pse_181.001 braucht es keine symbolhaften Lautgebärden mehr. Von pse_181.002 diesem Augenblick der Sprachentwicklung an kommt es zur pse_181.003 Auffassung von der Zweiheit der Sprache: Bedeutung -- Laut. pse_181.004 Aber in der Vollsprache des Sprachkunstwerks, in der Dichtung pse_181.005 vor allem, sind auch diese Lautungskräfte wieder da und pse_181.006 wirken sich aus. Sie sind daher für die Erfassung der dichterischen pse_181.007 Sprachkunst wichtig.
pse_181.008 Lautung und Gehalt müssen immer als Einheit gedacht pse_181.009 werden: die Lautung ist durch Sinnerfüllung von jedem andern pse_181.010 akustischen Phänomen abgehoben und der Gehalt des Sprachlichen pse_181.011 nur im Lautungsmäßigen geprägt. Nur in theoretischer pse_181.012 Sicht sind da zwei Stilwertgruppen unterscheidbar. pse_181.013 Erst vom Gehalt her erfassen wir auch lautliche Werte: wir pse_181.014 hören sogenannte Lautmalereien nur in einem Sprachgebilde, pse_181.015 das wir verstehen. Nur bei tiefem Erleben eines Erfahrungsstückes pse_181.016 greifen wir zu einem Wort, das auch im Lautungsmäßigen pse_181.017 eindrucksvoll ist. Es kommt so zu einer Art Auslese pse_181.018 der Worte auch im Sinne ihrer lautungsmäßig möglichst pse_181.019 deutlichen Geprägtheit. Lautung ist aber schon an sich sinnträchtig. pse_181.020 Sobald wir Lautung vernehmen, wir also wissen, pse_181.021 daß es sich um Sprache handelt, nehmen wir an, daß das pse_181.022 Gehörte einen Sinn hat, auch wenn wir es nicht verstehen. pse_181.023 Man erzählt von einem witzigen italienischen Geistlichen, der pse_181.024 in einer Predigt die Leute zu Tränen rührte, indem er bloß pse_181.025 das Alphabet lautungsmäßig ausdrucksvoll deklamierte!
pse_181.026 Schwierig ist es, wie man diese Lautungssymbolik theoretisch pse_181.027 erfaßt. Man kann von einigen allgemeinen Feststellungen pse_181.028 ausgehen: daß etwa i die Nähe (Kling, hier, dies, engl. pse_181.029 here, frz. ceci) und a die Ferne andeutet (Klang, da, das, there, pse_181.030 cela); daß man gewisse Mundräume mit den Lauten bezeichnet, pse_181.031 die an ihnen gebildet werden: Lippe, labium, levre; lingua, pse_181.032 tongue, Zunge; Gaumen, guttural. Und bei Worten wie pse_181.033 flimmern, blitzen, schnellen, bei leicht gebärdenhaftem Sprechen pse_181.034 von schnöde, blöde, graziös usw. kann man behaupten, pse_181.035 man höre in den Laut den Sinn hinein. In der Dichtung vor pse_181.036 allem besteht erhöhte Lautbedeutsamkeit. In Sprachgebilden pse_181.037 gibt es auch Lautungsträger, in denen sich die Stimmung pse_181.038 lautungsmäßig verdichtet, etwa in einem Wort innerhalb
pse_181.001 braucht es keine symbolhaften Lautgebärden mehr. Von pse_181.002 diesem Augenblick der Sprachentwicklung an kommt es zur pse_181.003 Auffassung von der Zweiheit der Sprache: Bedeutung — Laut. pse_181.004 Aber in der Vollsprache des Sprachkunstwerks, in der Dichtung pse_181.005 vor allem, sind auch diese Lautungskräfte wieder da und pse_181.006 wirken sich aus. Sie sind daher für die Erfassung der dichterischen pse_181.007 Sprachkunst wichtig.
pse_181.008 Lautung und Gehalt müssen immer als Einheit gedacht pse_181.009 werden: die Lautung ist durch Sinnerfüllung von jedem andern pse_181.010 akustischen Phänomen abgehoben und der Gehalt des Sprachlichen pse_181.011 nur im Lautungsmäßigen geprägt. Nur in theoretischer pse_181.012 Sicht sind da zwei Stilwertgruppen unterscheidbar. pse_181.013 Erst vom Gehalt her erfassen wir auch lautliche Werte: wir pse_181.014 hören sogenannte Lautmalereien nur in einem Sprachgebilde, pse_181.015 das wir verstehen. Nur bei tiefem Erleben eines Erfahrungsstückes pse_181.016 greifen wir zu einem Wort, das auch im Lautungsmäßigen pse_181.017 eindrucksvoll ist. Es kommt so zu einer Art Auslese pse_181.018 der Worte auch im Sinne ihrer lautungsmäßig möglichst pse_181.019 deutlichen Geprägtheit. Lautung ist aber schon an sich sinnträchtig. pse_181.020 Sobald wir Lautung vernehmen, wir also wissen, pse_181.021 daß es sich um Sprache handelt, nehmen wir an, daß das pse_181.022 Gehörte einen Sinn hat, auch wenn wir es nicht verstehen. pse_181.023 Man erzählt von einem witzigen italienischen Geistlichen, der pse_181.024 in einer Predigt die Leute zu Tränen rührte, indem er bloß pse_181.025 das Alphabet lautungsmäßig ausdrucksvoll deklamierte!
pse_181.026 Schwierig ist es, wie man diese Lautungssymbolik theoretisch pse_181.027 erfaßt. Man kann von einigen allgemeinen Feststellungen pse_181.028 ausgehen: daß etwa i die Nähe (Kling, hier, dies, engl. pse_181.029 here, frz. ceci) und a die Ferne andeutet (Klang, da, das, there, pse_181.030 cela); daß man gewisse Mundräume mit den Lauten bezeichnet, pse_181.031 die an ihnen gebildet werden: Lippe, labium, lèvre; lingua, pse_181.032 tongue, Zunge; Gaumen, guttural. Und bei Worten wie pse_181.033 flimmern, blitzen, schnellen, bei leicht gebärdenhaftem Sprechen pse_181.034 von schnöde, blöde, graziös usw. kann man behaupten, pse_181.035 man höre in den Laut den Sinn hinein. In der Dichtung vor pse_181.036 allem besteht erhöhte Lautbedeutsamkeit. In Sprachgebilden pse_181.037 gibt es auch Lautungsträger, in denen sich die Stimmung pse_181.038 lautungsmäßig verdichtet, etwa in einem Wort innerhalb
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braucht es keine symbolhaften Lautgebärden mehr. Von pse_181.002
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wirken sich aus. Sie sind daher für die Erfassung der dichterischen pse_181.007
Sprachkunst wichtig.
pse_181.008
Lautung und Gehalt müssen immer als Einheit gedacht pse_181.009
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akustischen Phänomen abgehoben und der Gehalt des Sprachlichen pse_181.011
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Sicht sind da zwei Stilwertgruppen unterscheidbar. pse_181.013
Erst vom Gehalt her erfassen wir auch lautliche Werte: wir pse_181.014
hören sogenannte Lautmalereien nur in einem Sprachgebilde, pse_181.015
das wir verstehen. Nur bei tiefem Erleben eines Erfahrungsstückes pse_181.016
greifen wir zu einem Wort, das auch im Lautungsmäßigen pse_181.017
eindrucksvoll ist. Es kommt so zu einer Art Auslese pse_181.018
der Worte auch im Sinne ihrer lautungsmäßig möglichst pse_181.019
deutlichen Geprägtheit. Lautung ist aber schon an sich sinnträchtig. pse_181.020
Sobald wir Lautung vernehmen, wir also wissen, pse_181.021
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Gehörte einen Sinn hat, auch wenn wir es nicht verstehen. pse_181.023
Man erzählt von einem witzigen italienischen Geistlichen, der pse_181.024
in einer Predigt die Leute zu Tränen rührte, indem er bloß pse_181.025
das Alphabet lautungsmäßig ausdrucksvoll deklamierte!
pse_181.026
Schwierig ist es, wie man diese Lautungssymbolik theoretisch pse_181.027
erfaßt. Man kann von einigen allgemeinen Feststellungen pse_181.028
ausgehen: daß etwa i die Nähe (Kling, hier, dies, engl. pse_181.029
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die an ihnen gebildet werden: Lippe, labium, lèvre; lingua, pse_181.032
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/197>, abgerufen am 22.11.2024.
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