pse_147.001 und Mißdeutungen auszuschalten. 1. Die beiden Formen pse_147.002 Sachdarstellung und Sprachkunstwerk sind ideelle Typen, pse_147.003 die als mögliche wesentliche Formen aus dem Tatsächlichen pse_147.004 abgezogen worden sind, gleichsam Leitbilder. Aber sie kommen pse_147.005 sehr selten rein in der sprachlichen Wirklichkeit vor. pse_147.006 Sie sind wissenschaftliche Hilfen zur Erkenntnis der Sprachstrukturen. pse_147.007 2. Sie sind die beiden Endpunkte an einer kontinuierlichen pse_147.008 Linie. Es gibt zwischen ihnen zahllose unmerkliche pse_147.009 Übergänge. Sprachkünstlerisches zeigt sich auch im Alltagsgespräch. pse_147.010 Man darf also nie von zwei verschiedenen Sprachen pse_147.011 reden. 3. Diese innerste Haltung, von der wir oft zu sprechen pse_147.012 haben, ist schwer mit einem Namen zu versehen. Sie steigt pse_147.013 aus den untersten, tiefsten Kräften des menschlichen Inneren pse_147.014 auf. Überall dort, wo der Mensch als ganzes bei einer Sache ist, pse_147.015 wo er aus seinem Vollsten schöpft, wo gleichsam sein Wesen pse_147.016 spürbar wird, dort greifen wir seine innerste Haltung. Eine pse_147.017 besondere Ausformung dieses Innersten sind die zahllosen pse_147.018 Gefühlsschattierungen, Stimmungen, Strebungen. Aber in pse_147.019 der rationalen Verwendung der Sprache wird dieses Innerste pse_147.020 in ihr zurückgedrängt. Da wir in einer Sprachgestaltung, in pse_147.021 der das Innerste lebendig wird, noch heute gleichsam den pse_147.022 ursprunghaften Sprachakt spüren, aus dem jederzeit eben pse_147.023 Sprache in ihrer Fülle erwächst, kann man auch vom Ursprungscharakter pse_147.024 einer solchen Sprachgebung sprechen. Hier pse_147.025 aber von Primitivität oder Primitivismus zu sprechen, heißt pse_147.026 Tiefen des Menschlichen einfach wegrationalisieren. Wenn pse_147.027 man das Wesen dieser innersten Haltung als Gemüt bezeichnet, pse_147.028 muß man sich klar bleiben, daß man dieses Wort hier pse_147.029 in einem tieferen und umfassenderen Sinn gebraucht als üblich. pse_147.030 Man ist aber etymologisch und philosophisch dazu pse_147.031 berechtigt. Nie darf man dabei an Gemütlichkeit, Rührseligkeit pse_147.032 und Sentimentalität denken. Auch das Wort Gefühl wollen pse_147.033 wir aus seichter Oberflächlichkeit befreien. Denn nur pse_147.034 wenn man Gefühl und Gemüt als sentimentale Stimmung pse_147.035 und "warmes Empfinden" nimmt, kann man von der Gemütlosigkeit pse_147.036 moderner Lyrik sprechen. Wir betonen nochmals, pse_147.037 daß hier Gemüt das Tiefste des Menschen bezeichnet, und pse_147.038 daß auch Kälte, Härte usw. gefühlhafte Haltungen sind.
pse_147.001 und Mißdeutungen auszuschalten. 1. Die beiden Formen pse_147.002 Sachdarstellung und Sprachkunstwerk sind ideelle Typen, pse_147.003 die als mögliche wesentliche Formen aus dem Tatsächlichen pse_147.004 abgezogen worden sind, gleichsam Leitbilder. Aber sie kommen pse_147.005 sehr selten rein in der sprachlichen Wirklichkeit vor. pse_147.006 Sie sind wissenschaftliche Hilfen zur Erkenntnis der Sprachstrukturen. pse_147.007 2. Sie sind die beiden Endpunkte an einer kontinuierlichen pse_147.008 Linie. Es gibt zwischen ihnen zahllose unmerkliche pse_147.009 Übergänge. Sprachkünstlerisches zeigt sich auch im Alltagsgespräch. pse_147.010 Man darf also nie von zwei verschiedenen Sprachen pse_147.011 reden. 3. Diese innerste Haltung, von der wir oft zu sprechen pse_147.012 haben, ist schwer mit einem Namen zu versehen. Sie steigt pse_147.013 aus den untersten, tiefsten Kräften des menschlichen Inneren pse_147.014 auf. Überall dort, wo der Mensch als ganzes bei einer Sache ist, pse_147.015 wo er aus seinem Vollsten schöpft, wo gleichsam sein Wesen pse_147.016 spürbar wird, dort greifen wir seine innerste Haltung. Eine pse_147.017 besondere Ausformung dieses Innersten sind die zahllosen pse_147.018 Gefühlsschattierungen, Stimmungen, Strebungen. Aber in pse_147.019 der rationalen Verwendung der Sprache wird dieses Innerste pse_147.020 in ihr zurückgedrängt. Da wir in einer Sprachgestaltung, in pse_147.021 der das Innerste lebendig wird, noch heute gleichsam den pse_147.022 ursprunghaften Sprachakt spüren, aus dem jederzeit eben pse_147.023 Sprache in ihrer Fülle erwächst, kann man auch vom Ursprungscharakter pse_147.024 einer solchen Sprachgebung sprechen. Hier pse_147.025 aber von Primitivität oder Primitivismus zu sprechen, heißt pse_147.026 Tiefen des Menschlichen einfach wegrationalisieren. Wenn pse_147.027 man das Wesen dieser innersten Haltung als Gemüt bezeichnet, pse_147.028 muß man sich klar bleiben, daß man dieses Wort hier pse_147.029 in einem tieferen und umfassenderen Sinn gebraucht als üblich. pse_147.030 Man ist aber etymologisch und philosophisch dazu pse_147.031 berechtigt. Nie darf man dabei an Gemütlichkeit, Rührseligkeit pse_147.032 und Sentimentalität denken. Auch das Wort Gefühl wollen pse_147.033 wir aus seichter Oberflächlichkeit befreien. Denn nur pse_147.034 wenn man Gefühl und Gemüt als sentimentale Stimmung pse_147.035 und »warmes Empfinden« nimmt, kann man von der Gemütlosigkeit pse_147.036 moderner Lyrik sprechen. Wir betonen nochmals, pse_147.037 daß hier Gemüt das Tiefste des Menschen bezeichnet, und pse_147.038 daß auch Kälte, Härte usw. gefühlhafte Haltungen sind.
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und Mißdeutungen auszuschalten. 1. Die beiden Formen pse_147.002
Sachdarstellung und Sprachkunstwerk sind ideelle Typen, pse_147.003
die als mögliche wesentliche Formen aus dem Tatsächlichen pse_147.004
abgezogen worden sind, gleichsam Leitbilder. Aber sie kommen pse_147.005
sehr selten rein in der sprachlichen Wirklichkeit vor. pse_147.006
Sie sind wissenschaftliche Hilfen zur Erkenntnis der Sprachstrukturen. pse_147.007
2. Sie sind die beiden Endpunkte an einer kontinuierlichen pse_147.008
Linie. Es gibt zwischen ihnen zahllose unmerkliche pse_147.009
Übergänge. Sprachkünstlerisches zeigt sich auch im Alltagsgespräch. pse_147.010
Man darf also nie von zwei verschiedenen Sprachen pse_147.011
reden. 3. Diese innerste Haltung, von der wir oft zu sprechen pse_147.012
haben, ist schwer mit einem Namen zu versehen. Sie steigt pse_147.013
aus den untersten, tiefsten Kräften des menschlichen Inneren pse_147.014
auf. Überall dort, wo der Mensch als ganzes bei einer Sache ist, pse_147.015
wo er aus seinem Vollsten schöpft, wo gleichsam sein Wesen pse_147.016
spürbar wird, dort greifen wir seine innerste Haltung. Eine pse_147.017
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der das Innerste lebendig wird, noch heute gleichsam den pse_147.022
ursprunghaften Sprachakt spüren, aus dem jederzeit eben pse_147.023
Sprache in ihrer Fülle erwächst, kann man auch vom Ursprungscharakter pse_147.024
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muß man sich klar bleiben, daß man dieses Wort hier pse_147.029
in einem tieferen und umfassenderen Sinn gebraucht als üblich. pse_147.030
Man ist aber etymologisch und philosophisch dazu pse_147.031
berechtigt. Nie darf man dabei an Gemütlichkeit, Rührseligkeit pse_147.032
und Sentimentalität denken. Auch das Wort Gefühl wollen pse_147.033
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und »warmes Empfinden« nimmt, kann man von der Gemütlosigkeit pse_147.036
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/163>, abgerufen am 28.11.2024.
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