pse_360.001 scheint also bedenklich, ihn in diesem Sinne zu übernehmen. pse_360.002 Im übrigen kommen wir damit auf die alte Scheidung von pse_360.003 Erlebnisdichtung und pragmatischer Dichtung zurück. Das pse_360.004 Entscheidende bleibt eben: Ein rein durch sprachliche Mittel pse_360.005 geschaffener Vorgang läuft in einer sprachlichen Gestaltung pse_360.006 vor uns ab.
pse_360.007 Nun lassen sich aber bei dieser Art einer sprachkünstlerisch pse_360.008 geschaffenen Wirklichkeit zwei Möglichkeiten unterscheiden. pse_360.009 Das Gemeinsame beider ist der in der Sprache geschaffene pse_360.010 und in ihr sich entfaltende Vorgang. Aber das eine Mal geschieht pse_360.011 diese Entfaltung in voller Ruhe und Ausgeglichenheit; pse_360.012 es eröffnet sich die Fülle einer Welt, so daß im Ablaufen pse_360.013 des Vorgangs ein großes Weltbild zugleich lebendig wird. pse_360.014 So finden wir es in den großen Epen. Das andere Mal erwächst pse_360.015 der Vorgang als eine ganz anders geartete Wirklichkeit: eine pse_360.016 Wirklichkeit, die durch Zerrissenheit, durch Gegensätze und pse_360.017 Klüfte gekennzeichnet ist. So baut sich in der Dichtung durch pse_360.018 die Kraft der Sprache eine Welt voller Urgespaltenheit auf. pse_360.019 Hier nähern wir uns der dramatischen Gestaltung.
pse_360.020 Bei der Betrachtung der verschiedenen Arten sprachkünstlerisch pse_360.021 geformter Wirklichkeit muß man sich aber darüber pse_360.022 klar bleiben, daß es Übergänge und Mischformen gibt. pse_360.023 In einem Gedicht wie dem "Römischen Brunnen" C. F. pse_360.024 Meyers tritt das persönliche Erlebnis sehr stark zurück, es ist pse_360.025 in der sprachlichen Formung kaum mehr spürbar. Im Ich- pse_360.026 Roman dagegen kann mit dem Erzählen eines Vorgangs zugleich pse_360.027 das persönliche Ergriffensein des Erzählenden mitgeformt pse_360.028 sein. Man denke an "Werther", "Hyperion", aber pse_360.029 auch an das Rückblick-Kapitel in Stifters "Nachsommer". pse_360.030 Auch in satirischen und grotesken Dichtungen können solche pse_360.031 Mischungen und Übergänge vorkommen. Eine besondere pse_360.032 Art hat sich in der neueren englischen Literatur ausgebildet pse_360.033 mit den sogenannten Dramatic Monologues. Besonders seit pse_360.034 Browning sind sie häufig: es gibt solche Dichtungen auch pse_360.035 von Tennyson, Swinburne, Eliot, Yeats und Pound. Hier pse_360.036 kommt es zu einer völligen Verschmelzung von Vorgangsgestaltung pse_360.037 und Erlebnisgestaltung. Der sprachlich geformte pse_360.038 Vorgang wird nicht so sehr als solcher in geschlossener Weise
pse_360.001 scheint also bedenklich, ihn in diesem Sinne zu übernehmen. pse_360.002 Im übrigen kommen wir damit auf die alte Scheidung von pse_360.003 Erlebnisdichtung und pragmatischer Dichtung zurück. Das pse_360.004 Entscheidende bleibt eben: Ein rein durch sprachliche Mittel pse_360.005 geschaffener Vorgang läuft in einer sprachlichen Gestaltung pse_360.006 vor uns ab.
pse_360.007 Nun lassen sich aber bei dieser Art einer sprachkünstlerisch pse_360.008 geschaffenen Wirklichkeit zwei Möglichkeiten unterscheiden. pse_360.009 Das Gemeinsame beider ist der in der Sprache geschaffene pse_360.010 und in ihr sich entfaltende Vorgang. Aber das eine Mal geschieht pse_360.011 diese Entfaltung in voller Ruhe und Ausgeglichenheit; pse_360.012 es eröffnet sich die Fülle einer Welt, so daß im Ablaufen pse_360.013 des Vorgangs ein großes Weltbild zugleich lebendig wird. pse_360.014 So finden wir es in den großen Epen. Das andere Mal erwächst pse_360.015 der Vorgang als eine ganz anders geartete Wirklichkeit: eine pse_360.016 Wirklichkeit, die durch Zerrissenheit, durch Gegensätze und pse_360.017 Klüfte gekennzeichnet ist. So baut sich in der Dichtung durch pse_360.018 die Kraft der Sprache eine Welt voller Urgespaltenheit auf. pse_360.019 Hier nähern wir uns der dramatischen Gestaltung.
pse_360.020 Bei der Betrachtung der verschiedenen Arten sprachkünstlerisch pse_360.021 geformter Wirklichkeit muß man sich aber darüber pse_360.022 klar bleiben, daß es Übergänge und Mischformen gibt. pse_360.023 In einem Gedicht wie dem »Römischen Brunnen« C. F. pse_360.024 Meyers tritt das persönliche Erlebnis sehr stark zurück, es ist pse_360.025 in der sprachlichen Formung kaum mehr spürbar. Im Ich- pse_360.026 Roman dagegen kann mit dem Erzählen eines Vorgangs zugleich pse_360.027 das persönliche Ergriffensein des Erzählenden mitgeformt pse_360.028 sein. Man denke an »Werther«, »Hyperion«, aber pse_360.029 auch an das Rückblick-Kapitel in Stifters »Nachsommer«. pse_360.030 Auch in satirischen und grotesken Dichtungen können solche pse_360.031 Mischungen und Übergänge vorkommen. Eine besondere pse_360.032 Art hat sich in der neueren englischen Literatur ausgebildet pse_360.033 mit den sogenannten Dramatic Monologues. Besonders seit pse_360.034 Browning sind sie häufig: es gibt solche Dichtungen auch pse_360.035 von Tennyson, Swinburne, Eliot, Yeats und Pound. Hier pse_360.036 kommt es zu einer völligen Verschmelzung von Vorgangsgestaltung pse_360.037 und Erlebnisgestaltung. Der sprachlich geformte pse_360.038 Vorgang wird nicht so sehr als solcher in geschlossener Weise
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Erlebnisdichtung und pragmatischer Dichtung zurück. Das pse_360.004
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Nun lassen sich aber bei dieser Art einer sprachkünstlerisch pse_360.008
geschaffenen Wirklichkeit zwei Möglichkeiten unterscheiden. pse_360.009
Das Gemeinsame beider ist der in der Sprache geschaffene pse_360.010
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In einem Gedicht wie dem »Römischen Brunnen« C. F. pse_360.024
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und Erlebnisgestaltung. Der sprachlich geformte pse_360.038
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/376>, abgerufen am 22.11.2024.
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