pse_011.001 also auch die dieses bedeutenden Phänomens, hat pse_011.002 einen Wert. Allein schon so erscheint eine beinahe systematische pse_011.003 Poetik allen Einzelinterpretationen gegenüber als Ordnung pse_011.004 aller Einsichten in Dichtung gerechtfertigt. Freilich pse_011.005 müssen wir uns dessen bewußt bleiben, daß auch sogenannte pse_011.006 Allgemeineinsichten, die das Dauernde, Überalltägliche der pse_011.007 Dichtung ein für allemal feststellen wollen, immer geschichtlich pse_011.008 bedingt sind. Wir erleben und sehen heute Dichtung pse_011.009 anders, als das schon das 18. Jahrhundert vielfach tat, gewiß pse_011.010 aber ganz anders als vergangenere Zeiten. Dichtung ist für pse_011.011 uns vielfach eben eine andere Gegebenheit als früheren Zeiten, pse_011.012 daher werden auch unsere "allgemeinen" Einsichten anders pse_011.013 sein. Das ist das Schicksal jeder Forschung. Die endgültige pse_011.014 Wahrheit läge eben erst dem Geiste offen, der gleichsam alle pse_011.015 Möglichkeiten, Dichtung zu erleben und zu erfassen, umspannen pse_011.016 könnte. Jeder Forscher und jede Forschergeneration pse_011.017 bewegt sich gleichsam jeweils auf einem anderen Radius von pse_011.018 der Peripherie ins Zentrum. Trotzdem kann die Poetik pse_011.019 Grundlagen für jede weitere wissenschaftliche Tätigkeit auf pse_011.020 dem Gebiete der Literatur geben. Auch für die Literaturgeschichte pse_011.021 gilt das. Denn die geschichtliche Bedingtheit aller pse_011.022 Dichtung gehört ja auch zu ihrem Wesen, ist also auch in der pse_011.023 Poetik zu berücksichtigen. Vor allem aber ist die Poetik pse_011.024 wichtig für die Interpretation, da sie Grundlagen und Grundbegriffe pse_011.025 zum Verständnis der Dichtung gibt. Poetik und pse_011.026 Interpretation begegnen sich auf halbem Weg. Die Interpretation pse_011.027 führt zu Einsichten in Dichtung überhaupt, setzt pse_011.028 aber ein allgemeines Wissen von Dichtung voraus; die pse_011.029 Poetik dagegen fußt, um zu ihren allgemeinen Einsichten zu pse_011.030 kommen, auf der genauen Betrachtung von Einzeldichtungen.
pse_011.031 Neben dem Erkenntniswert der rein wissenschaftlichen Erforschung pse_011.032 der Dichtung überhaupt kommt der Poetik aber pse_011.033 auch ein Dienstwert zu: sie vermag den, der tiefer in Dichtungen pse_011.034 eindringen will, der die Erlebnismöglichkeiten, die pse_011.035 sie bietet, reicher ausschöpfen will, in diesem Bestreben mannigfach pse_011.036 zu fördern. Denn sie weist ihn auf manches hin, pse_011.037 was er sonst übersehen würde und was doch sein Erleben pse_011.038 intensivieren kann.
pse_011.001 also auch die dieses bedeutenden Phänomens, hat pse_011.002 einen Wert. Allein schon so erscheint eine beinahe systematische pse_011.003 Poetik allen Einzelinterpretationen gegenüber als Ordnung pse_011.004 aller Einsichten in Dichtung gerechtfertigt. Freilich pse_011.005 müssen wir uns dessen bewußt bleiben, daß auch sogenannte pse_011.006 Allgemeineinsichten, die das Dauernde, Überalltägliche der pse_011.007 Dichtung ein für allemal feststellen wollen, immer geschichtlich pse_011.008 bedingt sind. Wir erleben und sehen heute Dichtung pse_011.009 anders, als das schon das 18. Jahrhundert vielfach tat, gewiß pse_011.010 aber ganz anders als vergangenere Zeiten. Dichtung ist für pse_011.011 uns vielfach eben eine andere Gegebenheit als früheren Zeiten, pse_011.012 daher werden auch unsere »allgemeinen« Einsichten anders pse_011.013 sein. Das ist das Schicksal jeder Forschung. Die endgültige pse_011.014 Wahrheit läge eben erst dem Geiste offen, der gleichsam alle pse_011.015 Möglichkeiten, Dichtung zu erleben und zu erfassen, umspannen pse_011.016 könnte. Jeder Forscher und jede Forschergeneration pse_011.017 bewegt sich gleichsam jeweils auf einem anderen Radius von pse_011.018 der Peripherie ins Zentrum. Trotzdem kann die Poetik pse_011.019 Grundlagen für jede weitere wissenschaftliche Tätigkeit auf pse_011.020 dem Gebiete der Literatur geben. Auch für die Literaturgeschichte pse_011.021 gilt das. Denn die geschichtliche Bedingtheit aller pse_011.022 Dichtung gehört ja auch zu ihrem Wesen, ist also auch in der pse_011.023 Poetik zu berücksichtigen. Vor allem aber ist die Poetik pse_011.024 wichtig für die Interpretation, da sie Grundlagen und Grundbegriffe pse_011.025 zum Verständnis der Dichtung gibt. Poetik und pse_011.026 Interpretation begegnen sich auf halbem Weg. Die Interpretation pse_011.027 führt zu Einsichten in Dichtung überhaupt, setzt pse_011.028 aber ein allgemeines Wissen von Dichtung voraus; die pse_011.029 Poetik dagegen fußt, um zu ihren allgemeinen Einsichten zu pse_011.030 kommen, auf der genauen Betrachtung von Einzeldichtungen.
pse_011.031 Neben dem Erkenntniswert der rein wissenschaftlichen Erforschung pse_011.032 der Dichtung überhaupt kommt der Poetik aber pse_011.033 auch ein Dienstwert zu: sie vermag den, der tiefer in Dichtungen pse_011.034 eindringen will, der die Erlebnismöglichkeiten, die pse_011.035 sie bietet, reicher ausschöpfen will, in diesem Bestreben mannigfach pse_011.036 zu fördern. Denn sie weist ihn auf manches hin, pse_011.037 was er sonst übersehen würde und was doch sein Erleben pse_011.038 intensivieren kann.
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also auch die dieses bedeutenden Phänomens, hat pse_011.002
einen Wert. Allein schon so erscheint eine beinahe systematische pse_011.003
Poetik allen Einzelinterpretationen gegenüber als Ordnung pse_011.004
aller Einsichten in Dichtung gerechtfertigt. Freilich pse_011.005
müssen wir uns dessen bewußt bleiben, daß auch sogenannte pse_011.006
Allgemeineinsichten, die das Dauernde, Überalltägliche der pse_011.007
Dichtung ein für allemal feststellen wollen, immer geschichtlich pse_011.008
bedingt sind. Wir erleben und sehen heute Dichtung pse_011.009
anders, als das schon das 18. Jahrhundert vielfach tat, gewiß pse_011.010
aber ganz anders als vergangenere Zeiten. Dichtung ist für pse_011.011
uns vielfach eben eine andere Gegebenheit als früheren Zeiten, pse_011.012
daher werden auch unsere »allgemeinen« Einsichten anders pse_011.013
sein. Das ist das Schicksal jeder Forschung. Die endgültige pse_011.014
Wahrheit läge eben erst dem Geiste offen, der gleichsam alle pse_011.015
Möglichkeiten, Dichtung zu erleben und zu erfassen, umspannen pse_011.016
könnte. Jeder Forscher und jede Forschergeneration pse_011.017
bewegt sich gleichsam jeweils auf einem anderen Radius von pse_011.018
der Peripherie ins Zentrum. Trotzdem kann die Poetik pse_011.019
Grundlagen für jede weitere wissenschaftliche Tätigkeit auf pse_011.020
dem Gebiete der Literatur geben. Auch für die Literaturgeschichte pse_011.021
gilt das. Denn die geschichtliche Bedingtheit aller pse_011.022
Dichtung gehört ja auch zu ihrem Wesen, ist also auch in der pse_011.023
Poetik zu berücksichtigen. Vor allem aber ist die Poetik pse_011.024
wichtig für die Interpretation, da sie Grundlagen und Grundbegriffe pse_011.025
zum Verständnis der Dichtung gibt. Poetik und pse_011.026
Interpretation begegnen sich auf halbem Weg. Die Interpretation pse_011.027
führt zu Einsichten in Dichtung überhaupt, setzt pse_011.028
aber ein allgemeines Wissen von Dichtung voraus; die pse_011.029
Poetik dagegen fußt, um zu ihren allgemeinen Einsichten zu pse_011.030
kommen, auf der genauen Betrachtung von Einzeldichtungen.
pse_011.031
Neben dem Erkenntniswert der rein wissenschaftlichen Erforschung pse_011.032
der Dichtung überhaupt kommt der Poetik aber pse_011.033
auch ein Dienstwert zu: sie vermag den, der tiefer in Dichtungen pse_011.034
eindringen will, der die Erlebnismöglichkeiten, die pse_011.035
sie bietet, reicher ausschöpfen will, in diesem Bestreben mannigfach pse_011.036
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was er sonst übersehen würde und was doch sein Erleben pse_011.038
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/27>, abgerufen am 21.11.2024.
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