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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900.

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Erster Abschnitt.
und die Bewegung erleichtern. Die ganz schweren Geschütze endlich, welche nicht
eigentlich zur Ausrüstung der operirenden Heere gehören, sondern ausschließlich
zu Vertheidigungszwecken dienen -- also stationär bleiben -- bedürfen der Fort-
bewegungseinrichtungen nicht. Desgleichen die Schiffsgeschütze, zu denen die
schwersten Typen zählen und welche weit mehr eine Angriffswaffe, als eine Ver-
theidigungswaffe sind, und wobei der Charakter als letzter durch die Beweglichkeit
des Objectes, auf welchem die Geschütze untergebracht sind -- also des Schiffes --
zum Ausdrucke kommt.

Die Geschichte des modernen Geschützwesens nimmt dort ihren Anfang, wo
der Gedanke, gezogene Geschütze herzustellen, zuerst praktische Formen annimmt.
Die ersten Versuche dieser Art reichen bis in die Mitte der Vierzigerjahre unseres
Jahrhunderts zurück, um welche Zeit der Schwede Wahrendorf und der
Italiener Cavalli versuchsweise mit gezogenen Rohren, die zugleich Hinderlader
[Abbildung] Fig. 539.

Ein gedrehtes Geschoß.

[Abbildung] Fig. 540.

Bemäntelte Spitzbombe für den Bogenzugmörser.


waren, an die Oeffentlichkeit traten. Wahrendorf's Geschoß hatte einen Bleimantel,
welcher sich beim Schusse in die Züge preßte und dadurch nicht nur im letzteren
die gewünschte Führung erhielt, sondern auch jeden Spielraum zwischen Geschoß-
mantel und Rohrbohrung aufhob, was bei der Cavalli'schen Construction, dessen
cylindrisch-konisches Langgeschoß mit Ansätzen versehen war, welche in die Züge
eingriffen, nicht der Fall war.

Das Zusammenhalten der gleichzeitigen Bestrebungen, gezogene Geschütze her-
zustellen und sie eventuell als Hinterlader einzurichten, ergab von selbst eine
Combination beider. Von principieller Wichtigkeit war natürlich die Beseitigung
des Spielraumes, also der gezogene Hinterlader, doch führte das vorhandene
Geschützmaterial zunächst zum gezogenen Vorderlader mit Spielraum. Den Anfang
machte Frankreich mit dem Vorderladersystem La Hitte, von welchem im italienischen
Feldzuge 1859 bereits 32 ins Feld rücken konnten. Die Geschosse dieses Systems
waren an der Mantelfläche mit zwei Reihen ziemlich flacher "Warzen" (Ailetten)
versehen, welche in die Züge eingriffen; dadurch, daß letztere eine gestreckte
schraubenförmige Richtung erhielten, wurde dem Geschoß die Rotation um seine
Längsachse verliehen und dadurch eine größere Flugkraft und Treffsicherheit
zu Theil.

Erſter Abſchnitt.
und die Bewegung erleichtern. Die ganz ſchweren Geſchütze endlich, welche nicht
eigentlich zur Ausrüſtung der operirenden Heere gehören, ſondern ausſchließlich
zu Vertheidigungszwecken dienen — alſo ſtationär bleiben — bedürfen der Fort-
bewegungseinrichtungen nicht. Desgleichen die Schiffsgeſchütze, zu denen die
ſchwerſten Typen zählen und welche weit mehr eine Angriffswaffe, als eine Ver-
theidigungswaffe ſind, und wobei der Charakter als letzter durch die Beweglichkeit
des Objectes, auf welchem die Geſchütze untergebracht ſind — alſo des Schiffes —
zum Ausdrucke kommt.

Die Geſchichte des modernen Geſchützweſens nimmt dort ihren Anfang, wo
der Gedanke, gezogene Geſchütze herzuſtellen, zuerſt praktiſche Formen annimmt.
Die erſten Verſuche dieſer Art reichen bis in die Mitte der Vierzigerjahre unſeres
Jahrhunderts zurück, um welche Zeit der Schwede Wahrendorf und der
Italiener Cavalli verſuchsweiſe mit gezogenen Rohren, die zugleich Hinderlader
[Abbildung] Fig. 539.

Ein gedrehtes Geſchoß.

[Abbildung] Fig. 540.

Bemäntelte Spitzbombe für den Bogenzugmörſer.


waren, an die Oeffentlichkeit traten. Wahrendorf's Geſchoß hatte einen Bleimantel,
welcher ſich beim Schuſſe in die Züge preßte und dadurch nicht nur im letzteren
die gewünſchte Führung erhielt, ſondern auch jeden Spielraum zwiſchen Geſchoß-
mantel und Rohrbohrung aufhob, was bei der Cavalli'ſchen Conſtruction, deſſen
cylindriſch-koniſches Langgeſchoß mit Anſätzen verſehen war, welche in die Züge
eingriffen, nicht der Fall war.

Das Zuſammenhalten der gleichzeitigen Beſtrebungen, gezogene Geſchütze her-
zuſtellen und ſie eventuell als Hinterlader einzurichten, ergab von ſelbſt eine
Combination beider. Von principieller Wichtigkeit war natürlich die Beſeitigung
des Spielraumes, alſo der gezogene Hinterlader, doch führte das vorhandene
Geſchützmaterial zunächſt zum gezogenen Vorderlader mit Spielraum. Den Anfang
machte Frankreich mit dem Vorderladerſyſtem La Hitte, von welchem im italieniſchen
Feldzuge 1859 bereits 32 ins Feld rücken konnten. Die Geſchoſſe dieſes Syſtems
waren an der Mantelfläche mit zwei Reihen ziemlich flacher »Warzen« (Ailetten)
verſehen, welche in die Züge eingriffen; dadurch, daß letztere eine geſtreckte
ſchraubenförmige Richtung erhielten, wurde dem Geſchoß die Rotation um ſeine
Längsachſe verliehen und dadurch eine größere Flugkraft und Treffſicherheit
zu Theil.

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[684/0758] Erſter Abſchnitt. und die Bewegung erleichtern. Die ganz ſchweren Geſchütze endlich, welche nicht eigentlich zur Ausrüſtung der operirenden Heere gehören, ſondern ausſchließlich zu Vertheidigungszwecken dienen — alſo ſtationär bleiben — bedürfen der Fort- bewegungseinrichtungen nicht. Desgleichen die Schiffsgeſchütze, zu denen die ſchwerſten Typen zählen und welche weit mehr eine Angriffswaffe, als eine Ver- theidigungswaffe ſind, und wobei der Charakter als letzter durch die Beweglichkeit des Objectes, auf welchem die Geſchütze untergebracht ſind — alſo des Schiffes — zum Ausdrucke kommt. Die Geſchichte des modernen Geſchützweſens nimmt dort ihren Anfang, wo der Gedanke, gezogene Geſchütze herzuſtellen, zuerſt praktiſche Formen annimmt. Die erſten Verſuche dieſer Art reichen bis in die Mitte der Vierzigerjahre unſeres Jahrhunderts zurück, um welche Zeit der Schwede Wahrendorf und der Italiener Cavalli verſuchsweiſe mit gezogenen Rohren, die zugleich Hinderlader [Abbildung Fig. 539. Ein gedrehtes Geſchoß.] [Abbildung Fig. 540. Bemäntelte Spitzbombe für den Bogenzugmörſer.] waren, an die Oeffentlichkeit traten. Wahrendorf's Geſchoß hatte einen Bleimantel, welcher ſich beim Schuſſe in die Züge preßte und dadurch nicht nur im letzteren die gewünſchte Führung erhielt, ſondern auch jeden Spielraum zwiſchen Geſchoß- mantel und Rohrbohrung aufhob, was bei der Cavalli'ſchen Conſtruction, deſſen cylindriſch-koniſches Langgeſchoß mit Anſätzen verſehen war, welche in die Züge eingriffen, nicht der Fall war. Das Zuſammenhalten der gleichzeitigen Beſtrebungen, gezogene Geſchütze her- zuſtellen und ſie eventuell als Hinterlader einzurichten, ergab von ſelbſt eine Combination beider. Von principieller Wichtigkeit war natürlich die Beſeitigung des Spielraumes, alſo der gezogene Hinterlader, doch führte das vorhandene Geſchützmaterial zunächſt zum gezogenen Vorderlader mit Spielraum. Den Anfang machte Frankreich mit dem Vorderladerſyſtem La Hitte, von welchem im italieniſchen Feldzuge 1859 bereits 32 ins Feld rücken konnten. Die Geſchoſſe dieſes Syſtems waren an der Mantelfläche mit zwei Reihen ziemlich flacher »Warzen« (Ailetten) verſehen, welche in die Züge eingriffen; dadurch, daß letztere eine geſtreckte ſchraubenförmige Richtung erhielten, wurde dem Geſchoß die Rotation um ſeine Längsachſe verliehen und dadurch eine größere Flugkraft und Treffſicherheit zu Theil.

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Zitationshilfe: Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900, S. 684. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_cyklopen_1900/758>, abgerufen am 22.11.2024.