pse_273.001 knappe Zeichen. Man denkt dabei an den Parabelcharakter pse_273.002 der Novellen, knappen Erzählungen und Skizzen Kafkas. pse_273.003 Damit rühren wir allerdings an Grenzen der Kunst: sollte sie pse_273.004 der modernen Welt gegenüber nur mehr als Zeichensprache pse_273.005 des Geistes bestehen können? Oder hat sich hier eine bestimmte pse_273.006 Welterfassung ein eigenes System gebildet, um sprachlich pse_273.007 auf andere wirken zu können? Freilich kann auch solche pse_273.008 Weltbildgestaltung aus dem Innersten kommen. Aber ist pse_273.009 das Innerste damit nicht auch charakterisiert?
pse_273.010 3. Die Ausgewogenheit der Glieder ist ein weiteres Formprinzip. pse_273.011 Es ist damit nicht bloß die Tatsache gemeint, daß die pse_273.012 gleiche Länge oder auch Bedeutsamkeit einzelner Glieder pse_273.013 Harmonie schafft, aber auch Eintönigkeit hervorrufen kann, pse_273.014 daß also Wechsel in dieser Hinsicht Bewegung erzeugt; sondern pse_273.015 es kommt auch auf die Anordnung der Glieder zum pse_273.016 Ganzen an. Sie können einander so folgen, daß die Gewichtigkeit pse_273.017 zunimmt und so am Schluß die krönende Höhe erreicht pse_273.018 wird. Es kann auch eine Art Kreisbewegung entstehen: pse_273.019 so etwa der Weg des Grünen Heinrich, der von seiner pse_273.020 Fahrt in die große Welt wieder in die Heimat zurückkehrt. pse_273.021 Ganz eigenartig ist die Doppelbewegung im "Hyperion" pse_273.022 Hölderlins. Wir verfolgen nicht nur den Lebensbericht Hyperions pse_273.023 an Bellarmin, sondern auch das darin erzählte Leben. pse_273.024 Hyperion beginnt im Augenblick zu schreiben, wo er nach pse_273.025 der Rückkehr aus Deutschland in die Heimat die innere pse_273.026 Katastrophe überwindet durch das religiöse Erleben der Allnatur. pse_273.027 Und gerade mit dieser Lebensstufe endet der Bericht. pse_273.028 Das Ende schließt somit an den Anfang, zugleich macht aber pse_273.029 Hyperion während des Lebensbekenntnisses eine weitere, pse_273.030 festigende Entwicklung durch. In Jean Pauls "Titan" ergibt pse_273.031 sich der Aufbau durch das eigenartige Zusammenspielen pse_273.032 zweier Lebensräume: Italien und die Landschaft im deutschen pse_273.033 Fürstentum. Möglich ist es auch, daß die Mitte in besonderer pse_273.034 Weise herausgeformt ist und damit eine neue Art der Geschlossenheit pse_273.035 entsteht. So vielfach in den Novellen und Romanen pse_273.036 Stifters. Die mittleren Kapitel sind oft Wende oder pse_273.037 Höhe, und auch die Kapitelreihen vorher und nachher gewinnen pse_273.038 durch bestimmte Bezüge auf diese Mitte hin eine
pse_273.001 knappe Zeichen. Man denkt dabei an den Parabelcharakter pse_273.002 der Novellen, knappen Erzählungen und Skizzen Kafkas. pse_273.003 Damit rühren wir allerdings an Grenzen der Kunst: sollte sie pse_273.004 der modernen Welt gegenüber nur mehr als Zeichensprache pse_273.005 des Geistes bestehen können? Oder hat sich hier eine bestimmte pse_273.006 Welterfassung ein eigenes System gebildet, um sprachlich pse_273.007 auf andere wirken zu können? Freilich kann auch solche pse_273.008 Weltbildgestaltung aus dem Innersten kommen. Aber ist pse_273.009 das Innerste damit nicht auch charakterisiert?
pse_273.010 3. Die Ausgewogenheit der Glieder ist ein weiteres Formprinzip. pse_273.011 Es ist damit nicht bloß die Tatsache gemeint, daß die pse_273.012 gleiche Länge oder auch Bedeutsamkeit einzelner Glieder pse_273.013 Harmonie schafft, aber auch Eintönigkeit hervorrufen kann, pse_273.014 daß also Wechsel in dieser Hinsicht Bewegung erzeugt; sondern pse_273.015 es kommt auch auf die Anordnung der Glieder zum pse_273.016 Ganzen an. Sie können einander so folgen, daß die Gewichtigkeit pse_273.017 zunimmt und so am Schluß die krönende Höhe erreicht pse_273.018 wird. Es kann auch eine Art Kreisbewegung entstehen: pse_273.019 so etwa der Weg des Grünen Heinrich, der von seiner pse_273.020 Fahrt in die große Welt wieder in die Heimat zurückkehrt. pse_273.021 Ganz eigenartig ist die Doppelbewegung im »Hyperion« pse_273.022 Hölderlins. Wir verfolgen nicht nur den Lebensbericht Hyperions pse_273.023 an Bellarmin, sondern auch das darin erzählte Leben. pse_273.024 Hyperion beginnt im Augenblick zu schreiben, wo er nach pse_273.025 der Rückkehr aus Deutschland in die Heimat die innere pse_273.026 Katastrophe überwindet durch das religiöse Erleben der Allnatur. pse_273.027 Und gerade mit dieser Lebensstufe endet der Bericht. pse_273.028 Das Ende schließt somit an den Anfang, zugleich macht aber pse_273.029 Hyperion während des Lebensbekenntnisses eine weitere, pse_273.030 festigende Entwicklung durch. In Jean Pauls »Titan« ergibt pse_273.031 sich der Aufbau durch das eigenartige Zusammenspielen pse_273.032 zweier Lebensräume: Italien und die Landschaft im deutschen pse_273.033 Fürstentum. Möglich ist es auch, daß die Mitte in besonderer pse_273.034 Weise herausgeformt ist und damit eine neue Art der Geschlossenheit pse_273.035 entsteht. So vielfach in den Novellen und Romanen pse_273.036 Stifters. Die mittleren Kapitel sind oft Wende oder pse_273.037 Höhe, und auch die Kapitelreihen vorher und nachher gewinnen pse_273.038 durch bestimmte Bezüge auf diese Mitte hin eine
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knappe Zeichen. Man denkt dabei an den Parabelcharakter pse_273.002
der Novellen, knappen Erzählungen und Skizzen Kafkas. pse_273.003
Damit rühren wir allerdings an Grenzen der Kunst: sollte sie pse_273.004
der modernen Welt gegenüber nur mehr als Zeichensprache pse_273.005
des Geistes bestehen können? Oder hat sich hier eine bestimmte pse_273.006
Welterfassung ein eigenes System gebildet, um sprachlich pse_273.007
auf andere wirken zu können? Freilich kann auch solche pse_273.008
Weltbildgestaltung aus dem Innersten kommen. Aber ist pse_273.009
das Innerste damit nicht auch charakterisiert?
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3. Die Ausgewogenheit der Glieder ist ein weiteres Formprinzip. pse_273.011
Es ist damit nicht bloß die Tatsache gemeint, daß die pse_273.012
gleiche Länge oder auch Bedeutsamkeit einzelner Glieder pse_273.013
Harmonie schafft, aber auch Eintönigkeit hervorrufen kann, pse_273.014
daß also Wechsel in dieser Hinsicht Bewegung erzeugt; sondern pse_273.015
es kommt auch auf die Anordnung der Glieder zum pse_273.016
Ganzen an. Sie können einander so folgen, daß die Gewichtigkeit pse_273.017
zunimmt und so am Schluß die krönende Höhe erreicht pse_273.018
wird. Es kann auch eine Art Kreisbewegung entstehen: pse_273.019
so etwa der Weg des Grünen Heinrich, der von seiner pse_273.020
Fahrt in die große Welt wieder in die Heimat zurückkehrt. pse_273.021
Ganz eigenartig ist die Doppelbewegung im »Hyperion« pse_273.022
Hölderlins. Wir verfolgen nicht nur den Lebensbericht Hyperions pse_273.023
an Bellarmin, sondern auch das darin erzählte Leben. pse_273.024
Hyperion beginnt im Augenblick zu schreiben, wo er nach pse_273.025
der Rückkehr aus Deutschland in die Heimat die innere pse_273.026
Katastrophe überwindet durch das religiöse Erleben der Allnatur. pse_273.027
Und gerade mit dieser Lebensstufe endet der Bericht. pse_273.028
Das Ende schließt somit an den Anfang, zugleich macht aber pse_273.029
Hyperion während des Lebensbekenntnisses eine weitere, pse_273.030
festigende Entwicklung durch. In Jean Pauls »Titan« ergibt pse_273.031
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zweier Lebensräume: Italien und die Landschaft im deutschen pse_273.033
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/289>, abgerufen am 22.11.2024.
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