sammen. In der That bildet das Eisenbahn-Maschinenwesen ein in sich abge- schlossenes Ganzes und ist als solches die jüngste der praktischen Wissenschaften. Seine Bedeutung ist umso weniger zu verkennen, als der Verkehr auf dem mechanischen Bewegungsapparate fußt und daß eine rationelle Ausgestaltung dieses Apparates durchaus auf wissenschaftlicher Grundlage beruht, die ihrerseits von den Erfahrungen der Physik und Mathematik getragen werden.
Der Anfang des Maschinenwesens bei den Eisenbahnen steckte noch tief in roher Empirie. Es gab keine Vorbilder, keine Erfahrungen: Alles mußte erst aus
den sich hastig überstürzenden Ideen herauskrystallisiren, auf dem Wege des Experimentes erprobt werden. Und merkwürdig genug: seit Stephenson's erster Locomotive sind sieben Jahrzehnte verstrichen, und noch ist die beste Type nicht unbestritten festgestellt. Jedes Land, ja jede Werkstätte hat ihre Musterkarten von Typen, und prüft man alle diese Constructionen, so wird man theils principielle, theils nebensächliche Abweichungen entdecken. Dadurch erhält gerade das Maschinen- wesen der Eisenbahnen ein Element der Unruhe, des Suchens und Combinirens, wobei ein großartiger Aufwand von Intelligenz in die Erscheinung tritt, der sich glücklicherweise in der letzten Zeit mit dem thatsächlichen können insoweit paart, als ein Grad von Vollkommenheit erreicht worden ist, der nicht leicht noch ge- steigert werden könnte.
Dritter Abſchnitt.
ſammen. In der That bildet das Eiſenbahn-Maſchinenweſen ein in ſich abge- ſchloſſenes Ganzes und iſt als ſolches die jüngſte der praktiſchen Wiſſenſchaften. Seine Bedeutung iſt umſo weniger zu verkennen, als der Verkehr auf dem mechaniſchen Bewegungsapparate fußt und daß eine rationelle Ausgeſtaltung dieſes Apparates durchaus auf wiſſenſchaftlicher Grundlage beruht, die ihrerſeits von den Erfahrungen der Phyſik und Mathematik getragen werden.
Der Anfang des Maſchinenweſens bei den Eiſenbahnen ſteckte noch tief in roher Empirie. Es gab keine Vorbilder, keine Erfahrungen: Alles mußte erſt aus
den ſich haſtig überſtürzenden Ideen herauskryſtalliſiren, auf dem Wege des Experimentes erprobt werden. Und merkwürdig genug: ſeit Stephenſon's erſter Locomotive ſind ſieben Jahrzehnte verſtrichen, und noch iſt die beſte Type nicht unbeſtritten feſtgeſtellt. Jedes Land, ja jede Werkſtätte hat ihre Muſterkarten von Typen, und prüft man alle dieſe Conſtructionen, ſo wird man theils principielle, theils nebenſächliche Abweichungen entdecken. Dadurch erhält gerade das Maſchinen- weſen der Eiſenbahnen ein Element der Unruhe, des Suchens und Combinirens, wobei ein großartiger Aufwand von Intelligenz in die Erſcheinung tritt, der ſich glücklicherweiſe in der letzten Zeit mit dem thatſächlichen können inſoweit paart, als ein Grad von Vollkommenheit erreicht worden iſt, der nicht leicht noch ge- ſteigert werden könnte.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0990"n="908"/><fwplace="top"type="header">Dritter Abſchnitt.</fw><lb/>ſammen. In der That bildet das Eiſenbahn-Maſchinenweſen ein in ſich abge-<lb/>ſchloſſenes Ganzes und iſt als ſolches die jüngſte der praktiſchen Wiſſenſchaften.<lb/>
Seine Bedeutung iſt umſo weniger zu verkennen, als der Verkehr auf dem<lb/>
mechaniſchen Bewegungsapparate fußt und daß eine rationelle Ausgeſtaltung dieſes<lb/>
Apparates durchaus auf wiſſenſchaftlicher Grundlage beruht, die ihrerſeits von<lb/>
den Erfahrungen der Phyſik und Mathematik getragen werden.</p><lb/><p>Der Anfang des Maſchinenweſens bei den Eiſenbahnen ſteckte noch tief in<lb/>
roher Empirie. Es gab keine Vorbilder, keine Erfahrungen: Alles mußte erſt aus<lb/><figure><head>Fig. 794.</head><p> Tandem-Compound-Eilzuglocomotive. (Effectiver Dampfdruck 13 Atmoſphären; totale Heizfläche<lb/>
134‧6 Quadratmeter; Dienſtgewicht 54‧4 Tons.)</p></figure><lb/>
den ſich haſtig überſtürzenden Ideen herauskryſtalliſiren, auf dem Wege des<lb/>
Experimentes erprobt werden. Und merkwürdig genug: ſeit <hirendition="#g">Stephenſon's</hi> erſter<lb/>
Locomotive ſind ſieben Jahrzehnte verſtrichen, und noch iſt die beſte Type nicht<lb/>
unbeſtritten feſtgeſtellt. Jedes Land, ja jede Werkſtätte hat ihre Muſterkarten von<lb/>
Typen, und prüft man alle dieſe Conſtructionen, ſo wird man theils principielle,<lb/>
theils nebenſächliche Abweichungen entdecken. Dadurch erhält gerade das Maſchinen-<lb/>
weſen der Eiſenbahnen ein Element der Unruhe, des Suchens und Combinirens,<lb/>
wobei ein großartiger Aufwand von Intelligenz in die Erſcheinung tritt, der ſich<lb/>
glücklicherweiſe in der letzten Zeit mit dem thatſächlichen können inſoweit paart,<lb/>
als ein Grad von Vollkommenheit erreicht worden iſt, der nicht leicht noch ge-<lb/>ſteigert werden könnte.</p><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[908/0990]
Dritter Abſchnitt.
ſammen. In der That bildet das Eiſenbahn-Maſchinenweſen ein in ſich abge-
ſchloſſenes Ganzes und iſt als ſolches die jüngſte der praktiſchen Wiſſenſchaften.
Seine Bedeutung iſt umſo weniger zu verkennen, als der Verkehr auf dem
mechaniſchen Bewegungsapparate fußt und daß eine rationelle Ausgeſtaltung dieſes
Apparates durchaus auf wiſſenſchaftlicher Grundlage beruht, die ihrerſeits von
den Erfahrungen der Phyſik und Mathematik getragen werden.
Der Anfang des Maſchinenweſens bei den Eiſenbahnen ſteckte noch tief in
roher Empirie. Es gab keine Vorbilder, keine Erfahrungen: Alles mußte erſt aus
[Abbildung Fig. 794. Tandem-Compound-Eilzuglocomotive. (Effectiver Dampfdruck 13 Atmoſphären; totale Heizfläche
134‧6 Quadratmeter; Dienſtgewicht 54‧4 Tons.)]
den ſich haſtig überſtürzenden Ideen herauskryſtalliſiren, auf dem Wege des
Experimentes erprobt werden. Und merkwürdig genug: ſeit Stephenſon's erſter
Locomotive ſind ſieben Jahrzehnte verſtrichen, und noch iſt die beſte Type nicht
unbeſtritten feſtgeſtellt. Jedes Land, ja jede Werkſtätte hat ihre Muſterkarten von
Typen, und prüft man alle dieſe Conſtructionen, ſo wird man theils principielle,
theils nebenſächliche Abweichungen entdecken. Dadurch erhält gerade das Maſchinen-
weſen der Eiſenbahnen ein Element der Unruhe, des Suchens und Combinirens,
wobei ein großartiger Aufwand von Intelligenz in die Erſcheinung tritt, der ſich
glücklicherweiſe in der letzten Zeit mit dem thatſächlichen können inſoweit paart,
als ein Grad von Vollkommenheit erreicht worden iſt, der nicht leicht noch ge-
ſteigert werden könnte.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900, S. 908. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_cyklopen_1900/990>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.