pse_313.001 Auch dem Manierismus drohen Gefahren in der Übersteigerung pse_313.002 seiner Grundsätze. Das übertriebene Spiel mit pse_313.003 Kunstformen und formalen Kunststücken kann zur Auflösung pse_313.004 jeder großen Linie führen, das Herausarbeiten des pse_313.005 Abnormalen, das Umbiegen alles Normalen ins Deformierte pse_313.006 kann auch in völligem Irrsinn enden. Klassische Kunstgesetzte pse_313.007 und die mit ihnen verbundene Weltschau bieten dann einzig pse_313.008 Rettung.
pse_313.009 Man hat den Manierismus als Gestaltungsform dem Barockpse_313.010 übergeordnet. Aber es scheint doch wesentliche Unterschiede pse_313.011 zwischen beiden zu geben. Freilich muß beachtet werden, pse_313.012 daß der Barock doch vor allem eine geschichtliche Kunstform pse_313.013 ist. Aber einige Züge gehen über das Historisch-Einmalige pse_313.014 hinaus, so daß man bis zu einem gewissen Grade auch pse_313.015 den Barock in der Dichtung als typische Gestaltungsform ansehen pse_313.016 kann. Wir greifen hier besonders die Züge heraus, die pse_313.017 ihn vom Manierismus abheben. Aber es bleibt zu beachten, pse_313.018 daß beide manches Gemeinsame haben, so daß gerade in pse_313.019 diesem Bereich die Verflochtenheit zwischen allgemein Typischem pse_313.020 und Historischem sehr dicht ist. Die Wirklichkeit pse_313.021 wird im Barock vor allem im Hinblick auf das Jenseitige pse_313.022 gesehen. Also wieder ein Ausschnitt, der danach bestimmt ist, pse_313.023 ob das Stück Wirklichkeit zum Jenseits in Bezug gesetzt pse_313.024 werden kann: als Gegensatz oder als Ausfluß oder als Symbol. pse_313.025 Die Spannung zwischen dem Diesseits und Jenseits, wie sie pse_313.026 besonders deutlich immer wieder in den Sonetten von Gryphius pse_313.027 heraustritt, bestimmt das Weltbild. Aber auch der Zug pse_313.028 der Verwesentlichung bekommt so seine ausgeprägte Art. pse_313.029 Eben im ständigen Hinblick auf das Jenseitige, in dem erst pse_313.030 das Wesen sich offenbart, haben wir sie in barocker Dichtung pse_313.031 zu sehen. So können Sprüche des Angelus Silesius hier beispielhaft pse_313.032 stehen:
pse_313.033
Ich selbst bin Ewigkeit, wenn ich die Zeit verlassepse_313.034 Und mich in Gott und Gott in mich zusammenfasse.
pse_313.035 Die Seel ist ein Kristall, die Gottheit ist ihr Schein;pse_313.036 Der Leib, in dem du lebst, ist ihrer beider Schrein.
pse_313.037 Mensch, werde wesentlich; denn wann die Welt vergeht,pse_313.038 So fällt der Zufall weg, das Wesen, das besteht.
pse_313.001 Auch dem Manierismus drohen Gefahren in der Übersteigerung pse_313.002 seiner Grundsätze. Das übertriebene Spiel mit pse_313.003 Kunstformen und formalen Kunststücken kann zur Auflösung pse_313.004 jeder großen Linie führen, das Herausarbeiten des pse_313.005 Abnormalen, das Umbiegen alles Normalen ins Deformierte pse_313.006 kann auch in völligem Irrsinn enden. Klassische Kunstgesetzte pse_313.007 und die mit ihnen verbundene Weltschau bieten dann einzig pse_313.008 Rettung.
pse_313.009 Man hat den Manierismus als Gestaltungsform dem Barockpse_313.010 übergeordnet. Aber es scheint doch wesentliche Unterschiede pse_313.011 zwischen beiden zu geben. Freilich muß beachtet werden, pse_313.012 daß der Barock doch vor allem eine geschichtliche Kunstform pse_313.013 ist. Aber einige Züge gehen über das Historisch-Einmalige pse_313.014 hinaus, so daß man bis zu einem gewissen Grade auch pse_313.015 den Barock in der Dichtung als typische Gestaltungsform ansehen pse_313.016 kann. Wir greifen hier besonders die Züge heraus, die pse_313.017 ihn vom Manierismus abheben. Aber es bleibt zu beachten, pse_313.018 daß beide manches Gemeinsame haben, so daß gerade in pse_313.019 diesem Bereich die Verflochtenheit zwischen allgemein Typischem pse_313.020 und Historischem sehr dicht ist. Die Wirklichkeit pse_313.021 wird im Barock vor allem im Hinblick auf das Jenseitige pse_313.022 gesehen. Also wieder ein Ausschnitt, der danach bestimmt ist, pse_313.023 ob das Stück Wirklichkeit zum Jenseits in Bezug gesetzt pse_313.024 werden kann: als Gegensatz oder als Ausfluß oder als Symbol. pse_313.025 Die Spannung zwischen dem Diesseits und Jenseits, wie sie pse_313.026 besonders deutlich immer wieder in den Sonetten von Gryphius pse_313.027 heraustritt, bestimmt das Weltbild. Aber auch der Zug pse_313.028 der Verwesentlichung bekommt so seine ausgeprägte Art. pse_313.029 Eben im ständigen Hinblick auf das Jenseitige, in dem erst pse_313.030 das Wesen sich offenbart, haben wir sie in barocker Dichtung pse_313.031 zu sehen. So können Sprüche des Angelus Silesius hier beispielhaft pse_313.032 stehen:
pse_313.033
Ich selbst bin Ewigkeit, wenn ich die Zeit verlassepse_313.034 Und mich in Gott und Gott in mich zusammenfasse.
pse_313.035 Die Seel ist ein Kristall, die Gottheit ist ihr Schein;pse_313.036 Der Leib, in dem du lebst, ist ihrer beider Schrein.
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Auch dem Manierismus drohen Gefahren in der Übersteigerung pse_313.002
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Kunstformen und formalen Kunststücken kann zur Auflösung pse_313.004
jeder großen Linie führen, das Herausarbeiten des pse_313.005
Abnormalen, das Umbiegen alles Normalen ins Deformierte pse_313.006
kann auch in völligem Irrsinn enden. Klassische Kunstgesetzte pse_313.007
und die mit ihnen verbundene Weltschau bieten dann einzig pse_313.008
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pse_313.009
Man hat den Manierismus als Gestaltungsform dem Barock pse_313.010
übergeordnet. Aber es scheint doch wesentliche Unterschiede pse_313.011
zwischen beiden zu geben. Freilich muß beachtet werden, pse_313.012
daß der Barock doch vor allem eine geschichtliche Kunstform pse_313.013
ist. Aber einige Züge gehen über das Historisch-Einmalige pse_313.014
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den Barock in der Dichtung als typische Gestaltungsform ansehen pse_313.016
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Eben im ständigen Hinblick auf das Jenseitige, in dem erst pse_313.030
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/329>, abgerufen am 22.11.2024.
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