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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959.

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schon durch diese Bildstruktur Wandlungen zu formen. "Der pse_213.002
Jüngling verlor sich allmählich in süßen Phantasien und entschlummerte. pse_213.003
Da träumte ihm erst von unabsehlichen Fernen, pse_213.004
und wilden, unbekannten Gegenden. Er wanderte über Meere pse_213.005
mit unbegreiflicher Leichtigkeit; wunderliche Tiere sah er; pse_213.006
er lebte mit mannigfaltigen Menschen, bald im Kriege, in pse_213.007
wildem Getümmel, in stillen Hütten" ... "Endlich gelangte pse_213.008
er zu einer kleinen Wiese, die am Hange des Berges lag. pse_213.009
Hinter der Wiese erhob sich eine hohe Klippe, an deren Fuß pse_213.010
er eine Öffnung erblickte."

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Aus einzelnen sprachlichen Bildern formen sich dann pse_213.012
höhere Einheiten. Sie bilden eine Ganzheit in bezug auf den pse_213.013
Neuaufbau der Welt und sind doch zugleich Bewegung in pse_213.014
bezug auf das Werden dieses Weltbildes. Die Ganzheit dieser pse_213.015
Bilder kann eine geschlossene Einheit bilden. Es entsteht ein pse_213.016
einheitlich gesehener Vorgang:

pse_213.017

Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille pse_213.018
Sich lautlos auf --. Dann geht ein Bild hinein, pse_213.019
Geht durch der Glieder angespannte Stille -- pse_213.020
Und hört im Herzen auf zu sein.
(Rilke, Panther)

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Alle sprachlichen Bilder dieser Strophe sind auf den einen pse_213.022
Vorgang ausgerichtet, wie ein Eindruck durch das Auge bis pse_213.023
in das Innerste geht. Die Ganzheit der Bilder aber kann auch pse_213.024
voller Gegensätze und innerer Gespanntheit sein und schafft pse_213.025
so Großbilder voll Bewegtheit und Dramatik. Das folgende pse_213.026
dichterische Bild baut auf einer scharfen Gegensätzlichkeit im pse_213.027
ersten Satz auf: "Eine schwache Wolke schwebt über dem pse_213.028
Meere, diese faßt mit einem langen, feinen Finger in den unendlichen pse_213.029
Ozean, aufwärts kocht, wirbelt und tanzt das emporgestörte pse_213.030
Wasser, es pfeift und zischt; Nebel und Schaum pse_213.031
rings umher und Blitz und Donner! so rückt das Phantom, pse_213.032
welches nicht Dunst und nicht Woge mehr ist, sprungweise pse_213.033
vor, bis es plätschernd zerbricht" (Immermann, Münchhausen).

pse_213.034
Sehr wichtig sind nun die Möglichkeiten, die sich aus Entwicklungsrichtungen pse_213.035
des geschlossenen Bildes ergeben. 1. Das pse_213.036
Bild wird angefüllt, und zwar entweder an Intensität, und pse_213.037
damit wird der Weg zum Symbol betreten, oder an Extensität, pse_213.038
und damit bereitet sich die Sprengung des geschlossenen

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schon durch diese Bildstruktur Wandlungen zu formen. »Der pse_213.002
Jüngling verlor sich allmählich in süßen Phantasien und entschlummerte. pse_213.003
Da träumte ihm erst von unabsehlichen Fernen, pse_213.004
und wilden, unbekannten Gegenden. Er wanderte über Meere pse_213.005
mit unbegreiflicher Leichtigkeit; wunderliche Tiere sah er; pse_213.006
er lebte mit mannigfaltigen Menschen, bald im Kriege, in pse_213.007
wildem Getümmel, in stillen Hütten« ... »Endlich gelangte pse_213.008
er zu einer kleinen Wiese, die am Hange des Berges lag. pse_213.009
Hinter der Wiese erhob sich eine hohe Klippe, an deren Fuß pse_213.010
er eine Öffnung erblickte.«

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Aus einzelnen sprachlichen Bildern formen sich dann pse_213.012
höhere Einheiten. Sie bilden eine Ganzheit in bezug auf den pse_213.013
Neuaufbau der Welt und sind doch zugleich Bewegung in pse_213.014
bezug auf das Werden dieses Weltbildes. Die Ganzheit dieser pse_213.015
Bilder kann eine geschlossene Einheit bilden. Es entsteht ein pse_213.016
einheitlich gesehener Vorgang:

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Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille pse_213.018
Sich lautlos auf —. Dann geht ein Bild hinein, pse_213.019
Geht durch der Glieder angespannte Stille — pse_213.020
Und hört im Herzen auf zu sein.
(Rilke, Panther)

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Alle sprachlichen Bilder dieser Strophe sind auf den einen pse_213.022
Vorgang ausgerichtet, wie ein Eindruck durch das Auge bis pse_213.023
in das Innerste geht. Die Ganzheit der Bilder aber kann auch pse_213.024
voller Gegensätze und innerer Gespanntheit sein und schafft pse_213.025
so Großbilder voll Bewegtheit und Dramatik. Das folgende pse_213.026
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ersten Satz auf: »Eine schwache Wolke schwebt über dem pse_213.028
Meere, diese faßt mit einem langen, feinen Finger in den unendlichen pse_213.029
Ozean, aufwärts kocht, wirbelt und tanzt das emporgestörte pse_213.030
Wasser, es pfeift und zischt; Nebel und Schaum pse_213.031
rings umher und Blitz und Donner! so rückt das Phantom, pse_213.032
welches nicht Dunst und nicht Woge mehr ist, sprungweise pse_213.033
vor, bis es plätschernd zerbricht« (Immermann, Münchhausen).

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Sehr wichtig sind nun die Möglichkeiten, die sich aus Entwicklungsrichtungen pse_213.035
des geschlossenen Bildes ergeben. 1. Das pse_213.036
Bild wird angefüllt, und zwar entweder an Intensität, und pse_213.037
damit wird der Weg zum Symbol betreten, oder an Extensität, pse_213.038
und damit bereitet sich die Sprengung des geschlossenen

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[213/0229] pse_213.001 schon durch diese Bildstruktur Wandlungen zu formen. »Der pse_213.002 Jüngling verlor sich allmählich in süßen Phantasien und entschlummerte. pse_213.003 Da träumte ihm erst von unabsehlichen Fernen, pse_213.004 und wilden, unbekannten Gegenden. Er wanderte über Meere pse_213.005 mit unbegreiflicher Leichtigkeit; wunderliche Tiere sah er; pse_213.006 er lebte mit mannigfaltigen Menschen, bald im Kriege, in pse_213.007 wildem Getümmel, in stillen Hütten« ... »Endlich gelangte pse_213.008 er zu einer kleinen Wiese, die am Hange des Berges lag. pse_213.009 Hinter der Wiese erhob sich eine hohe Klippe, an deren Fuß pse_213.010 er eine Öffnung erblickte.« pse_213.011 Aus einzelnen sprachlichen Bildern formen sich dann pse_213.012 höhere Einheiten. Sie bilden eine Ganzheit in bezug auf den pse_213.013 Neuaufbau der Welt und sind doch zugleich Bewegung in pse_213.014 bezug auf das Werden dieses Weltbildes. Die Ganzheit dieser pse_213.015 Bilder kann eine geschlossene Einheit bilden. Es entsteht ein pse_213.016 einheitlich gesehener Vorgang: pse_213.017 Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille pse_213.018 Sich lautlos auf —. Dann geht ein Bild hinein, pse_213.019 Geht durch der Glieder angespannte Stille — pse_213.020 Und hört im Herzen auf zu sein. (Rilke, Panther) pse_213.021 Alle sprachlichen Bilder dieser Strophe sind auf den einen pse_213.022 Vorgang ausgerichtet, wie ein Eindruck durch das Auge bis pse_213.023 in das Innerste geht. Die Ganzheit der Bilder aber kann auch pse_213.024 voller Gegensätze und innerer Gespanntheit sein und schafft pse_213.025 so Großbilder voll Bewegtheit und Dramatik. Das folgende pse_213.026 dichterische Bild baut auf einer scharfen Gegensätzlichkeit im pse_213.027 ersten Satz auf: »Eine schwache Wolke schwebt über dem pse_213.028 Meere, diese faßt mit einem langen, feinen Finger in den unendlichen pse_213.029 Ozean, aufwärts kocht, wirbelt und tanzt das emporgestörte pse_213.030 Wasser, es pfeift und zischt; Nebel und Schaum pse_213.031 rings umher und Blitz und Donner! so rückt das Phantom, pse_213.032 welches nicht Dunst und nicht Woge mehr ist, sprungweise pse_213.033 vor, bis es plätschernd zerbricht« (Immermann, Münchhausen). pse_213.034 Sehr wichtig sind nun die Möglichkeiten, die sich aus Entwicklungsrichtungen pse_213.035 des geschlossenen Bildes ergeben. 1. Das pse_213.036 Bild wird angefüllt, und zwar entweder an Intensität, und pse_213.037 damit wird der Weg zum Symbol betreten, oder an Extensität, pse_213.038 und damit bereitet sich die Sprengung des geschlossenen

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Zitationshilfe: Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/229>, abgerufen am 25.11.2024.