deren Räder einen Durchmesser von über zwei Meter haben, typisch geworden. Die meisten anderen Constructionen verlegen die Treibachse in die Mitte, wieder andere schalten noch eine Kuppelachse ein, wozu noch die Combinationen von ein- zelnen Laufachsen und Trucks hinzukommen. Die englischen Schnellzugslocomotiven haben meist nur eine Treibachse, deren Räder einen außergewöhnlich großen Durch- messer (bis 2.5 Meter), ein vorderes zweiachsiges Drehgestell und eine hintere feste Laufachse aufweisen.
Behufs Erzielung einer größeren Zugkraft vermehrte man die Zahl der Achsen, welche gekuppelt wurden, wodurch -- weil der Bewegungsantrieb von den Dampfcylindern aus gleichzeitig auf alle Räder wirkt -- das volle Adhäsions- gewicht der Locomotive ausgenützt werden konnte. Einen weiteren Fortschritt im
[Abbildung]
Fig. 796.
Französische Schnellzugslocomotive mit Flaman'schem Doppelkessel.
Maschinenbau bezeichnet die Compoundlocomotive, bei welcher auf jeder Seite ein Cylinderpaar angeordnet ist. Der Dampf tritt zunächst in den einen (kleineren) Cylinder, wirkt auf den Kolben, indem er theilweise expandirt, nimmt dann seinen Weg in den anderen (größeren) Cylinder auf der anderen Seite der Locomotive, vollendet hier seine Expansion und entweicht durch den Schornstein. Die Verbundlocomotive verbraucht demnach weniger Dampf und nützt die Expansion desselben in höherem Grade aus, als die gewöhnliche Locomotive. Die erste Maschine dieser Art, welche im Jahre 1876 von dem schweizerischen Ingenieur Mallet construirt wurde, erhielt durch den deutschen Ingenieur v. Borries dadurch eine wesentliche Verbesserung, daß durch ein selbstthätiges Ventil beim Anfahren auch in den großen Cylinder Dampf einströmt, und daß dieser Zufluß erst dann abgesperrt wird, wenn in dem Verbindungsrohre zwischen den beiden Cylindern und ihren Schiebern die richtige Dampfspannung eingetreten ist.
Dritter Abſchnitt.
deren Räder einen Durchmeſſer von über zwei Meter haben, typiſch geworden. Die meiſten anderen Conſtructionen verlegen die Treibachſe in die Mitte, wieder andere ſchalten noch eine Kuppelachſe ein, wozu noch die Combinationen von ein- zelnen Laufachſen und Trucks hinzukommen. Die engliſchen Schnellzugslocomotiven haben meiſt nur eine Treibachſe, deren Räder einen außergewöhnlich großen Durch- meſſer (bis 2‧5 Meter), ein vorderes zweiachſiges Drehgeſtell und eine hintere feſte Laufachſe aufweiſen.
Behufs Erzielung einer größeren Zugkraft vermehrte man die Zahl der Achſen, welche gekuppelt wurden, wodurch — weil der Bewegungsantrieb von den Dampfcylindern aus gleichzeitig auf alle Räder wirkt — das volle Adhäſions- gewicht der Locomotive ausgenützt werden konnte. Einen weiteren Fortſchritt im
[Abbildung]
Fig. 796.
Franzöſiſche Schnellzugslocomotive mit Flaman'ſchem Doppelkeſſel.
Maſchinenbau bezeichnet die Compoundlocomotive, bei welcher auf jeder Seite ein Cylinderpaar angeordnet iſt. Der Dampf tritt zunächſt in den einen (kleineren) Cylinder, wirkt auf den Kolben, indem er theilweiſe expandirt, nimmt dann ſeinen Weg in den anderen (größeren) Cylinder auf der anderen Seite der Locomotive, vollendet hier ſeine Expanſion und entweicht durch den Schornſtein. Die Verbundlocomotive verbraucht demnach weniger Dampf und nützt die Expanſion desſelben in höherem Grade aus, als die gewöhnliche Locomotive. Die erſte Maſchine dieſer Art, welche im Jahre 1876 von dem ſchweizeriſchen Ingenieur Mallet conſtruirt wurde, erhielt durch den deutſchen Ingenieur v. Borries dadurch eine weſentliche Verbeſſerung, daß durch ein ſelbſtthätiges Ventil beim Anfahren auch in den großen Cylinder Dampf einſtrömt, und daß dieſer Zufluß erſt dann abgeſperrt wird, wenn in dem Verbindungsrohre zwiſchen den beiden Cylindern und ihren Schiebern die richtige Dampfſpannung eingetreten iſt.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0992"n="910"/><fwplace="top"type="header">Dritter Abſchnitt.</fw><lb/>
deren Räder einen Durchmeſſer von über zwei Meter haben, typiſch geworden.<lb/>
Die meiſten anderen Conſtructionen verlegen die Treibachſe in die Mitte, wieder<lb/>
andere ſchalten noch eine Kuppelachſe ein, wozu noch die Combinationen von ein-<lb/>
zelnen Laufachſen und Trucks hinzukommen. Die engliſchen Schnellzugslocomotiven<lb/>
haben meiſt nur eine Treibachſe, deren Räder einen außergewöhnlich großen Durch-<lb/>
meſſer (bis 2‧5 Meter), ein vorderes zweiachſiges Drehgeſtell und eine hintere feſte<lb/>
Laufachſe aufweiſen.</p><lb/><p>Behufs Erzielung einer größeren Zugkraft vermehrte man die Zahl der<lb/>
Achſen, welche gekuppelt wurden, wodurch — weil der Bewegungsantrieb von den<lb/>
Dampfcylindern aus gleichzeitig auf alle Räder wirkt — das volle Adhäſions-<lb/>
gewicht der Locomotive ausgenützt werden konnte. Einen weiteren Fortſchritt im<lb/><figure><head>Fig. 796.</head><p> Franzöſiſche Schnellzugslocomotive mit Flaman'ſchem Doppelkeſſel.</p></figure><lb/>
Maſchinenbau bezeichnet die <hirendition="#g">Compoundlocomotive</hi>, bei welcher auf jeder<lb/>
Seite ein Cylinderpaar angeordnet iſt. Der Dampf tritt zunächſt in den einen<lb/>
(kleineren) Cylinder, wirkt auf den Kolben, indem er theilweiſe expandirt, nimmt<lb/>
dann ſeinen Weg in den anderen (größeren) Cylinder auf der anderen Seite der<lb/>
Locomotive, vollendet hier ſeine Expanſion und entweicht durch den Schornſtein. Die<lb/>
Verbundlocomotive verbraucht demnach weniger Dampf und nützt die Expanſion<lb/>
desſelben in höherem Grade aus, als die gewöhnliche Locomotive. Die erſte<lb/>
Maſchine dieſer Art, welche im Jahre 1876 von dem ſchweizeriſchen Ingenieur <hirendition="#g">Mallet</hi><lb/>
conſtruirt wurde, erhielt durch den deutſchen Ingenieur v. <hirendition="#g">Borries</hi> dadurch eine<lb/>
weſentliche Verbeſſerung, daß durch ein ſelbſtthätiges Ventil beim Anfahren auch<lb/>
in den großen Cylinder Dampf einſtrömt, und daß dieſer Zufluß erſt dann<lb/>
abgeſperrt wird, wenn in dem Verbindungsrohre zwiſchen den beiden Cylindern<lb/>
und ihren Schiebern die richtige Dampfſpannung eingetreten iſt.</p><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[910/0992]
Dritter Abſchnitt.
deren Räder einen Durchmeſſer von über zwei Meter haben, typiſch geworden.
Die meiſten anderen Conſtructionen verlegen die Treibachſe in die Mitte, wieder
andere ſchalten noch eine Kuppelachſe ein, wozu noch die Combinationen von ein-
zelnen Laufachſen und Trucks hinzukommen. Die engliſchen Schnellzugslocomotiven
haben meiſt nur eine Treibachſe, deren Räder einen außergewöhnlich großen Durch-
meſſer (bis 2‧5 Meter), ein vorderes zweiachſiges Drehgeſtell und eine hintere feſte
Laufachſe aufweiſen.
Behufs Erzielung einer größeren Zugkraft vermehrte man die Zahl der
Achſen, welche gekuppelt wurden, wodurch — weil der Bewegungsantrieb von den
Dampfcylindern aus gleichzeitig auf alle Räder wirkt — das volle Adhäſions-
gewicht der Locomotive ausgenützt werden konnte. Einen weiteren Fortſchritt im
[Abbildung Fig. 796. Franzöſiſche Schnellzugslocomotive mit Flaman'ſchem Doppelkeſſel.]
Maſchinenbau bezeichnet die Compoundlocomotive, bei welcher auf jeder
Seite ein Cylinderpaar angeordnet iſt. Der Dampf tritt zunächſt in den einen
(kleineren) Cylinder, wirkt auf den Kolben, indem er theilweiſe expandirt, nimmt
dann ſeinen Weg in den anderen (größeren) Cylinder auf der anderen Seite der
Locomotive, vollendet hier ſeine Expanſion und entweicht durch den Schornſtein. Die
Verbundlocomotive verbraucht demnach weniger Dampf und nützt die Expanſion
desſelben in höherem Grade aus, als die gewöhnliche Locomotive. Die erſte
Maſchine dieſer Art, welche im Jahre 1876 von dem ſchweizeriſchen Ingenieur Mallet
conſtruirt wurde, erhielt durch den deutſchen Ingenieur v. Borries dadurch eine
weſentliche Verbeſſerung, daß durch ein ſelbſtthätiges Ventil beim Anfahren auch
in den großen Cylinder Dampf einſtrömt, und daß dieſer Zufluß erſt dann
abgeſperrt wird, wenn in dem Verbindungsrohre zwiſchen den beiden Cylindern
und ihren Schiebern die richtige Dampfſpannung eingetreten iſt.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900, S. 910. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_cyklopen_1900/992>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.