pse_357.001 auch sehr zurücktreten, so daß die ergriffene Sache ganz für pse_357.002 sich herausgestellt wird, wie das in philosophischen und mathematischen pse_357.003 Sätzen besonders rein der Fall ist. Die erste pse_357.004 Art ist nun begreiflicherweise für die Dichtung besonders pse_357.005 wichtig. Es kommt also zu einem starken Ergriffenwerden pse_357.006 eines Menschen von der Welt oder einem Bereich davon. pse_357.007 Dieses Ergriffenwerden drängt zu sprachlicher Aussage und pse_357.008 Formung. Wir haben es hier also mit dem Aussprechen unmittelbaren pse_357.009 Welterfahrens zu tun. Und man wird der sprachlichen pse_357.010 Formung in irgendeiner Weise immer dieses unmittelbare pse_357.011 Ergriffenwerden anmerken: von der menschlichen Seite pse_357.012 her im starken Betonen dieses Menschlichen und des Einmaligen pse_357.013 der Welterfahrung (im Bereich der Ich-Formen, in pse_357.014 der Eigenwilligkeit der Bilder usw.), von der Seite der Welt pse_357.015 her in der Intensität, mit der sie sprachlich aufgegriffen wird pse_357.016 (Wortschatz der Nähe, spontane Sprachführung als Zeichen pse_357.017 für dauerndes unmittelbares Ergreifen jedes Stückes usw.). pse_357.018 Aber es kommt eben doch zu einem sprachkünstlerischen pse_357.019 Gebilde. Das heißt aber: Es löst sich dadurch vom einmaligen pse_357.020 Erlebnis ab und hebt die erfahrene Wirklichkeit durch die pse_357.021 Sprachkunst in einen für sich bestehenden Raum empor, die pse_357.022 erfahrene Wirklichkeit wird zu einer neuen Wirklichkeit im pse_357.023 Raum der Dichtung. Man kann nicht sagen, diese sprachliche pse_357.024 Wirklichkeit sei so geformt, "als ob" sie aus der außersprachlichen pse_357.025 hervorgehe. Was von dieser von drängender Wichtigkeit pse_357.026 bleibt, geht restlos in die sprachkünstlerische Form ein, pse_357.027 je mehr desto lebensvoller, aber sonst bestehen keine Bande pse_357.028 mehr, wie das etwa bei der Sachdarstellung der Fall ist, die pse_357.029 ja immer auf die außersprachliche Wirklichkeit hinweist.
pse_357.030
Es schienen so golden die Sterne,pse_357.031 Am Fenster ich einsam stand,pse_357.032 Da hört ich aus weiter Fernepse_357.033 Ein Posthorn im stillen Land.
(Eichendorff)
pse_357.034
Ein unmittelbares Ergriffenwerden von einem Stück Welt pse_357.035 war sicher der Anstoß, aber nun ist es ein dichterisches Gebilde pse_357.036 für sich, das auch dann voll auf uns wirkt, wenn wir pse_357.037 uns nicht mehr das persönliche Erleben des Dichters bewußt pse_357.038 machen. Sondern menschliches Ergriffensein in unmittelbarster
pse_357.001 auch sehr zurücktreten, so daß die ergriffene Sache ganz für pse_357.002 sich herausgestellt wird, wie das in philosophischen und mathematischen pse_357.003 Sätzen besonders rein der Fall ist. Die erste pse_357.004 Art ist nun begreiflicherweise für die Dichtung besonders pse_357.005 wichtig. Es kommt also zu einem starken Ergriffenwerden pse_357.006 eines Menschen von der Welt oder einem Bereich davon. pse_357.007 Dieses Ergriffenwerden drängt zu sprachlicher Aussage und pse_357.008 Formung. Wir haben es hier also mit dem Aussprechen unmittelbaren pse_357.009 Welterfahrens zu tun. Und man wird der sprachlichen pse_357.010 Formung in irgendeiner Weise immer dieses unmittelbare pse_357.011 Ergriffenwerden anmerken: von der menschlichen Seite pse_357.012 her im starken Betonen dieses Menschlichen und des Einmaligen pse_357.013 der Welterfahrung (im Bereich der Ich-Formen, in pse_357.014 der Eigenwilligkeit der Bilder usw.), von der Seite der Welt pse_357.015 her in der Intensität, mit der sie sprachlich aufgegriffen wird pse_357.016 (Wortschatz der Nähe, spontane Sprachführung als Zeichen pse_357.017 für dauerndes unmittelbares Ergreifen jedes Stückes usw.). pse_357.018 Aber es kommt eben doch zu einem sprachkünstlerischen pse_357.019 Gebilde. Das heißt aber: Es löst sich dadurch vom einmaligen pse_357.020 Erlebnis ab und hebt die erfahrene Wirklichkeit durch die pse_357.021 Sprachkunst in einen für sich bestehenden Raum empor, die pse_357.022 erfahrene Wirklichkeit wird zu einer neuen Wirklichkeit im pse_357.023 Raum der Dichtung. Man kann nicht sagen, diese sprachliche pse_357.024 Wirklichkeit sei so geformt, »als ob« sie aus der außersprachlichen pse_357.025 hervorgehe. Was von dieser von drängender Wichtigkeit pse_357.026 bleibt, geht restlos in die sprachkünstlerische Form ein, pse_357.027 je mehr desto lebensvoller, aber sonst bestehen keine Bande pse_357.028 mehr, wie das etwa bei der Sachdarstellung der Fall ist, die pse_357.029 ja immer auf die außersprachliche Wirklichkeit hinweist.
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Es schienen so golden die Sterne,pse_357.031 Am Fenster ich einsam stand,pse_357.032 Da hört ich aus weiter Fernepse_357.033 Ein Posthorn im stillen Land.
(Eichendorff)
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Ein unmittelbares Ergriffenwerden von einem Stück Welt pse_357.035 war sicher der Anstoß, aber nun ist es ein dichterisches Gebilde pse_357.036 für sich, das auch dann voll auf uns wirkt, wenn wir pse_357.037 uns nicht mehr das persönliche Erleben des Dichters bewußt pse_357.038 machen. Sondern menschliches Ergriffensein in unmittelbarster
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Sätzen besonders rein der Fall ist. Die erste pse_357.004
Art ist nun begreiflicherweise für die Dichtung besonders pse_357.005
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Dieses Ergriffenwerden drängt zu sprachlicher Aussage und pse_357.008
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der Welterfahrung (im Bereich der Ich-Formen, in pse_357.014
der Eigenwilligkeit der Bilder usw.), von der Seite der Welt pse_357.015
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je mehr desto lebensvoller, aber sonst bestehen keine Bande pse_357.028
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ja immer auf die außersprachliche Wirklichkeit hinweist.
pse_357.030
Es schienen so golden die Sterne, pse_357.031
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Ein Posthorn im stillen Land.
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Ein unmittelbares Ergriffenwerden von einem Stück Welt pse_357.035
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/373>, abgerufen am 22.11.2024.
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