pse_201.001 eine Strophe hinausgeht, in den 100 Distichen von Schillers pse_201.002 "Spaziergang" nur 16mal. -- 2. Die antiken Odenstrophen. In pse_201.003 ihnen ist die Spannung zwischen metrischer Form und Satzbewegung pse_201.004 besonders groß. Gespanntheit ist denn auch der pse_201.005 Eindruck in ihren deutschen Nachbildungen, besonders großartig pse_201.006 in Hölderlins Oden. Auch hier beruht ein großer Teil pse_201.007 der Wirkung darin, daß am Schluß meist beide Ordnungen, pse_201.008 das metrische Schema und die Satzbewegung, zu einem gleichen pse_201.009 und rhythmisch herausgearbeiteten Abschluß kommen. pse_201.010 -- 3. Die Reimstrophen. Der wiederkehrende Gleichklang pse_201.011 und die Sinnenthüllung dadurch schafft eine vorwärtsdrängende pse_201.012 Bewegung und zugleich Überraschung. Die Reimstrophen pse_201.013 folgen vor allem dem Gesetz der Einfachheit und pse_201.014 Klarheit. Durchbrechungen der strengen Form einer Reimstrophe pse_201.015 schaffen Auflockerung und betonen die Fortbewegung, pse_201.016 oft auch Anspannung, besonders wenn die Durchbrechungen pse_201.017 auffällig sind. Die Nibelungenstrophe mit ihren Langversen pse_201.018 ist der epischen Fortbewegung günstig, schafft aber zugleich pse_201.019 Rundung in kleinen Gebilden. Dieselbe Verdichtung gewinnt pse_201.020 ja die Balladenform an ihrem strophischen Aufbau. Die Fortbewegung pse_201.021 herrscht deutlich in der Terzine (Dantes "Divina pse_201.022 Commedia"), da immer ein Reimwort in die nächste Strophe pse_201.023 hinüberweist: aba bcb cdc ... xyx yzy z. Erst am Schluß des pse_201.024 Gedichts kommt die Bewegung im Abschlußreim zur Ruhe. pse_201.025 Feine Abwandlungen schafft Hofmannsthal in der "Ballade pse_201.026 vom äußeren Leben" und drängt gerade dadurch den Gehalt pse_201.027 heraus. Die Stanze (strenge Form: ab ab ab cc) ist im Italienischen pse_201.028 aus dessen Sprachcharakter stark wogend, daher episch. pse_201.029 Im Deutschen kann sie in ihrer reinen Vollendung in größeren pse_201.030 lyrischen Gedichten wirken: Goethes "Zueignung". Eine gewisse pse_201.031 Hochgestimmtheit, Enthobenheit prägt sich in ihr aus. pse_201.032 Die strengste Form ist das Sonett, das sich im späten Mittelalter pse_201.033 in der Romania, besonders in Italien, ausbildet. Zwei pse_201.034 vierzeilige Strophen, jede abba, zwei dreizeilige mit freierer pse_201.035 Reimfolge. Die Strenge, in der sich ein klarer Aufbau ausprägt, pse_201.036 bannt auch die stärksten Gefühlswallungen in dichte pse_201.037 Form. Das Sonett könnte man geradezu als Symbol des pse_201.038 künstlerischen Bildens ansehen. Und doch läßt auch diese
pse_201.001 eine Strophe hinausgeht, in den 100 Distichen von Schillers pse_201.002 »Spaziergang« nur 16mal. — 2. Die antiken Odenstrophen. In pse_201.003 ihnen ist die Spannung zwischen metrischer Form und Satzbewegung pse_201.004 besonders groß. Gespanntheit ist denn auch der pse_201.005 Eindruck in ihren deutschen Nachbildungen, besonders großartig pse_201.006 in Hölderlins Oden. Auch hier beruht ein großer Teil pse_201.007 der Wirkung darin, daß am Schluß meist beide Ordnungen, pse_201.008 das metrische Schema und die Satzbewegung, zu einem gleichen pse_201.009 und rhythmisch herausgearbeiteten Abschluß kommen. pse_201.010 — 3. Die Reimstrophen. Der wiederkehrende Gleichklang pse_201.011 und die Sinnenthüllung dadurch schafft eine vorwärtsdrängende pse_201.012 Bewegung und zugleich Überraschung. Die Reimstrophen pse_201.013 folgen vor allem dem Gesetz der Einfachheit und pse_201.014 Klarheit. Durchbrechungen der strengen Form einer Reimstrophe pse_201.015 schaffen Auflockerung und betonen die Fortbewegung, pse_201.016 oft auch Anspannung, besonders wenn die Durchbrechungen pse_201.017 auffällig sind. Die Nibelungenstrophe mit ihren Langversen pse_201.018 ist der epischen Fortbewegung günstig, schafft aber zugleich pse_201.019 Rundung in kleinen Gebilden. Dieselbe Verdichtung gewinnt pse_201.020 ja die Balladenform an ihrem strophischen Aufbau. Die Fortbewegung pse_201.021 herrscht deutlich in der Terzine (Dantes »Divina pse_201.022 Commedia«), da immer ein Reimwort in die nächste Strophe pse_201.023 hinüberweist: aba bcb cdc ... xyx yzy z. Erst am Schluß des pse_201.024 Gedichts kommt die Bewegung im Abschlußreim zur Ruhe. pse_201.025 Feine Abwandlungen schafft Hofmannsthal in der »Ballade pse_201.026 vom äußeren Leben« und drängt gerade dadurch den Gehalt pse_201.027 heraus. Die Stanze (strenge Form: ab ab ab cc) ist im Italienischen pse_201.028 aus dessen Sprachcharakter stark wogend, daher episch. pse_201.029 Im Deutschen kann sie in ihrer reinen Vollendung in größeren pse_201.030 lyrischen Gedichten wirken: Goethes »Zueignung«. Eine gewisse pse_201.031 Hochgestimmtheit, Enthobenheit prägt sich in ihr aus. pse_201.032 Die strengste Form ist das Sonett, das sich im späten Mittelalter pse_201.033 in der Romania, besonders in Italien, ausbildet. Zwei pse_201.034 vierzeilige Strophen, jede abba, zwei dreizeilige mit freierer pse_201.035 Reimfolge. Die Strenge, in der sich ein klarer Aufbau ausprägt, pse_201.036 bannt auch die stärksten Gefühlswallungen in dichte pse_201.037 Form. Das Sonett könnte man geradezu als Symbol des pse_201.038 künstlerischen Bildens ansehen. Und doch läßt auch diese
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0217"n="201"/><lbn="pse_201.001"/>
eine Strophe hinausgeht, in den 100 Distichen von Schillers <lbn="pse_201.002"/>
»Spaziergang« nur 16mal. — 2. Die antiken Odenstrophen. In <lbn="pse_201.003"/>
ihnen ist die Spannung zwischen metrischer Form und Satzbewegung <lbn="pse_201.004"/>
besonders groß. Gespanntheit ist denn auch der <lbn="pse_201.005"/>
Eindruck in ihren deutschen Nachbildungen, besonders großartig <lbn="pse_201.006"/>
in Hölderlins Oden. Auch hier beruht ein großer Teil <lbn="pse_201.007"/>
der Wirkung darin, daß am Schluß meist beide Ordnungen, <lbn="pse_201.008"/>
das metrische Schema und die Satzbewegung, zu einem gleichen <lbn="pse_201.009"/>
und rhythmisch herausgearbeiteten Abschluß kommen. <lbn="pse_201.010"/>— 3. Die Reimstrophen. Der wiederkehrende Gleichklang <lbn="pse_201.011"/>
und die Sinnenthüllung dadurch schafft eine vorwärtsdrängende <lbn="pse_201.012"/>
Bewegung und zugleich Überraschung. Die Reimstrophen <lbn="pse_201.013"/>
folgen vor allem dem Gesetz der Einfachheit und <lbn="pse_201.014"/>
Klarheit. Durchbrechungen der strengen Form einer Reimstrophe <lbn="pse_201.015"/>
schaffen Auflockerung und betonen die Fortbewegung, <lbn="pse_201.016"/>
oft auch Anspannung, besonders wenn die Durchbrechungen <lbn="pse_201.017"/>
auffällig sind. Die Nibelungenstrophe mit ihren Langversen <lbn="pse_201.018"/>
ist der epischen Fortbewegung günstig, schafft aber zugleich <lbn="pse_201.019"/>
Rundung in kleinen Gebilden. Dieselbe Verdichtung gewinnt <lbn="pse_201.020"/>
ja die Balladenform an ihrem strophischen Aufbau. Die Fortbewegung <lbn="pse_201.021"/>
herrscht deutlich in der Terzine (Dantes »Divina <lbn="pse_201.022"/>
Commedia«), da immer ein Reimwort in die nächste Strophe <lbn="pse_201.023"/>
hinüberweist: aba bcb cdc ... xyx yzy z. Erst am Schluß des <lbn="pse_201.024"/>
Gedichts kommt die Bewegung im Abschlußreim zur Ruhe. <lbn="pse_201.025"/>
Feine Abwandlungen schafft Hofmannsthal in der »Ballade <lbn="pse_201.026"/>
vom äußeren Leben« und drängt gerade dadurch den Gehalt <lbn="pse_201.027"/>
heraus. Die Stanze (strenge Form: ab ab ab cc) ist im Italienischen <lbn="pse_201.028"/>
aus dessen Sprachcharakter stark wogend, daher episch. <lbn="pse_201.029"/>
Im Deutschen kann sie in ihrer reinen Vollendung in größeren <lbn="pse_201.030"/>
lyrischen Gedichten wirken: Goethes »Zueignung«. Eine gewisse <lbn="pse_201.031"/>
Hochgestimmtheit, Enthobenheit prägt sich in ihr aus. <lbn="pse_201.032"/>
Die strengste Form ist das Sonett, das sich im späten Mittelalter <lbn="pse_201.033"/>
in der Romania, besonders in Italien, ausbildet. Zwei <lbn="pse_201.034"/>
vierzeilige Strophen, jede abba, zwei dreizeilige mit freierer <lbn="pse_201.035"/>
Reimfolge. Die Strenge, in der sich ein klarer Aufbau ausprägt, <lbn="pse_201.036"/>
bannt auch die stärksten Gefühlswallungen in dichte <lbn="pse_201.037"/>
Form. Das Sonett könnte man geradezu als Symbol des <lbn="pse_201.038"/>
künstlerischen Bildens ansehen. Und doch läßt auch diese
</p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[201/0217]
pse_201.001
eine Strophe hinausgeht, in den 100 Distichen von Schillers pse_201.002
»Spaziergang« nur 16mal. — 2. Die antiken Odenstrophen. In pse_201.003
ihnen ist die Spannung zwischen metrischer Form und Satzbewegung pse_201.004
besonders groß. Gespanntheit ist denn auch der pse_201.005
Eindruck in ihren deutschen Nachbildungen, besonders großartig pse_201.006
in Hölderlins Oden. Auch hier beruht ein großer Teil pse_201.007
der Wirkung darin, daß am Schluß meist beide Ordnungen, pse_201.008
das metrische Schema und die Satzbewegung, zu einem gleichen pse_201.009
und rhythmisch herausgearbeiteten Abschluß kommen. pse_201.010
— 3. Die Reimstrophen. Der wiederkehrende Gleichklang pse_201.011
und die Sinnenthüllung dadurch schafft eine vorwärtsdrängende pse_201.012
Bewegung und zugleich Überraschung. Die Reimstrophen pse_201.013
folgen vor allem dem Gesetz der Einfachheit und pse_201.014
Klarheit. Durchbrechungen der strengen Form einer Reimstrophe pse_201.015
schaffen Auflockerung und betonen die Fortbewegung, pse_201.016
oft auch Anspannung, besonders wenn die Durchbrechungen pse_201.017
auffällig sind. Die Nibelungenstrophe mit ihren Langversen pse_201.018
ist der epischen Fortbewegung günstig, schafft aber zugleich pse_201.019
Rundung in kleinen Gebilden. Dieselbe Verdichtung gewinnt pse_201.020
ja die Balladenform an ihrem strophischen Aufbau. Die Fortbewegung pse_201.021
herrscht deutlich in der Terzine (Dantes »Divina pse_201.022
Commedia«), da immer ein Reimwort in die nächste Strophe pse_201.023
hinüberweist: aba bcb cdc ... xyx yzy z. Erst am Schluß des pse_201.024
Gedichts kommt die Bewegung im Abschlußreim zur Ruhe. pse_201.025
Feine Abwandlungen schafft Hofmannsthal in der »Ballade pse_201.026
vom äußeren Leben« und drängt gerade dadurch den Gehalt pse_201.027
heraus. Die Stanze (strenge Form: ab ab ab cc) ist im Italienischen pse_201.028
aus dessen Sprachcharakter stark wogend, daher episch. pse_201.029
Im Deutschen kann sie in ihrer reinen Vollendung in größeren pse_201.030
lyrischen Gedichten wirken: Goethes »Zueignung«. Eine gewisse pse_201.031
Hochgestimmtheit, Enthobenheit prägt sich in ihr aus. pse_201.032
Die strengste Form ist das Sonett, das sich im späten Mittelalter pse_201.033
in der Romania, besonders in Italien, ausbildet. Zwei pse_201.034
vierzeilige Strophen, jede abba, zwei dreizeilige mit freierer pse_201.035
Reimfolge. Die Strenge, in der sich ein klarer Aufbau ausprägt, pse_201.036
bannt auch die stärksten Gefühlswallungen in dichte pse_201.037
Form. Das Sonett könnte man geradezu als Symbol des pse_201.038
künstlerischen Bildens ansehen. Und doch läßt auch diese
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription.
(2015-09-30T09:54:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Weitere Informationen:
Bogensignaturen: keine Angabe;
Druckfehler: keine Angabe;
fremdsprachliches Material: gekennzeichnet;
Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;
Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage;
i/j in Fraktur: wie Vorlage;
I/J in Fraktur: wie Vorlage;
Kolumnentitel: nicht übernommen;
Kustoden: nicht übernommen;
langes s (ſ): wie Vorlage;
Normalisierungen: keine;
rundes r (ꝛ): wie Vorlage;
Seitenumbrüche markiert: ja;
Silbentrennung: nicht übernommen;
u/v bzw. U/V: wie Vorlage;
Vokale mit übergest. e: wie Vorlage;
Vollständigkeit: vollständig erfasst;
Zeichensetzung: wie Vorlage;
Zeilenumbrüche markiert: ja;
Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/217>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.