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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959.

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mit angestrengter Anmut herum, spitzte lächerlich das Maul, pse_212.002
daß es süß aussehen sollte, hüpfte elastisch an die Tische pse_212.003
hin ..." (G. Keller, Romeo und Julia auf dem Dorf). In pse_212.004
diesem Zusammenhang sei auf die sogenannten Synästhesien pse_212.005
hingewiesen, d. h. auf das Zusammenfügen von Worten, pse_212.006
deren Gehalt aus verschiedenen Sinnesbereichen stammt. Der pse_212.007
stilistische Wert und Sinn kann zweifach sein.

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Entweder werden dadurch weite Bereiche verschiedener pse_212.009
Art in der sprachlichen Gestaltung zusammengezwungen pse_212.010
oder -- und darin ruht der tiefere Sinn und die ästhetische pse_212.011
Wurzel der Synästhesien -- es liegt ihnen ein sprachliches Ergreifen pse_212.012
aus Urgefühlen zugrunde, die gleichsam vor den pse_212.013
Unterscheidungen der einzelnen Sinnesgebiete da sind; in pse_212.014
diesen Urgefühlen liegen im Keim die Stimmungen, die sich pse_212.015
dann in den einzelnen Sinnesgebieten entfalten. Sprachlich pse_212.016
sucht also der Dichter von den ausdifferenzierten Sinnesbereichen pse_212.017
sich wieder zurückzutasten zu den Urbereichen. Zwei pse_212.018
Bilder aus Brentanos "Abendständchen":

pse_212.019
Golden wehn die Töne nieder;
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Durch die Nacht, die mich umfangen, pse_212.021
Blickt zu mir der Töne Licht.

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Im klaren Bild liegt eine Prägung vor, die Worte wählt pse_212.023
mit klar und scharf umgrenztem Gehalt, das Bild ist deutlich pse_212.024
in seinen Gliedern gebaut, der gestaltete Vorgang abgehoben pse_212.025
von jedem anderen. Man kann vergleichsweise an die klare pse_212.026
Linienführung der Plastik denken. "Die Bäume ragten mit pse_212.027
dem schwarzen oder bräunlichen Gezweige nackt in die dunkelblaue pse_212.028
Luft. Das einzige Grün waren die Gartengitter" pse_212.029
(Stifter, Nachsommer). Im verschwommenen Bild -- der pse_212.030
Ausdruck enthält keine Abwertung -- fließen die einzelnen pse_212.031
Glieder zusammen, die Vorgangswörter betonen Übergänge, pse_212.032
die Wortgehalte haben keine Ränder, sondern unscharfe pse_212.033
Grenzen, gefühlhaft tritt das Nahe, das Geheimnisvolle, das pse_212.034
Geborgensein hervor. Das Märchen von der blauen Blume am pse_212.035
Anfang des "Heinrich von Ofterdingen" von Novalis zeigt pse_212.036
beide Möglichkeiten, das verschwommene und das klare pse_212.037
Bild, im Ablauf des Geschehens und damit die Möglichkeit,

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mit angestrengter Anmut herum, spitzte lächerlich das Maul, pse_212.002
daß es süß aussehen sollte, hüpfte elastisch an die Tische pse_212.003
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Entweder werden dadurch weite Bereiche verschiedener pse_212.009
Art in der sprachlichen Gestaltung zusammengezwungen pse_212.010
oder — und darin ruht der tiefere Sinn und die ästhetische pse_212.011
Wurzel der Synästhesien — es liegt ihnen ein sprachliches Ergreifen pse_212.012
aus Urgefühlen zugrunde, die gleichsam vor den pse_212.013
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dann in den einzelnen Sinnesgebieten entfalten. Sprachlich pse_212.016
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sich wieder zurückzutasten zu den Urbereichen. Zwei pse_212.018
Bilder aus Brentanos »Abendständchen«:

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Golden wehn die Töne nieder;
pse_212.020
Durch die Nacht, die mich umfangen, pse_212.021
Blickt zu mir der Töne Licht.

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Im klaren Bild liegt eine Prägung vor, die Worte wählt pse_212.023
mit klar und scharf umgrenztem Gehalt, das Bild ist deutlich pse_212.024
in seinen Gliedern gebaut, der gestaltete Vorgang abgehoben pse_212.025
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dem schwarzen oder bräunlichen Gezweige nackt in die dunkelblaue pse_212.028
Luft. Das einzige Grün waren die Gartengitter« pse_212.029
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Ausdruck enthält keine Abwertung — fließen die einzelnen pse_212.031
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Anfang des »Heinrich von Ofterdingen« von Novalis zeigt pse_212.036
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Zitationshilfe: Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/228>, abgerufen am 25.11.2024.