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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900.

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Erster Abschnitt.
auch alle Versuche, an Stelle des Schießpulvers einen brisanten Sprengstoff zu
setzen, fehl.

Die leitenden Gesichtspunkte für die Herstellung eines neuen Schießpulvers,
das den heutigen an ein solches Präparat zu stellenden Anforderungen entsprach,
waren: Die Fähigkeit des Präparates, dem Geschosse eine Anfangsgeschwindigkeit
von circa 600 Meter zu ertheilen; möglichst niedere Gasspannung, um die Metall-
stärke der Feuerwaffen in Grenzen zu halten, die deren Gewicht nicht zu einem
übermäßigen steigerten; gefahrlose Handhabung des Präparates; möglichst geringe
Rauchentwickelung beim Schusse.

Alsbald begannen in den großen Militärstaaten die Versuche mit dem
sogenannten "rauchlosen" Pulver, welches aber im Grunde genommen nur ein

[Abbildung] Fig. 542.

Amerikanisches Würfelpulver.

rauchschwaches Pulver ist. Im Jahre 1877 trat Frankreich mit einem Präparate
dieser Art hervor, das von Vieille herrührte und für das kleincalibrige Lebel-
gewehr eingeführt werden sollte. Alle Militärtechniker waren gespannt auf dieses
Experiment, umsomehr als es hieß, das Präparat verbinde mit einer ganz be-
deutenden Triebkraft die Vortheile, weder Rauch noch Knall zu entwickeln und der
Waffe einen nur unbedeutenden Rückstoß zu verleihen. Hinterher zeigte es sich
freilich, daß das Vieille'sche Pulver ein -- Schießwollpräparat und die "Knall-
losigkeit" eine Erdichtung war. Immerhin wurden die anderen Militärmächte, in
erster Linie Deutschland und Oesterreich, auf eine Fährte gelenkt, auf welcher sie
in den Besitz eines mindestens gleichwerthigen Schießpräparates gelangen konnten.
Diese Anregungen hatten zur Folge, daß in erstaunlich kurzer Zeit eine ganz stattliche
Reihe rauchloser Pulver in den Patentzeitschriften zu finden waren und in dieser
Beziehung eine Erfindung die andere jagte.

Erſter Abſchnitt.
auch alle Verſuche, an Stelle des Schießpulvers einen briſanten Sprengſtoff zu
ſetzen, fehl.

Die leitenden Geſichtspunkte für die Herſtellung eines neuen Schießpulvers,
das den heutigen an ein ſolches Präparat zu ſtellenden Anforderungen entſprach,
waren: Die Fähigkeit des Präparates, dem Geſchoſſe eine Anfangsgeſchwindigkeit
von circa 600 Meter zu ertheilen; möglichſt niedere Gasſpannung, um die Metall-
ſtärke der Feuerwaffen in Grenzen zu halten, die deren Gewicht nicht zu einem
übermäßigen ſteigerten; gefahrloſe Handhabung des Präparates; möglichſt geringe
Rauchentwickelung beim Schuſſe.

Alsbald begannen in den großen Militärſtaaten die Verſuche mit dem
ſogenannten »rauchloſen« Pulver, welches aber im Grunde genommen nur ein

[Abbildung] Fig. 542.

Amerikaniſches Würfelpulver.

rauchſchwaches Pulver iſt. Im Jahre 1877 trat Frankreich mit einem Präparate
dieſer Art hervor, das von Vieille herrührte und für das kleincalibrige Lebel-
gewehr eingeführt werden ſollte. Alle Militärtechniker waren geſpannt auf dieſes
Experiment, umſomehr als es hieß, das Präparat verbinde mit einer ganz be-
deutenden Triebkraft die Vortheile, weder Rauch noch Knall zu entwickeln und der
Waffe einen nur unbedeutenden Rückſtoß zu verleihen. Hinterher zeigte es ſich
freilich, daß das Vieille'ſche Pulver ein — Schießwollpräparat und die »Knall-
loſigkeit« eine Erdichtung war. Immerhin wurden die anderen Militärmächte, in
erſter Linie Deutſchland und Oeſterreich, auf eine Fährte gelenkt, auf welcher ſie
in den Beſitz eines mindeſtens gleichwerthigen Schießpräparates gelangen konnten.
Dieſe Anregungen hatten zur Folge, daß in erſtaunlich kurzer Zeit eine ganz ſtattliche
Reihe rauchloſer Pulver in den Patentzeitſchriften zu finden waren und in dieſer
Beziehung eine Erfindung die andere jagte.

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[690/0764] Erſter Abſchnitt. auch alle Verſuche, an Stelle des Schießpulvers einen briſanten Sprengſtoff zu ſetzen, fehl. Die leitenden Geſichtspunkte für die Herſtellung eines neuen Schießpulvers, das den heutigen an ein ſolches Präparat zu ſtellenden Anforderungen entſprach, waren: Die Fähigkeit des Präparates, dem Geſchoſſe eine Anfangsgeſchwindigkeit von circa 600 Meter zu ertheilen; möglichſt niedere Gasſpannung, um die Metall- ſtärke der Feuerwaffen in Grenzen zu halten, die deren Gewicht nicht zu einem übermäßigen ſteigerten; gefahrloſe Handhabung des Präparates; möglichſt geringe Rauchentwickelung beim Schuſſe. Alsbald begannen in den großen Militärſtaaten die Verſuche mit dem ſogenannten »rauchloſen« Pulver, welches aber im Grunde genommen nur ein [Abbildung Fig. 542. Amerikaniſches Würfelpulver.] rauchſchwaches Pulver iſt. Im Jahre 1877 trat Frankreich mit einem Präparate dieſer Art hervor, das von Vieille herrührte und für das kleincalibrige Lebel- gewehr eingeführt werden ſollte. Alle Militärtechniker waren geſpannt auf dieſes Experiment, umſomehr als es hieß, das Präparat verbinde mit einer ganz be- deutenden Triebkraft die Vortheile, weder Rauch noch Knall zu entwickeln und der Waffe einen nur unbedeutenden Rückſtoß zu verleihen. Hinterher zeigte es ſich freilich, daß das Vieille'ſche Pulver ein — Schießwollpräparat und die »Knall- loſigkeit« eine Erdichtung war. Immerhin wurden die anderen Militärmächte, in erſter Linie Deutſchland und Oeſterreich, auf eine Fährte gelenkt, auf welcher ſie in den Beſitz eines mindeſtens gleichwerthigen Schießpräparates gelangen konnten. Dieſe Anregungen hatten zur Folge, daß in erſtaunlich kurzer Zeit eine ganz ſtattliche Reihe rauchloſer Pulver in den Patentzeitſchriften zu finden waren und in dieſer Beziehung eine Erfindung die andere jagte.

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Zitationshilfe: Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900, S. 690. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_cyklopen_1900/764>, abgerufen am 23.07.2024.