch nur in einem engen Kreis wirklich gesungen. Aber es pse_401.010 gibt lyrische Gedichte, die ausschließlich denen zugänglich pse_401.011 sind, die hoher Kunst aufgeschlossen sind. Dieser Kreis ist pse_401.012 durchaus nicht fest, er kann durch Bildungsarbeit erweitert pse_401.013 werden. Das Wesentliche solcher Lyrik ist nicht etwa der pse_401.014 Umstand, daß rein individuelle Gehalte gestaltet sind, sondern pse_401.015 daß es Gehalte sind, die nur dem aufgehen, der sich etwas pse_401.016 gründlicher mit der Welt geistig auseinandersetzt. Und die pse_401.017 Kunstform selbst ist nicht schlicht und einfach. Um ihre pse_401.018 Werte zu erleben und damit das Gedicht erst ganz zu erfassen, pse_401.019 muß auch hier Aufgeschlossenheit gegenüber allen Feinheiten pse_401.020 und Höhen künstlerischer Gestaltung vorausgesetzt werden. pse_401.021 So könnte der Ausdruck Kunstlyrik mit Vorsicht gebraucht pse_401.022 werden, weil in solchen Gedichten das Künstlerische in viel pse_401.023 reicherer und strengerer Weise durchbricht. Das kann bis zur pse_401.024 Künstlichkeit führen, die dem echten Volkslied fremd ist. pse_401.025 Und individuell mag man solche Lyrik auch deshalb nennen, pse_401.026 weil sie sich vor allem dem einzelnen in seinem Versenken ins pse_401.027 Gedicht erschließt, nicht so sehr in einem Gemeinschaftserlebnis. pse_401.028 Gedichte Stefan Georges werden zwar der George- pse_401.029 Gemeinde in gemeinsamem Hören oder Lesen ein tiefes pse_401.030 Erleben sein, aber nur über die innere Bereitschaft und Vorbereitetheit pse_401.031 jedes einzelnen, der also von vornherein darauf pse_401.032 eingestellt ist, während ein Volkslied oft erst die Singenden pse_401.033 für den Augenblick zur Gemeinschaft zusammenschließt. Die pse_401.034 Grenzen aber bleiben fließend, ohne daß damit Wertunterschiede pse_401.035 gesetzt wären. Man denke an so viele Gedichte pse_401.036 Eichendorffs. Immer aber wird in der individuellen Kunstlyrik pse_401.037 das allgemein Menschliche auch eingeformt sein, der pse_401.038 Mensch als solcher wird immer angesprochen werden.
pse_401.001 ist und bleibt, oder ob es nur besonders künstlerisch aufgeschlossenen pse_401.002 Menschen in seinem Wert sich öffnet. Natürlich pse_401.003 gibt es Übergänge. Aber die letzten Hymnen Hölderlins, pse_401.004 Rilkes »Duineser Elegien« und »Sonette an Orpheus«, Goethes pse_401.005 Gedichte in der Gruppe »Gott und Welt« usw. sind sicher nicht pse_401.006 volkstümlich. Daran können wir die Unterschiede beobachten. pse_401.007 Es kommt nicht auf die Größe des Kreises an, in dem pse_401.008 Lieder lebendig sind. Bergmannslieder sind Volkslieder und pse_401.009 doch nur in einem engen Kreis wirklich gesungen. Aber es pse_401.010 gibt lyrische Gedichte, die ausschließlich denen zugänglich pse_401.011 sind, die hoher Kunst aufgeschlossen sind. Dieser Kreis ist pse_401.012 durchaus nicht fest, er kann durch Bildungsarbeit erweitert pse_401.013 werden. Das Wesentliche solcher Lyrik ist nicht etwa der pse_401.014 Umstand, daß rein individuelle Gehalte gestaltet sind, sondern pse_401.015 daß es Gehalte sind, die nur dem aufgehen, der sich etwas pse_401.016 gründlicher mit der Welt geistig auseinandersetzt. Und die pse_401.017 Kunstform selbst ist nicht schlicht und einfach. Um ihre pse_401.018 Werte zu erleben und damit das Gedicht erst ganz zu erfassen, pse_401.019 muß auch hier Aufgeschlossenheit gegenüber allen Feinheiten pse_401.020 und Höhen künstlerischer Gestaltung vorausgesetzt werden. pse_401.021 So könnte der Ausdruck Kunstlyrik mit Vorsicht gebraucht pse_401.022 werden, weil in solchen Gedichten das Künstlerische in viel pse_401.023 reicherer und strengerer Weise durchbricht. Das kann bis zur pse_401.024 Künstlichkeit führen, die dem echten Volkslied fremd ist. pse_401.025 Und individuell mag man solche Lyrik auch deshalb nennen, pse_401.026 weil sie sich vor allem dem einzelnen in seinem Versenken ins pse_401.027 Gedicht erschließt, nicht so sehr in einem Gemeinschaftserlebnis. pse_401.028 Gedichte Stefan Georges werden zwar der George- pse_401.029 Gemeinde in gemeinsamem Hören oder Lesen ein tiefes pse_401.030 Erleben sein, aber nur über die innere Bereitschaft und Vorbereitetheit pse_401.031 jedes einzelnen, der also von vornherein darauf pse_401.032 eingestellt ist, während ein Volkslied oft erst die Singenden pse_401.033 für den Augenblick zur Gemeinschaft zusammenschließt. Die pse_401.034 Grenzen aber bleiben fließend, ohne daß damit Wertunterschiede pse_401.035 gesetzt wären. Man denke an so viele Gedichte pse_401.036 Eichendorffs. Immer aber wird in der individuellen Kunstlyrik pse_401.037 das allgemein Menschliche auch eingeformt sein, der pse_401.038 Mensch als solcher wird immer angesprochen werden.
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reicherer und strengerer Weise durchbricht. Das kann bis zur pse_401.024
Künstlichkeit führen, die dem echten Volkslied fremd ist. pse_401.025
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für den Augenblick zur Gemeinschaft zusammenschließt. Die pse_401.034
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 401. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/417>, abgerufen am 22.11.2024.
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