pse_320.001 was unmittelbar gestaltet ist und uns unmittelbar als erstes pse_320.002 entgegentritt, zugleich etwas Tieferes durchscheinen läßt. pse_320.003 Man kann vorsichtig theoretisch trennend von mehreren pse_320.004 Schichten sprechen. Dabei hat jede Schicht ihre besondere pse_320.005 Formung. Etwa so: die sprachliche Gestaltung, rein auf die pse_320.006 Fügung der Worte und Formen bezogen, richtet sich nach pse_320.007 der Konvention der sogenannten Grammatik, indem sie ihr pse_320.008 entweder folgt oder sie zu zerbrechen sucht. Das Weltbild, pse_320.009 das sich in der Dichtung entfaltet, folgt auch bestimmten pse_320.010 Strukturgesetzen: es ist anders angelegt in Goethes "Faust" pse_320.011 und anders in Kafkas "Schloß". Weiter zeigt sich, daß die pse_320.012 Formung der je vorderen Schicht auch für die der nächsthinteren pse_320.013 bestimmend ist: das Weltbild des "Faust" ist in pse_320.014 seiner Art auch von der ganz eigenartigen dramatischen Form pse_320.015 bestimmt, und die "Lehrjahre" zeigen im Aufbau des Weltbildes pse_320.016 auch Züge, die durch die Tatsache der epischen Gestaltung pse_320.017 gegeben sind. Und doch auch umgekehrt: im ganzen pse_320.018 gesehen sind die äußersten Schichten von der tiefsten bestimmt. pse_320.019 Aus dem Weltbild Kafkas ergibt sich auch die sprachlich-kompositorische pse_320.020 Durchführung, ja noch das kleine pse_320.021 Heinesche Gedicht ist in seinem sprachkünstlerischen Ablauf pse_320.022 Prägung aus einer bestimmten menschlichen Tiefe.
pse_320.023 Die Eigenart der Schichtung gerade des dichterischen Kunstwerks pse_320.024 kann man sich vor Augen führen, wenn man sich an pse_320.025 den Schichtenbau des Seins erinnert, wie ihn der Philosoph pse_320.026 Nicolai Hartmann durchgeführt hat. Er unterscheidet von pse_320.027 unten nach oben die Schichten des Materiellen, des Organischen, pse_320.028 des Seelischen und des Geistigen. Jede höhere Schicht pse_320.029 ist in ihrem Dasein von der unteren bestimmt und ohne sie pse_320.030 nicht denkbar. Man kann nun auch im Kunstwerk diesen pse_320.031 Schichtenbau erkennen, allerdings sind da die verschiedensten pse_320.032 Sprünge und Verflechtungen oder Zusammendrängungen pse_320.033 möglich. Immerhin ist bei den bildenden Künsten die materielle pse_320.034 Fundierung und das Geistige der Tiefe deutlich. Bei der pse_320.035 Dichtung läßt nun ihre unbedingte und ausschließliche Fundierung pse_320.036 auf der Sprache schon eine Eigenart erkennen. Gewiß pse_320.037 ist auch die Sprache materiell fundiert: physiologisch in der pse_320.038 Lautung, noch materieller in der Schrift. Aber schon in der
pse_320.001 was unmittelbar gestaltet ist und uns unmittelbar als erstes pse_320.002 entgegentritt, zugleich etwas Tieferes durchscheinen läßt. pse_320.003 Man kann vorsichtig theoretisch trennend von mehreren pse_320.004 Schichten sprechen. Dabei hat jede Schicht ihre besondere pse_320.005 Formung. Etwa so: die sprachliche Gestaltung, rein auf die pse_320.006 Fügung der Worte und Formen bezogen, richtet sich nach pse_320.007 der Konvention der sogenannten Grammatik, indem sie ihr pse_320.008 entweder folgt oder sie zu zerbrechen sucht. Das Weltbild, pse_320.009 das sich in der Dichtung entfaltet, folgt auch bestimmten pse_320.010 Strukturgesetzen: es ist anders angelegt in Goethes »Faust« pse_320.011 und anders in Kafkas »Schloß«. Weiter zeigt sich, daß die pse_320.012 Formung der je vorderen Schicht auch für die der nächsthinteren pse_320.013 bestimmend ist: das Weltbild des »Faust« ist in pse_320.014 seiner Art auch von der ganz eigenartigen dramatischen Form pse_320.015 bestimmt, und die »Lehrjahre« zeigen im Aufbau des Weltbildes pse_320.016 auch Züge, die durch die Tatsache der epischen Gestaltung pse_320.017 gegeben sind. Und doch auch umgekehrt: im ganzen pse_320.018 gesehen sind die äußersten Schichten von der tiefsten bestimmt. pse_320.019 Aus dem Weltbild Kafkas ergibt sich auch die sprachlich-kompositorische pse_320.020 Durchführung, ja noch das kleine pse_320.021 Heinesche Gedicht ist in seinem sprachkünstlerischen Ablauf pse_320.022 Prägung aus einer bestimmten menschlichen Tiefe.
pse_320.023 Die Eigenart der Schichtung gerade des dichterischen Kunstwerks pse_320.024 kann man sich vor Augen führen, wenn man sich an pse_320.025 den Schichtenbau des Seins erinnert, wie ihn der Philosoph pse_320.026 Nicolai Hartmann durchgeführt hat. Er unterscheidet von pse_320.027 unten nach oben die Schichten des Materiellen, des Organischen, pse_320.028 des Seelischen und des Geistigen. Jede höhere Schicht pse_320.029 ist in ihrem Dasein von der unteren bestimmt und ohne sie pse_320.030 nicht denkbar. Man kann nun auch im Kunstwerk diesen pse_320.031 Schichtenbau erkennen, allerdings sind da die verschiedensten pse_320.032 Sprünge und Verflechtungen oder Zusammendrängungen pse_320.033 möglich. Immerhin ist bei den bildenden Künsten die materielle pse_320.034 Fundierung und das Geistige der Tiefe deutlich. Bei der pse_320.035 Dichtung läßt nun ihre unbedingte und ausschließliche Fundierung pse_320.036 auf der Sprache schon eine Eigenart erkennen. Gewiß pse_320.037 ist auch die Sprache materiell fundiert: physiologisch in der pse_320.038 Lautung, noch materieller in der Schrift. Aber schon in der
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Schichten sprechen. Dabei hat jede Schicht ihre besondere pse_320.005
Formung. Etwa so: die sprachliche Gestaltung, rein auf die pse_320.006
Fügung der Worte und Formen bezogen, richtet sich nach pse_320.007
der Konvention der sogenannten Grammatik, indem sie ihr pse_320.008
entweder folgt oder sie zu zerbrechen sucht. Das Weltbild, pse_320.009
das sich in der Dichtung entfaltet, folgt auch bestimmten pse_320.010
Strukturgesetzen: es ist anders angelegt in Goethes »Faust« pse_320.011
und anders in Kafkas »Schloß«. Weiter zeigt sich, daß die pse_320.012
Formung der je vorderen Schicht auch für die der nächsthinteren pse_320.013
bestimmend ist: das Weltbild des »Faust« ist in pse_320.014
seiner Art auch von der ganz eigenartigen dramatischen Form pse_320.015
bestimmt, und die »Lehrjahre« zeigen im Aufbau des Weltbildes pse_320.016
auch Züge, die durch die Tatsache der epischen Gestaltung pse_320.017
gegeben sind. Und doch auch umgekehrt: im ganzen pse_320.018
gesehen sind die äußersten Schichten von der tiefsten bestimmt. pse_320.019
Aus dem Weltbild Kafkas ergibt sich auch die sprachlich-kompositorische pse_320.020
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Heinesche Gedicht ist in seinem sprachkünstlerischen Ablauf pse_320.022
Prägung aus einer bestimmten menschlichen Tiefe.
pse_320.023
Die Eigenart der Schichtung gerade des dichterischen Kunstwerks pse_320.024
kann man sich vor Augen führen, wenn man sich an pse_320.025
den Schichtenbau des Seins erinnert, wie ihn der Philosoph pse_320.026
Nicolai Hartmann durchgeführt hat. Er unterscheidet von pse_320.027
unten nach oben die Schichten des Materiellen, des Organischen, pse_320.028
des Seelischen und des Geistigen. Jede höhere Schicht pse_320.029
ist in ihrem Dasein von der unteren bestimmt und ohne sie pse_320.030
nicht denkbar. Man kann nun auch im Kunstwerk diesen pse_320.031
Schichtenbau erkennen, allerdings sind da die verschiedensten pse_320.032
Sprünge und Verflechtungen oder Zusammendrängungen pse_320.033
möglich. Immerhin ist bei den bildenden Künsten die materielle pse_320.034
Fundierung und das Geistige der Tiefe deutlich. Bei der pse_320.035
Dichtung läßt nun ihre unbedingte und ausschließliche Fundierung pse_320.036
auf der Sprache schon eine Eigenart erkennen. Gewiß pse_320.037
ist auch die Sprache materiell fundiert: physiologisch in der pse_320.038
Lautung, noch materieller in der Schrift. Aber schon in der
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/336>, abgerufen am 22.11.2024.
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