pse_354.001 Haltungen bezeichnende und wesenhafte Unterschiede. pse_354.002 Die unmittelbarste und heftigste übt die dramatische pse_354.003 Haltung aus. Diese Heftigkeit fehlt dem Lyrischen, seine pse_354.004 Wirkung ist mehr innig und innerlich, gilt mehr für den pse_354.005 einsamen Menschen, während das Dramatische unmittelbar pse_354.006 an eine Vielheit gerichtet ist. Die Wirkung des Epischen ist pse_354.007 vor allem in ihrem Verlauf vom Dramatischen verschieden: pse_354.008 ruhige Dauer gegenüber heftiger Gespanntheit.
pse_354.009 Die Urformen sprachkünstlerischen Gestaltens
pse_354.010 Bei den grundlegenden menschlichen Haltungen haben wir pse_354.011 vor allem auf die Art geachtet, wie der Mensch von der ihm pse_354.012 begegnenden Welt getroffen wird, wie er innerlich auf sie pse_354.013 antwortet und wie diese Haltung dann auch in der sprachkünstlerischen pse_354.014 Formung durchklingt. Jetzt achten wir bei pse_354.015 der dichterischen Gestaltung auf die Art, wie der Dichter pse_354.016 seine sprachliche Welt hinausstellt, also auf das Hinausgestalten pse_354.017 eines Inneren in die Welt. Man kann das schon in den pse_354.018 engsten Gebilden der Sprache angedeutet finden. Zunächst pse_354.019 der reine sprachliche Ausdruck, der keine Absicht hat, sondern pse_354.020 nur verlautet: die Silbe. Dann das Gebilde, das etwas pse_354.021 aus der Erfahrungswelt herausgrenzt, vor uns hinstellt und pse_354.022 uns anschauen läßt: das Wort. Endlich die Sprachgebilde, pse_354.023 die einen Sinn aufbauen, deren Glieder in engster gegenseitiger pse_354.024 Verflechtung zu einem Ganzen hinwachsen: die Sätze.
pse_354.025 Wir suchen nun die verschiedenen Arten klar herauszuheben, pse_354.026 wie dieses Hinausgestalten möglich ist. Urformen nennen pse_354.027 wir sie deshalb, weil sie auch in der ausgefaltetsten Großdichtung pse_354.028 noch erkennbar sein müssen, wie sie auch schon pse_354.029 in den einfachsten Gedichten da sind. Eine erste solche Urform pse_354.030 möchte ich das Singen nennen. Vielleicht ist es überhaupt pse_354.031 die Wurzel aller sprachkünstlerischen Formung, verbunden pse_354.032 allerdings mit der Musik. Seelische Erfahrungen und pse_354.033 Stimmungen werden im Singen nicht bloß hinausgetönt in pse_354.034 die Welt und erzeugen dadurch eine Selbstbefreiung des pse_354.035 Menschen vom Hochdruck der Stimmungen, freudiger oder
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pse_354.009 Die Urformen sprachkünstlerischen Gestaltens
pse_354.010 Bei den grundlegenden menschlichen Haltungen haben wir pse_354.011 vor allem auf die Art geachtet, wie der Mensch von der ihm pse_354.012 begegnenden Welt getroffen wird, wie er innerlich auf sie pse_354.013 antwortet und wie diese Haltung dann auch in der sprachkünstlerischen pse_354.014 Formung durchklingt. Jetzt achten wir bei pse_354.015 der dichterischen Gestaltung auf die Art, wie der Dichter pse_354.016 seine sprachliche Welt hinausstellt, also auf das Hinausgestalten pse_354.017 eines Inneren in die Welt. Man kann das schon in den pse_354.018 engsten Gebilden der Sprache angedeutet finden. Zunächst pse_354.019 der reine sprachliche Ausdruck, der keine Absicht hat, sondern pse_354.020 nur verlautet: die Silbe. Dann das Gebilde, das etwas pse_354.021 aus der Erfahrungswelt herausgrenzt, vor uns hinstellt und pse_354.022 uns anschauen läßt: das Wort. Endlich die Sprachgebilde, pse_354.023 die einen Sinn aufbauen, deren Glieder in engster gegenseitiger pse_354.024 Verflechtung zu einem Ganzen hinwachsen: die Sätze.
pse_354.025 Wir suchen nun die verschiedenen Arten klar herauszuheben, pse_354.026 wie dieses Hinausgestalten möglich ist. Urformen nennen pse_354.027 wir sie deshalb, weil sie auch in der ausgefaltetsten Großdichtung pse_354.028 noch erkennbar sein müssen, wie sie auch schon pse_354.029 in den einfachsten Gedichten da sind. Eine erste solche Urform pse_354.030 möchte ich das Singen nennen. Vielleicht ist es überhaupt pse_354.031 die Wurzel aller sprachkünstlerischen Formung, verbunden pse_354.032 allerdings mit der Musik. Seelische Erfahrungen und pse_354.033 Stimmungen werden im Singen nicht bloß hinausgetönt in pse_354.034 die Welt und erzeugen dadurch eine Selbstbefreiung des pse_354.035 Menschen vom Hochdruck der Stimmungen, freudiger oder
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Die Urformen sprachkünstlerischen Gestaltens pse_354.010
Bei den grundlegenden menschlichen Haltungen haben wir pse_354.011
vor allem auf die Art geachtet, wie der Mensch von der ihm pse_354.012
begegnenden Welt getroffen wird, wie er innerlich auf sie pse_354.013
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der reine sprachliche Ausdruck, der keine Absicht hat, sondern pse_354.020
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/370>, abgerufen am 25.11.2024.
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