pse_385.001 diese Vorgänge sind die vom lyrischen Ich ergriffenen Weltbereiche, pse_385.002 sind sein unmittelbares Erlebnis. Eine andere Überlegung pse_385.003 kann noch weiter klären. Im bekannten Rilke-Gedicht pse_385.004 "Der Panther" werden in jeder Strophe Vorgänge gestaltet: in pse_385.005 der ersten das Schauen, in der zweiten das Schreiten des Panthers pse_385.006 im Käfig. In der dritten Strophe das erregend geschilderte pse_385.007 Hineinschreiten eines Bildes in das Innere und sein Sterben. pse_385.008 Und doch kann auch hier nicht von einem Vorgang in pse_385.009 seiner Geschlossenheit gesprochen werden. Zunächst sind es pse_385.010 drei verschiedene, die sich nicht zur Geschlossenheit eines umfassenden pse_385.011 Vorgangs zusammenfinden, und dann sind es wiederholte pse_385.012 Vorgänge, auch der dritte wird mit "manchmal" eingeleitet. pse_385.013 Mit der Darstellung von etwas Dauerndem verliert das pse_385.014 Ganze den Eindruck einer geschlossenen Vorgangswelt, die pse_385.015 dargestellt wird, es ist eine Art Zustand, der dem Dichter pse_385.016 einen tiefen Eindruck macht und den er mit diesem Eindruck pse_385.017 formt. Die lyrischen Einlagen in epischen Dichtungen geben pse_385.018 auch Gelegenheit, sich auf das Wesen des Lyrischen zu besinnen. pse_385.019 Man kann zwei Arten unterscheiden. Das eine Mal pse_385.020 werden sie den Personen der Erzählung in den Mund gelegt. pse_385.021 Es ist also eine echte lyrische Gestaltung aus dem Erleben pse_385.022 einer Person. Wenn dagegen, wie oft bei Eichendorff, aber pse_385.023 nicht immer, und auch bei anderen Romantikern, die Erzählung pse_385.024 unterbrochen wird durch ein lyrisches Gedicht, so liegt pse_385.025 ein anderer Fall vor. Es muß nicht unbedingt ein Bruch in der pse_385.026 epischen Kunstform sein, obwohl das in der schablonenhaften pse_385.027 Verwendung lyrischer Einlagen in manchen pseudoromantischen pse_385.028 Erzählungen durchaus der Fall ist. Wenn das pse_385.029 lyrische Gedicht nicht einer Person der Erzählung zugewiesen pse_385.030 werden kann, dann ist es der Erzähler, der nun zu singen pse_385.031 beginnt. Er ist selbst gleichsam vom Erzählten ergriffen, so pse_385.032 wie oft der Balladendichter, und singt aus dieser Ergriffenheit pse_385.033 heraus. Sicher wird der epische Fortgang unterbrochen, pse_385.034 genau so wie in der griechischen Tragödie die Handlung pse_385.035 durch die Chorhymnen. Das kann zunächst die rein menschliche pse_385.036 Stimmung des ganzen Kunstwerks eindringlicher machen, pse_385.037 es kann aber auch wirkungsvolle Pausen, Entspannungen pse_385.038 oder Anspannungen in den Ablauf hineinlegen. Vom
pse_385.001 diese Vorgänge sind die vom lyrischen Ich ergriffenen Weltbereiche, pse_385.002 sind sein unmittelbares Erlebnis. Eine andere Überlegung pse_385.003 kann noch weiter klären. Im bekannten Rilke-Gedicht pse_385.004 »Der Panther« werden in jeder Strophe Vorgänge gestaltet: in pse_385.005 der ersten das Schauen, in der zweiten das Schreiten des Panthers pse_385.006 im Käfig. In der dritten Strophe das erregend geschilderte pse_385.007 Hineinschreiten eines Bildes in das Innere und sein Sterben. pse_385.008 Und doch kann auch hier nicht von einem Vorgang in pse_385.009 seiner Geschlossenheit gesprochen werden. Zunächst sind es pse_385.010 drei verschiedene, die sich nicht zur Geschlossenheit eines umfassenden pse_385.011 Vorgangs zusammenfinden, und dann sind es wiederholte pse_385.012 Vorgänge, auch der dritte wird mit »manchmal« eingeleitet. pse_385.013 Mit der Darstellung von etwas Dauerndem verliert das pse_385.014 Ganze den Eindruck einer geschlossenen Vorgangswelt, die pse_385.015 dargestellt wird, es ist eine Art Zustand, der dem Dichter pse_385.016 einen tiefen Eindruck macht und den er mit diesem Eindruck pse_385.017 formt. Die lyrischen Einlagen in epischen Dichtungen geben pse_385.018 auch Gelegenheit, sich auf das Wesen des Lyrischen zu besinnen. pse_385.019 Man kann zwei Arten unterscheiden. Das eine Mal pse_385.020 werden sie den Personen der Erzählung in den Mund gelegt. pse_385.021 Es ist also eine echte lyrische Gestaltung aus dem Erleben pse_385.022 einer Person. Wenn dagegen, wie oft bei Eichendorff, aber pse_385.023 nicht immer, und auch bei anderen Romantikern, die Erzählung pse_385.024 unterbrochen wird durch ein lyrisches Gedicht, so liegt pse_385.025 ein anderer Fall vor. Es muß nicht unbedingt ein Bruch in der pse_385.026 epischen Kunstform sein, obwohl das in der schablonenhaften pse_385.027 Verwendung lyrischer Einlagen in manchen pseudoromantischen pse_385.028 Erzählungen durchaus der Fall ist. Wenn das pse_385.029 lyrische Gedicht nicht einer Person der Erzählung zugewiesen pse_385.030 werden kann, dann ist es der Erzähler, der nun zu singen pse_385.031 beginnt. Er ist selbst gleichsam vom Erzählten ergriffen, so pse_385.032 wie oft der Balladendichter, und singt aus dieser Ergriffenheit pse_385.033 heraus. Sicher wird der epische Fortgang unterbrochen, pse_385.034 genau so wie in der griechischen Tragödie die Handlung pse_385.035 durch die Chorhymnen. Das kann zunächst die rein menschliche pse_385.036 Stimmung des ganzen Kunstwerks eindringlicher machen, pse_385.037 es kann aber auch wirkungsvolle Pausen, Entspannungen pse_385.038 oder Anspannungen in den Ablauf hineinlegen. Vom
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nicht immer, und auch bei anderen Romantikern, die Erzählung pse_385.024
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/401>, abgerufen am 22.11.2024.
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