pse_335.001 Metaphern, üblichen Vergleichen und Bildern, Allegorien, pse_335.002 Emblemen, bestimmten rhetorischen Figuren. Das Entscheidende pse_335.003 ist nicht, wieviele dieser Formen eine Dichtung aufweist. pse_335.004 Sondern vielmehr ist es wichtig festzustellen, welche es pse_335.005 sind, wie also der Dichter aus dem gebotenen Schatz ausgewählt, pse_335.006 vor allem aber, was er daraus gemacht hat. Nicht die pse_335.007 Tatsache, daß an einer Stelle ein seit dem Hellenismus bekannter pse_335.008 Topos eingesetzt wird, ist maßgebend, sondern wie der pse_335.009 Topos in der Dichtung eingesetzt ist, wie er wirkt und welche pse_335.010 Bedeutung er im Gehalt und in der künstlerischen Form hat. pse_335.011 Die sinn- und wirkungsvolle Einfügung, der Wert als Glied pse_335.012 ist einzuschätzen.
pse_335.013 2. Form haben auch in ihrer Anlage sehr mannigfaltige, pse_335.014 reichgegliederte, ja spannungsreiche Dichtungen. Ja sogar: pse_335.015 Fehlen mächtiger Spannungen, Durchführung mit Hilfe eines pse_335.016 einzigen Formschemas, dauerndes Gleichbleiben der Gestimmtheit pse_335.017 führen zu Eintönigkeit, und sie ist eine Ursache pse_335.018 für das Ausbleiben eines Werterlebens. Die Gefahr einer pse_335.019 Wertminderung ist sogar dann gegeben, wenn gerade mit pse_335.020 Monotonie ein bestimmter Gehalt, eine Haltung gestaltet pse_335.021 werden soll. Das trifft teilweise auf die Erzählungen Kafkas zu. pse_335.022 Künstlerische Gestalt ist durchaus vorhanden, wenn sie große pse_335.023 und tiefgehende Spannungen und Gegensätze umfaßt. Man pse_335.024 denke an Dramen Shakespeares oder an die großen Romane pse_335.025 der Weltliteratur. Wir haben schon erwähnt, daß gerade Zerrissenheit pse_335.026 ein Kompositionsprinzip sein kann. Kein Zweifel, pse_335.027 daß der "Ulysses" von James Joyce eine Fülle disparatester pse_335.028 Glieder aufweist, aber sie alle sind zu einem deutlichen Ganzen pse_335.029 zusammengezwungen. Es kommt eben darauf an, den Sinn pse_335.030 der einzelnen Glieder fürs Ganze zu bestimmen. Der Teil in pse_335.031 diesem Roman, der sich in eine Reihe Zeitungsanzeigen aufzulösen pse_335.032 scheint, will eben die Atmosphäre der Redaktionsstube pse_335.033 bis in diese radikale Sprachgestaltung hinein lebendig machen. pse_335.034 Brüche und Unstimmigkeiten können sogar sinnvoll sein, pse_335.035 etwa zur Kennzeichnung einer Figur oder als eine Art, weltbildhafte pse_335.036 Situationen zu charakterisieren. Es ist tatsächlich pse_335.037 künstlerisch bedenklich, wenn man eine zerrissene Welt harmonisch pse_335.038 gestaltet. Denn durch solche Gestaltung wird sie
pse_335.001 Metaphern, üblichen Vergleichen und Bildern, Allegorien, pse_335.002 Emblemen, bestimmten rhetorischen Figuren. Das Entscheidende pse_335.003 ist nicht, wieviele dieser Formen eine Dichtung aufweist. pse_335.004 Sondern vielmehr ist es wichtig festzustellen, welche es pse_335.005 sind, wie also der Dichter aus dem gebotenen Schatz ausgewählt, pse_335.006 vor allem aber, was er daraus gemacht hat. Nicht die pse_335.007 Tatsache, daß an einer Stelle ein seit dem Hellenismus bekannter pse_335.008 Topos eingesetzt wird, ist maßgebend, sondern wie der pse_335.009 Topos in der Dichtung eingesetzt ist, wie er wirkt und welche pse_335.010 Bedeutung er im Gehalt und in der künstlerischen Form hat. pse_335.011 Die sinn- und wirkungsvolle Einfügung, der Wert als Glied pse_335.012 ist einzuschätzen.
pse_335.013 2. Form haben auch in ihrer Anlage sehr mannigfaltige, pse_335.014 reichgegliederte, ja spannungsreiche Dichtungen. Ja sogar: pse_335.015 Fehlen mächtiger Spannungen, Durchführung mit Hilfe eines pse_335.016 einzigen Formschemas, dauerndes Gleichbleiben der Gestimmtheit pse_335.017 führen zu Eintönigkeit, und sie ist eine Ursache pse_335.018 für das Ausbleiben eines Werterlebens. Die Gefahr einer pse_335.019 Wertminderung ist sogar dann gegeben, wenn gerade mit pse_335.020 Monotonie ein bestimmter Gehalt, eine Haltung gestaltet pse_335.021 werden soll. Das trifft teilweise auf die Erzählungen Kafkas zu. pse_335.022 Künstlerische Gestalt ist durchaus vorhanden, wenn sie große pse_335.023 und tiefgehende Spannungen und Gegensätze umfaßt. Man pse_335.024 denke an Dramen Shakespeares oder an die großen Romane pse_335.025 der Weltliteratur. Wir haben schon erwähnt, daß gerade Zerrissenheit pse_335.026 ein Kompositionsprinzip sein kann. Kein Zweifel, pse_335.027 daß der »Ulysses« von James Joyce eine Fülle disparatester pse_335.028 Glieder aufweist, aber sie alle sind zu einem deutlichen Ganzen pse_335.029 zusammengezwungen. Es kommt eben darauf an, den Sinn pse_335.030 der einzelnen Glieder fürs Ganze zu bestimmen. Der Teil in pse_335.031 diesem Roman, der sich in eine Reihe Zeitungsanzeigen aufzulösen pse_335.032 scheint, will eben die Atmosphäre der Redaktionsstube pse_335.033 bis in diese radikale Sprachgestaltung hinein lebendig machen. pse_335.034 Brüche und Unstimmigkeiten können sogar sinnvoll sein, pse_335.035 etwa zur Kennzeichnung einer Figur oder als eine Art, weltbildhafte pse_335.036 Situationen zu charakterisieren. Es ist tatsächlich pse_335.037 künstlerisch bedenklich, wenn man eine zerrissene Welt harmonisch pse_335.038 gestaltet. Denn durch solche Gestaltung wird sie
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Metaphern, üblichen Vergleichen und Bildern, Allegorien, pse_335.002
Emblemen, bestimmten rhetorischen Figuren. Das Entscheidende pse_335.003
ist nicht, wieviele dieser Formen eine Dichtung aufweist. pse_335.004
Sondern vielmehr ist es wichtig festzustellen, welche es pse_335.005
sind, wie also der Dichter aus dem gebotenen Schatz ausgewählt, pse_335.006
vor allem aber, was er daraus gemacht hat. Nicht die pse_335.007
Tatsache, daß an einer Stelle ein seit dem Hellenismus bekannter pse_335.008
Topos eingesetzt wird, ist maßgebend, sondern wie der pse_335.009
Topos in der Dichtung eingesetzt ist, wie er wirkt und welche pse_335.010
Bedeutung er im Gehalt und in der künstlerischen Form hat. pse_335.011
Die sinn- und wirkungsvolle Einfügung, der Wert als Glied pse_335.012
ist einzuschätzen.
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2. Form haben auch in ihrer Anlage sehr mannigfaltige, pse_335.014
reichgegliederte, ja spannungsreiche Dichtungen. Ja sogar: pse_335.015
Fehlen mächtiger Spannungen, Durchführung mit Hilfe eines pse_335.016
einzigen Formschemas, dauerndes Gleichbleiben der Gestimmtheit pse_335.017
führen zu Eintönigkeit, und sie ist eine Ursache pse_335.018
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Wertminderung ist sogar dann gegeben, wenn gerade mit pse_335.020
Monotonie ein bestimmter Gehalt, eine Haltung gestaltet pse_335.021
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Künstlerische Gestalt ist durchaus vorhanden, wenn sie große pse_335.023
und tiefgehende Spannungen und Gegensätze umfaßt. Man pse_335.024
denke an Dramen Shakespeares oder an die großen Romane pse_335.025
der Weltliteratur. Wir haben schon erwähnt, daß gerade Zerrissenheit pse_335.026
ein Kompositionsprinzip sein kann. Kein Zweifel, pse_335.027
daß der »Ulysses« von James Joyce eine Fülle disparatester pse_335.028
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zusammengezwungen. Es kommt eben darauf an, den Sinn pse_335.030
der einzelnen Glieder fürs Ganze zu bestimmen. Der Teil in pse_335.031
diesem Roman, der sich in eine Reihe Zeitungsanzeigen aufzulösen pse_335.032
scheint, will eben die Atmosphäre der Redaktionsstube pse_335.033
bis in diese radikale Sprachgestaltung hinein lebendig machen. pse_335.034
Brüche und Unstimmigkeiten können sogar sinnvoll sein, pse_335.035
etwa zur Kennzeichnung einer Figur oder als eine Art, weltbildhafte pse_335.036
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künstlerisch bedenklich, wenn man eine zerrissene Welt harmonisch pse_335.038
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/351>, abgerufen am 25.11.2024.
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