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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959.

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eben die, die ein monologisches und chorisches Sprechen pse_176.002
gestalten. In solchen Sätzen formen sich unsere innersten pse_176.003
Gefühle, mit denen wir irgendwelchen bedeutsamen und pse_176.004
erregenden Lagen begegnen. Das geht vom einzelnen Schrei pse_176.005
bis zu den mächtigen Chören der griechischen Tragödie. pse_176.006
Aber auch Mitteilungen können gefühlsgetragen sein, besonders pse_176.007
immer, wenn sie eine Teilnahme für den Mitteilenden pse_176.008
oder das Mitgeteilte zugleich erregen wollen. Solche pse_176.009
Teilnahme wünscht der Sprechende vor allem dann, wenn er pse_176.010
selbst mit der Lage nicht mehr fertig wird: dann befiehlt er, pse_176.011
bittet er, fragt er. In allen Satzarten, die solche Befehle, Wünsche pse_176.012
und Fragen gestalten, drückt sich eine bestimmte Gemütshaltung pse_176.013
aus. Besonders deutlich ist das in den Fragesätzen. Unruhe pse_176.014
und Suchen nach einer Lösung, dann Staunen und Bewunderung pse_176.015
als Wurzel echten Wissenwollens ist die Grundhaltung, pse_176.016
die im Fragesatz ihre Ausprägung findet. Darin ruht auch der pse_176.017
Wert der rhetorischen Frage, die dieses Staunen in erregender pse_176.018
Weise dem Hörer mitteilen will. Die sachliche Mitteilung als pse_176.019
reine Berichterstattung ist Sache der Klarheit und des Verstandes. pse_176.020
Das Gefühl tritt hier zurück. Und doch können auch pse_176.021
solche klare und sachliche Satzreihen eine innerste Haltung pse_176.022
prägen, mithin mit dem Gemüt in unserem Sinn zusammenhängen: pse_176.023
Klarheit und Ruhe, Beherrschung der Lage, Distanz pse_176.024
und geistige Sicherheit formen sich in solchen Sätzen.

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Die höheren Einheiten von Sätzen sind in ihrem Bau von pse_176.026
großer künstlerischer Bedeutung, der Stil und seine Art pse_176.027
werden dadurch deutlich bestimmt. In den Satzreihen, also pse_176.028
der Aufeinanderfolge von nicht weiter untergliederten Hauptsätzen, pse_176.029
ist es stilistisch bedeutsam, ob die Sätze ohne sprachliche pse_176.030
Bindung wie Zeigewörter oder Bindewörter aneinander pse_176.031
gereiht sind oder mit solchen. Bei der bindungslosen (asyndetischen) pse_176.032
Reihung bildet das Durchwirken der weiten Satzintention, pse_176.033
die Bindung durch die lautungsmäßige Abfolge pse_176.034
und damit entweder eine gedankliche oder stimmungsmäßige pse_176.035
Einheit die Zusammenfassung. Dabei kann das Fehlen einer pse_176.036
ausgesprochenen und damit klaren Bezugsstiftung zwischen pse_176.037
den einzelnen Sätzen der Stimmung, der inneren Haltung und pse_176.038
ihrem Ausschwingen mehr Möglichkeit geben. Die Bindewörter

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eben die, die ein monologisches und chorisches Sprechen pse_176.002
gestalten. In solchen Sätzen formen sich unsere innersten pse_176.003
Gefühle, mit denen wir irgendwelchen bedeutsamen und pse_176.004
erregenden Lagen begegnen. Das geht vom einzelnen Schrei pse_176.005
bis zu den mächtigen Chören der griechischen Tragödie. pse_176.006
Aber auch Mitteilungen können gefühlsgetragen sein, besonders pse_176.007
immer, wenn sie eine Teilnahme für den Mitteilenden pse_176.008
oder das Mitgeteilte zugleich erregen wollen. Solche pse_176.009
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selbst mit der Lage nicht mehr fertig wird: dann befiehlt er, pse_176.011
bittet er, fragt er. In allen Satzarten, die solche Befehle, Wünsche pse_176.012
und Fragen gestalten, drückt sich eine bestimmte Gemütshaltung pse_176.013
aus. Besonders deutlich ist das in den Fragesätzen. Unruhe pse_176.014
und Suchen nach einer Lösung, dann Staunen und Bewunderung pse_176.015
als Wurzel echten Wissenwollens ist die Grundhaltung, pse_176.016
die im Fragesatz ihre Ausprägung findet. Darin ruht auch der pse_176.017
Wert der rhetorischen Frage, die dieses Staunen in erregender pse_176.018
Weise dem Hörer mitteilen will. Die sachliche Mitteilung als pse_176.019
reine Berichterstattung ist Sache der Klarheit und des Verstandes. pse_176.020
Das Gefühl tritt hier zurück. Und doch können auch pse_176.021
solche klare und sachliche Satzreihen eine innerste Haltung pse_176.022
prägen, mithin mit dem Gemüt in unserem Sinn zusammenhängen: pse_176.023
Klarheit und Ruhe, Beherrschung der Lage, Distanz pse_176.024
und geistige Sicherheit formen sich in solchen Sätzen.

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Die höheren Einheiten von Sätzen sind in ihrem Bau von pse_176.026
großer künstlerischer Bedeutung, der Stil und seine Art pse_176.027
werden dadurch deutlich bestimmt. In den Satzreihen, also pse_176.028
der Aufeinanderfolge von nicht weiter untergliederten Hauptsätzen, pse_176.029
ist es stilistisch bedeutsam, ob die Sätze ohne sprachliche pse_176.030
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gereiht sind oder mit solchen. Bei der bindungslosen (asyndetischen) pse_176.032
Reihung bildet das Durchwirken der weiten Satzintention, pse_176.033
die Bindung durch die lautungsmäßige Abfolge pse_176.034
und damit entweder eine gedankliche oder stimmungsmäßige pse_176.035
Einheit die Zusammenfassung. Dabei kann das Fehlen einer pse_176.036
ausgesprochenen und damit klaren Bezugsstiftung zwischen pse_176.037
den einzelnen Sätzen der Stimmung, der inneren Haltung und pse_176.038
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[176/0192] pse_176.001 eben die, die ein monologisches und chorisches Sprechen pse_176.002 gestalten. In solchen Sätzen formen sich unsere innersten pse_176.003 Gefühle, mit denen wir irgendwelchen bedeutsamen und pse_176.004 erregenden Lagen begegnen. Das geht vom einzelnen Schrei pse_176.005 bis zu den mächtigen Chören der griechischen Tragödie. pse_176.006 Aber auch Mitteilungen können gefühlsgetragen sein, besonders pse_176.007 immer, wenn sie eine Teilnahme für den Mitteilenden pse_176.008 oder das Mitgeteilte zugleich erregen wollen. Solche pse_176.009 Teilnahme wünscht der Sprechende vor allem dann, wenn er pse_176.010 selbst mit der Lage nicht mehr fertig wird: dann befiehlt er, pse_176.011 bittet er, fragt er. In allen Satzarten, die solche Befehle, Wünsche pse_176.012 und Fragen gestalten, drückt sich eine bestimmte Gemütshaltung pse_176.013 aus. Besonders deutlich ist das in den Fragesätzen. Unruhe pse_176.014 und Suchen nach einer Lösung, dann Staunen und Bewunderung pse_176.015 als Wurzel echten Wissenwollens ist die Grundhaltung, pse_176.016 die im Fragesatz ihre Ausprägung findet. Darin ruht auch der pse_176.017 Wert der rhetorischen Frage, die dieses Staunen in erregender pse_176.018 Weise dem Hörer mitteilen will. Die sachliche Mitteilung als pse_176.019 reine Berichterstattung ist Sache der Klarheit und des Verstandes. pse_176.020 Das Gefühl tritt hier zurück. Und doch können auch pse_176.021 solche klare und sachliche Satzreihen eine innerste Haltung pse_176.022 prägen, mithin mit dem Gemüt in unserem Sinn zusammenhängen: pse_176.023 Klarheit und Ruhe, Beherrschung der Lage, Distanz pse_176.024 und geistige Sicherheit formen sich in solchen Sätzen. pse_176.025 Die höheren Einheiten von Sätzen sind in ihrem Bau von pse_176.026 großer künstlerischer Bedeutung, der Stil und seine Art pse_176.027 werden dadurch deutlich bestimmt. In den Satzreihen, also pse_176.028 der Aufeinanderfolge von nicht weiter untergliederten Hauptsätzen, pse_176.029 ist es stilistisch bedeutsam, ob die Sätze ohne sprachliche pse_176.030 Bindung wie Zeigewörter oder Bindewörter aneinander pse_176.031 gereiht sind oder mit solchen. Bei der bindungslosen (asyndetischen) pse_176.032 Reihung bildet das Durchwirken der weiten Satzintention, pse_176.033 die Bindung durch die lautungsmäßige Abfolge pse_176.034 und damit entweder eine gedankliche oder stimmungsmäßige pse_176.035 Einheit die Zusammenfassung. Dabei kann das Fehlen einer pse_176.036 ausgesprochenen und damit klaren Bezugsstiftung zwischen pse_176.037 den einzelnen Sätzen der Stimmung, der inneren Haltung und pse_176.038 ihrem Ausschwingen mehr Möglichkeit geben. Die Bindewörter

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Zitationshilfe: Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/192>, abgerufen am 25.11.2024.