desgleichen die Haken der Schieberstange. Die Längenachse des Kessels liegt meist 2.1 Meter über den Schienen. Der Rost ist bei vielen Maschinen lang und nach vorne geneigt, die Stücke sind dünn, eng nebeneinander liegend, um auch feinen Kohlen das Durchfallen zu verwehren. Durch das neue System der engen Roste hat man eine niedrige Lage der Decke der Feuerbüchse und damit einen wirksamen Heizeffect erzielt. Allerdings erwies sich hiebei die Nothwendigkeit, den Heizraum entsprechend zu verlängern.
Die Kessel bieten nichts bemerkenswerthes. Sie sind sämmtlich mit Domen versehen. Die Dampfspannung beträgt in der Regel 10 Atmosphären, doch geht man allmählich auch zu höheren Spannungen über, wie solche in Deutschland, Oesterreich-Ungarn und anderwärts bereits seit einiger Zeit Anwendung finden.
Die Speisung der Kessel erfolgt fast nur mehr durch Injectoren, und zwar giebt es Maschinen mit einem und solche mit zwei Injectoren.
Die englischen Locomotiven sind schon äußerlich durch die Einfachheit der Construction und die gefällige Gesammtanordnung auffällig. Die Architektur und Formenschönheit der aus einer großen Fabrik oder Bahnwerkstätte stammenden englischen Locomotiven ist (nach Ingenieur A. Brunner) einzig in ihrer Art und wird nicht einmal in Amerika erreicht, wo doch auch Großes in dieser Beziehung geleistet wird. Allein die amerikanische Locomotive ist schon in der allgemeinen Anordnung zu unruhig angelegt und mit zu vielem Beiwerk ausgestattet, um eine einheitliche ästhetische Wirkung hervorbringen zu können. Die englische Locomotive zeigt vom Fußtritt bis zur Kaminkrone nur gerade, kreisförmige oder parabolisch geschwungene Linien, und diese, in Verbindung mit sorgfältigster Vollendung und Malerei, geben dem ganzen Werke einen Styl, der den Meister kennzeichnet. Die Ausführung der Locomotiven in der Fabrik wird von Seite der Bahngesell-
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Die Locomotiven.
desgleichen die Haken der Schieberſtange. Die Längenachſe des Keſſels liegt meiſt 2‧1 Meter über den Schienen. Der Roſt iſt bei vielen Maſchinen lang und nach vorne geneigt, die Stücke ſind dünn, eng nebeneinander liegend, um auch feinen Kohlen das Durchfallen zu verwehren. Durch das neue Syſtem der engen Roſte hat man eine niedrige Lage der Decke der Feuerbüchſe und damit einen wirkſamen Heizeffect erzielt. Allerdings erwies ſich hiebei die Nothwendigkeit, den Heizraum entſprechend zu verlängern.
Die Keſſel bieten nichts bemerkenswerthes. Sie ſind ſämmtlich mit Domen verſehen. Die Dampfſpannung beträgt in der Regel 10 Atmoſphären, doch geht man allmählich auch zu höheren Spannungen über, wie ſolche in Deutſchland, Oeſterreich-Ungarn und anderwärts bereits ſeit einiger Zeit Anwendung finden.
Die Speiſung der Keſſel erfolgt faſt nur mehr durch Injectoren, und zwar giebt es Maſchinen mit einem und ſolche mit zwei Injectoren.
Die engliſchen Locomotiven ſind ſchon äußerlich durch die Einfachheit der Conſtruction und die gefällige Geſammtanordnung auffällig. Die Architektur und Formenſchönheit der aus einer großen Fabrik oder Bahnwerkſtätte ſtammenden engliſchen Locomotiven iſt (nach Ingenieur A. Brunner) einzig in ihrer Art und wird nicht einmal in Amerika erreicht, wo doch auch Großes in dieſer Beziehung geleiſtet wird. Allein die amerikaniſche Locomotive iſt ſchon in der allgemeinen Anordnung zu unruhig angelegt und mit zu vielem Beiwerk ausgeſtattet, um eine einheitliche äſthetiſche Wirkung hervorbringen zu können. Die engliſche Locomotive zeigt vom Fußtritt bis zur Kaminkrone nur gerade, kreisförmige oder paraboliſch geſchwungene Linien, und dieſe, in Verbindung mit ſorgfältigſter Vollendung und Malerei, geben dem ganzen Werke einen Styl, der den Meiſter kennzeichnet. Die Ausführung der Locomotiven in der Fabrik wird von Seite der Bahngeſell-
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Die Locomotiven.
desgleichen die Haken der Schieberſtange. Die Längenachſe des Keſſels liegt meiſt
2‧1 Meter über den Schienen. Der Roſt iſt bei vielen Maſchinen lang und nach
vorne geneigt, die Stücke ſind dünn, eng nebeneinander liegend, um auch feinen
Kohlen das Durchfallen zu verwehren. Durch das neue Syſtem der engen Roſte
hat man eine niedrige Lage der Decke der Feuerbüchſe und damit einen wirkſamen
Heizeffect erzielt. Allerdings erwies ſich hiebei die Nothwendigkeit, den Heizraum
entſprechend zu verlängern.
Die Keſſel bieten nichts bemerkenswerthes. Sie ſind ſämmtlich mit Domen
verſehen. Die Dampfſpannung beträgt in der Regel 10 Atmoſphären, doch geht
man allmählich auch zu höheren Spannungen über, wie ſolche in Deutſchland,
Oeſterreich-Ungarn und anderwärts bereits ſeit einiger Zeit Anwendung finden.
[Abbildung Fig. 801. Engliſche Tenderlocomotive. (Effective Dampfſpannung 11 Atmoſphären; totale Heizfläche
143‧5 Quadratmeter; Dienſtgewicht 62‧7 Tonnen.)]
Die Speiſung der Keſſel erfolgt faſt nur mehr durch Injectoren, und zwar giebt
es Maſchinen mit einem und ſolche mit zwei Injectoren.
Die engliſchen Locomotiven ſind ſchon äußerlich durch die Einfachheit
der Conſtruction und die gefällige Geſammtanordnung auffällig. Die Architektur
und Formenſchönheit der aus einer großen Fabrik oder Bahnwerkſtätte ſtammenden
engliſchen Locomotiven iſt (nach Ingenieur A. Brunner) einzig in ihrer Art und
wird nicht einmal in Amerika erreicht, wo doch auch Großes in dieſer Beziehung
geleiſtet wird. Allein die amerikaniſche Locomotive iſt ſchon in der allgemeinen
Anordnung zu unruhig angelegt und mit zu vielem Beiwerk ausgeſtattet, um eine
einheitliche äſthetiſche Wirkung hervorbringen zu können. Die engliſche Locomotive
zeigt vom Fußtritt bis zur Kaminkrone nur gerade, kreisförmige oder paraboliſch
geſchwungene Linien, und dieſe, in Verbindung mit ſorgfältigſter Vollendung und
Malerei, geben dem ganzen Werke einen Styl, der den Meiſter kennzeichnet. Die
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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900, S. 915. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_cyklopen_1900/997>, abgerufen am 23.11.2024.
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