aufgestellt hatte, die "eisernen Teufel" (Iron Devils) genannt. Aber die Erfindung war von so wohlthätigen Folgen begleitet, daß der Volksmund die neue Ein- richtung mit einem milderen Namen belegte und sie die "schwarzen Engel" nannte. Aber mit einer Dampfmaschine Spazierfahrten unternehmen, hügelauf- und hügelab klettern, mit Carossen wettlaufen: derlei hätten selbst die phantastischen Cornishmen sich niemals träumen lassen.
Welch ein Bewundern, welch ein Staunen, als Trewethick mit seinem Dampfwagen dahergeeilt kam. Der herkulische Mann, der schon im zartesten Alter Proben seiner Energie an den Tag gelegt hatte, grüßte von seinem Sitze die Menge und lud sie ein, an der Fahrt theilzunehmen. Ein Dutzend Personen sprang auf, der Bann war gebrochen. Endloser Jubel beschloß das überraschende Schauspiel. Dennoch war Trevethick's Beginnen kaum höher anzuschlagen, als das Lallen eines Kindes. Als wenige Tage später derselbe "Feuerwagen" in die Nach- barschaft zu dem mit dem Erfinder befreundeten Dawies Gilbert fahren sollte, erlitt der Mechanismus einen Schaden. Die Fahrgäste hatten sich in einen Gast- hof zurückgezogen, und während sie sich gütlich thaten, ging der Feuerwagen in seinem eigenen Elemente unter -- er verbrannte.
Die Erfindung aber konnte nicht verloren gehen, und es war für den finanziell nicht sehr gut situirten Erfinder ein Glück, daß er einen vermögenden Verwandten zur Seite stehen hatte. Andreas Vivian, so hieß der Mann, hatte während des Christschmauses mit Trewethick sich verabredet, auf die Erfindung der Dampflocomotive ein Patent zu nehmen und ein zweites Vehikel dieser Art fertigstellen zu lassen. Schon nach Ablauf eines Vierteljahres rollte abermals eine Dampfkutsche durch die Straßen von Camborne. Aber mit diesen Spazierfahrten war dem genialen Erfinder nicht gedient, und eines Tages saß er auf und fuhr, zum größten Erstaunen der Landbewohner, von Camborne direct nach Plymouth, 105 Kilometer weit. Von hier kam die Dampfkutsche nach London, wo sie Vivian an einem schönen Maitage des Jahres 1803 unter dem ungeheuren Zulaufe der Bevölkerung durch die Straßen der Stadt führte.
Unter den Wenigen, welche die weitgehende Bedeutung der Neuerung ahnten, befand sich auch der größte Physiker seiner Zeit, Humphry Davy. Gleichwohl war die Hoffnung dieses Mannes, "Trewethick's Drachen" auf allen Straßen Londons fahren zu sehen, eine verfrühte; denn auch die Londoner Fahrten kamen über das Stadium des Experimentirens nicht hinaus. Nach den oben geschilderten Fahrversuchen verschwand die Erfindung für einige Zeit vom Schauplatze. Die Maschine wurde in Folge des schlechten Zustandes der Straßen unzähligemale defect, functionirte sonach nur bedingungsweise. Unglücklicherweise fehlte es auch an Geld, und so wurde eines schönen Tages das Vehikel zerlegt, um stückweise verkauft zu werden. Die Dampfkutsche sollte in dieser Form erst sieben Jahrzehnte später wieder auf den Plan treten, denn die eben geschilderten Uebelstände bestärkten Trewethick in der Anschauung, daß ein derartiges Vehikel nur dann mit Erfolg
Zweiter Abſchnitt.
aufgeſtellt hatte, die »eiſernen Teufel« (Iron Devils) genannt. Aber die Erfindung war von ſo wohlthätigen Folgen begleitet, daß der Volksmund die neue Ein- richtung mit einem milderen Namen belegte und ſie die »ſchwarzen Engel« nannte. Aber mit einer Dampfmaſchine Spazierfahrten unternehmen, hügelauf- und hügelab klettern, mit Caroſſen wettlaufen: derlei hätten ſelbſt die phantaſtiſchen Corniſhmen ſich niemals träumen laſſen.
Welch ein Bewundern, welch ein Staunen, als Trewethick mit ſeinem Dampfwagen dahergeeilt kam. Der herkuliſche Mann, der ſchon im zarteſten Alter Proben ſeiner Energie an den Tag gelegt hatte, grüßte von ſeinem Sitze die Menge und lud ſie ein, an der Fahrt theilzunehmen. Ein Dutzend Perſonen ſprang auf, der Bann war gebrochen. Endloſer Jubel beſchloß das überraſchende Schauſpiel. Dennoch war Trevethick's Beginnen kaum höher anzuſchlagen, als das Lallen eines Kindes. Als wenige Tage ſpäter derſelbe »Feuerwagen« in die Nach- barſchaft zu dem mit dem Erfinder befreundeten Dawies Gilbert fahren ſollte, erlitt der Mechanismus einen Schaden. Die Fahrgäſte hatten ſich in einen Gaſt- hof zurückgezogen, und während ſie ſich gütlich thaten, ging der Feuerwagen in ſeinem eigenen Elemente unter — er verbrannte.
Die Erfindung aber konnte nicht verloren gehen, und es war für den finanziell nicht ſehr gut ſituirten Erfinder ein Glück, daß er einen vermögenden Verwandten zur Seite ſtehen hatte. Andreas Vivian, ſo hieß der Mann, hatte während des Chriſtſchmauses mit Trewethick ſich verabredet, auf die Erfindung der Dampflocomotive ein Patent zu nehmen und ein zweites Vehikel dieſer Art fertigſtellen zu laſſen. Schon nach Ablauf eines Vierteljahres rollte abermals eine Dampfkutſche durch die Straßen von Camborne. Aber mit dieſen Spazierfahrten war dem genialen Erfinder nicht gedient, und eines Tages ſaß er auf und fuhr, zum größten Erſtaunen der Landbewohner, von Camborne direct nach Plymouth, 105 Kilometer weit. Von hier kam die Dampfkutſche nach London, wo ſie Vivian an einem ſchönen Maitage des Jahres 1803 unter dem ungeheuren Zulaufe der Bevölkerung durch die Straßen der Stadt führte.
Unter den Wenigen, welche die weitgehende Bedeutung der Neuerung ahnten, befand ſich auch der größte Phyſiker ſeiner Zeit, Humphry Davy. Gleichwohl war die Hoffnung dieſes Mannes, »Trewethick's Drachen« auf allen Straßen Londons fahren zu ſehen, eine verfrühte; denn auch die Londoner Fahrten kamen über das Stadium des Experimentirens nicht hinaus. Nach den oben geſchilderten Fahrverſuchen verſchwand die Erfindung für einige Zeit vom Schauplatze. Die Maſchine wurde in Folge des ſchlechten Zuſtandes der Straßen unzähligemale defect, functionirte ſonach nur bedingungsweiſe. Unglücklicherweiſe fehlte es auch an Geld, und ſo wurde eines ſchönen Tages das Vehikel zerlegt, um ſtückweiſe verkauft zu werden. Die Dampfkutſche ſollte in dieſer Form erſt ſieben Jahrzehnte ſpäter wieder auf den Plan treten, denn die eben geſchilderten Uebelſtände beſtärkten Trewethick in der Anſchauung, daß ein derartiges Vehikel nur dann mit Erfolg
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aufgeſtellt hatte, die »eiſernen Teufel« (Iron Devils) genannt. Aber die Erfindung
war von ſo wohlthätigen Folgen begleitet, daß der Volksmund die neue Ein-
richtung mit einem milderen Namen belegte und ſie die »ſchwarzen Engel« nannte.
Aber mit einer Dampfmaſchine Spazierfahrten unternehmen, hügelauf- und hügelab
klettern, mit Caroſſen wettlaufen: derlei hätten ſelbſt die phantaſtiſchen Corniſhmen
ſich niemals träumen laſſen.
Welch ein Bewundern, welch ein Staunen, als Trewethick mit ſeinem
Dampfwagen dahergeeilt kam. Der herkuliſche Mann, der ſchon im zarteſten Alter
Proben ſeiner Energie an den Tag gelegt hatte, grüßte von ſeinem Sitze die
Menge und lud ſie ein, an der Fahrt theilzunehmen. Ein Dutzend Perſonen
ſprang auf, der Bann war gebrochen. Endloſer Jubel beſchloß das überraſchende
Schauſpiel. Dennoch war Trevethick's Beginnen kaum höher anzuſchlagen, als das
Lallen eines Kindes. Als wenige Tage ſpäter derſelbe »Feuerwagen« in die Nach-
barſchaft zu dem mit dem Erfinder befreundeten Dawies Gilbert fahren ſollte,
erlitt der Mechanismus einen Schaden. Die Fahrgäſte hatten ſich in einen Gaſt-
hof zurückgezogen, und während ſie ſich gütlich thaten, ging der Feuerwagen in
ſeinem eigenen Elemente unter — er verbrannte.
Die Erfindung aber konnte nicht verloren gehen, und es war für den
finanziell nicht ſehr gut ſituirten Erfinder ein Glück, daß er einen vermögenden
Verwandten zur Seite ſtehen hatte. Andreas Vivian, ſo hieß der Mann, hatte
während des Chriſtſchmauses mit Trewethick ſich verabredet, auf die Erfindung
der Dampflocomotive ein Patent zu nehmen und ein zweites Vehikel dieſer Art
fertigſtellen zu laſſen. Schon nach Ablauf eines Vierteljahres rollte abermals eine
Dampfkutſche durch die Straßen von Camborne. Aber mit dieſen Spazierfahrten
war dem genialen Erfinder nicht gedient, und eines Tages ſaß er auf und fuhr,
zum größten Erſtaunen der Landbewohner, von Camborne direct nach Plymouth,
105 Kilometer weit. Von hier kam die Dampfkutſche nach London, wo ſie Vivian
an einem ſchönen Maitage des Jahres 1803 unter dem ungeheuren Zulaufe der
Bevölkerung durch die Straßen der Stadt führte.
Unter den Wenigen, welche die weitgehende Bedeutung der Neuerung ahnten,
befand ſich auch der größte Phyſiker ſeiner Zeit, Humphry Davy. Gleichwohl
war die Hoffnung dieſes Mannes, »Trewethick's Drachen« auf allen Straßen
Londons fahren zu ſehen, eine verfrühte; denn auch die Londoner Fahrten kamen
über das Stadium des Experimentirens nicht hinaus. Nach den oben geſchilderten
Fahrverſuchen verſchwand die Erfindung für einige Zeit vom Schauplatze. Die
Maſchine wurde in Folge des ſchlechten Zuſtandes der Straßen unzähligemale
defect, functionirte ſonach nur bedingungsweiſe. Unglücklicherweiſe fehlte es auch
an Geld, und ſo wurde eines ſchönen Tages das Vehikel zerlegt, um ſtückweiſe
verkauft zu werden. Die Dampfkutſche ſollte in dieſer Form erſt ſieben Jahrzehnte
ſpäter wieder auf den Plan treten, denn die eben geſchilderten Uebelſtände beſtärkten
Trewethick in der Anſchauung, daß ein derartiges Vehikel nur dann mit Erfolg
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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900, S. 876. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_cyklopen_1900/958>, abgerufen am 23.11.2024.
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