Einem Vortrage, welchen Ingenieur Ernst Egger im Wiener Verein zur Förderung des Local- und Straßenbahnwesens hielt, entnehmen wir die leitenden Gesichtspunkte, welche bei Construction der Automobile, beziehungsweise bei Anwen- dung des elektrischen Betriebes als maßgebend zu betrachten sind, und zwar: Unabhängigkeit der getriebenen Räder voneinander; möglichst geringer Fahrt- widerstand; Lenkbarkeit; Fähigkeit, alle vorkommenden Straßensteigungen zu über- winden; rationelles Gewicht; Erzielung genügend großer Geschwindigkeit und bequeme Regulirbarkeit derselben, schließlich relativ ökonomischer Betrieb. Die Erreichung der Unabhängigkeit der getriebenen Räder von einander ist nach Eggers Ansicht entschieden die schwierigste Aufgabe der Construction und deren Lösung am leichtesten durch die Zweimotorenmethode zu erzielen. Unter Verwendung von Pneumatiks ergiebt sich nach französischen Untersuchungen ein Gesammt- widerstand von circa 50 bis 60 Kilogramm pro Tonne, wobei auf die rollende Reibung circa 35 Kilogramm entfallen. In Bezug auf die Lenkungsmethode liegt ein abschließendes Urtheil noch nicht vor, und erfolgt dieselbe durch die Vorder- räder, welchen viele Constructeure die umgekehrte Anordnung vorziehen, und bei der Type "Krieger" (siehe weiter unten) sind die Vorderäder sowohl getrieben als gelenkt. Mit der Ueberwindung der im Straßenverkehr vorkommenden Stei- gungen steht die Capacität der Accumulatorenbatterie, sowie die Leistungsfähigkeit des Motors im engsten Zusammenhange.
Bezüglich des Gewichtes der Batterien des Wagens warnt Egger vor der Einführung zu leichter Batterien, deren Lebensdauer eine sehr kurze ist. Für das Gewicht der Batterien kommt es in erster Linie auf die Dauer der Beanspruchung an. Eine wichtige Frage ist die erzielbare Geschwindigkeit und ihre Regulirbarkeit, und sind bei ersterer die gleichen Erwägungen zu berücksichtigen, die bei Ueber- windung von Steigungen auftreten. Zur Veränderung der Geschwindigkeit stehen viele Systeme zur Verfügung, von denen insbesondere die Methode mit Doppel- collector und die sogenannte Gruppenschaltung der Accumulatorenbatterien erörtert werden. Von den in der bisherigen Praxis gebräuchlichen Motorsystemen (Haupt- strom- und Nebenschlußmotor) verdient für automobile Zwecke ersterer den Vorzug, und wenden auch die meisten Constructeure denselben an.
Von den neuesten in Paris in Verkehr gebrachten elektrischen Motorwagen (1898) sind in Nachstehendem einige Daten wiedergegeben (nach der "Ztschr. f. Elektrot."). Bei dem Wagen der "Societe des Voitures electriques", System Krieger sind die Räder aus Holz; die Vorderräder sind mit Pneumatiks, die Hinterräder entweder gleichfalls mit Pneumatiks, oder mit Vollreifen versehen. Das Vordergestell, das bei diesem Wagen lenkbar eingerichtet ist, trägt einen Motor von der normalen Leistung von 3000 Watt, der mittelst eines Getriebes ein auf das Rad montirtes Zahnrad in Bewegung versetzt. Die Accumulatoren sind in zwei Kästen eingebaut, welche ebenso wie der Wagenkasten federnd gelagert sind, und zwar die eine Batterie vorne, die andere rückwärts. Zum Zwecke der
Die Motorwagen.
Einem Vortrage, welchen Ingenieur Ernſt Egger im Wiener Verein zur Förderung des Local- und Straßenbahnweſens hielt, entnehmen wir die leitenden Geſichtspunkte, welche bei Conſtruction der Automobile, beziehungsweiſe bei Anwen- dung des elektriſchen Betriebes als maßgebend zu betrachten ſind, und zwar: Unabhängigkeit der getriebenen Räder voneinander; möglichſt geringer Fahrt- widerſtand; Lenkbarkeit; Fähigkeit, alle vorkommenden Straßenſteigungen zu über- winden; rationelles Gewicht; Erzielung genügend großer Geſchwindigkeit und bequeme Regulirbarkeit derſelben, ſchließlich relativ ökonomiſcher Betrieb. Die Erreichung der Unabhängigkeit der getriebenen Räder von einander iſt nach Eggers Anſicht entſchieden die ſchwierigſte Aufgabe der Conſtruction und deren Löſung am leichteſten durch die Zweimotorenmethode zu erzielen. Unter Verwendung von Pneumatiks ergiebt ſich nach franzöſiſchen Unterſuchungen ein Geſammt- widerſtand von circa 50 bis 60 Kilogramm pro Tonne, wobei auf die rollende Reibung circa 35 Kilogramm entfallen. In Bezug auf die Lenkungsmethode liegt ein abſchließendes Urtheil noch nicht vor, und erfolgt dieſelbe durch die Vorder- räder, welchen viele Conſtructeure die umgekehrte Anordnung vorziehen, und bei der Type »Krieger« (ſiehe weiter unten) ſind die Vorderäder ſowohl getrieben als gelenkt. Mit der Ueberwindung der im Straßenverkehr vorkommenden Stei- gungen ſteht die Capacität der Accumulatorenbatterie, ſowie die Leiſtungsfähigkeit des Motors im engſten Zuſammenhange.
Bezüglich des Gewichtes der Batterien des Wagens warnt Egger vor der Einführung zu leichter Batterien, deren Lebensdauer eine ſehr kurze iſt. Für das Gewicht der Batterien kommt es in erſter Linie auf die Dauer der Beanſpruchung an. Eine wichtige Frage iſt die erzielbare Geſchwindigkeit und ihre Regulirbarkeit, und ſind bei erſterer die gleichen Erwägungen zu berückſichtigen, die bei Ueber- windung von Steigungen auftreten. Zur Veränderung der Geſchwindigkeit ſtehen viele Syſteme zur Verfügung, von denen insbeſondere die Methode mit Doppel- collector und die ſogenannte Gruppenſchaltung der Accumulatorenbatterien erörtert werden. Von den in der bisherigen Praxis gebräuchlichen Motorſyſtemen (Haupt- ſtrom- und Nebenſchlußmotor) verdient für automobile Zwecke erſterer den Vorzug, und wenden auch die meiſten Conſtructeure denſelben an.
Von den neueſten in Paris in Verkehr gebrachten elektriſchen Motorwagen (1898) ſind in Nachſtehendem einige Daten wiedergegeben (nach der »Ztſchr. f. Elektrot.«). Bei dem Wagen der »Société des Voitures électriques«, Syſtem Krieger ſind die Räder aus Holz; die Vorderräder ſind mit Pneumatiks, die Hinterräder entweder gleichfalls mit Pneumatiks, oder mit Vollreifen verſehen. Das Vordergeſtell, das bei dieſem Wagen lenkbar eingerichtet iſt, trägt einen Motor von der normalen Leiſtung von 3000 Watt, der mittelſt eines Getriebes ein auf das Rad montirtes Zahnrad in Bewegung verſetzt. Die Accumulatoren ſind in zwei Käſten eingebaut, welche ebenſo wie der Wagenkaſten federnd gelagert ſind, und zwar die eine Batterie vorne, die andere rückwärts. Zum Zwecke der
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Die Motorwagen.
Einem Vortrage, welchen Ingenieur Ernſt Egger im Wiener Verein zur
Förderung des Local- und Straßenbahnweſens hielt, entnehmen wir die leitenden
Geſichtspunkte, welche bei Conſtruction der Automobile, beziehungsweiſe bei Anwen-
dung des elektriſchen Betriebes als maßgebend zu betrachten ſind, und zwar:
Unabhängigkeit der getriebenen Räder voneinander; möglichſt geringer Fahrt-
widerſtand; Lenkbarkeit; Fähigkeit, alle vorkommenden Straßenſteigungen zu über-
winden; rationelles Gewicht; Erzielung genügend großer Geſchwindigkeit und
bequeme Regulirbarkeit derſelben, ſchließlich relativ ökonomiſcher Betrieb. Die
Erreichung der Unabhängigkeit der getriebenen Räder von einander iſt nach Eggers
Anſicht entſchieden die ſchwierigſte Aufgabe der Conſtruction und deren Löſung
am leichteſten durch die Zweimotorenmethode zu erzielen. Unter Verwendung
von Pneumatiks ergiebt ſich nach franzöſiſchen Unterſuchungen ein Geſammt-
widerſtand von circa 50 bis 60 Kilogramm pro Tonne, wobei auf die rollende
Reibung circa 35 Kilogramm entfallen. In Bezug auf die Lenkungsmethode liegt
ein abſchließendes Urtheil noch nicht vor, und erfolgt dieſelbe durch die Vorder-
räder, welchen viele Conſtructeure die umgekehrte Anordnung vorziehen, und bei
der Type »Krieger« (ſiehe weiter unten) ſind die Vorderäder ſowohl getrieben
als gelenkt. Mit der Ueberwindung der im Straßenverkehr vorkommenden Stei-
gungen ſteht die Capacität der Accumulatorenbatterie, ſowie die Leiſtungsfähigkeit
des Motors im engſten Zuſammenhange.
Bezüglich des Gewichtes der Batterien des Wagens warnt Egger vor der
Einführung zu leichter Batterien, deren Lebensdauer eine ſehr kurze iſt. Für das
Gewicht der Batterien kommt es in erſter Linie auf die Dauer der Beanſpruchung
an. Eine wichtige Frage iſt die erzielbare Geſchwindigkeit und ihre Regulirbarkeit,
und ſind bei erſterer die gleichen Erwägungen zu berückſichtigen, die bei Ueber-
windung von Steigungen auftreten. Zur Veränderung der Geſchwindigkeit ſtehen
viele Syſteme zur Verfügung, von denen insbeſondere die Methode mit Doppel-
collector und die ſogenannte Gruppenſchaltung der Accumulatorenbatterien erörtert
werden. Von den in der bisherigen Praxis gebräuchlichen Motorſyſtemen (Haupt-
ſtrom- und Nebenſchlußmotor) verdient für automobile Zwecke erſterer den Vorzug,
und wenden auch die meiſten Conſtructeure denſelben an.
Von den neueſten in Paris in Verkehr gebrachten elektriſchen Motorwagen
(1898) ſind in Nachſtehendem einige Daten wiedergegeben (nach der »Ztſchr. f.
Elektrot.«). Bei dem Wagen der »Société des Voitures électriques«, Syſtem
Krieger ſind die Räder aus Holz; die Vorderräder ſind mit Pneumatiks, die
Hinterräder entweder gleichfalls mit Pneumatiks, oder mit Vollreifen verſehen.
Das Vordergeſtell, das bei dieſem Wagen lenkbar eingerichtet iſt, trägt einen
Motor von der normalen Leiſtung von 3000 Watt, der mittelſt eines Getriebes
ein auf das Rad montirtes Zahnrad in Bewegung verſetzt. Die Accumulatoren
ſind in zwei Käſten eingebaut, welche ebenſo wie der Wagenkaſten federnd gelagert
ſind, und zwar die eine Batterie vorne, die andere rückwärts. Zum Zwecke der
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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900, S. 901. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_cyklopen_1900/983>, abgerufen am 23.11.2024.
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